Michael Fassbender: Interview mit einem Mutanten

Seit seiner preisgekrönten Darstellung des hungerstreikenden IRA-Mitglieds Bobby Sands gilt Michael Fassbender als aufstrebender Star in der internationalen Filmbranche: In „X-Men: First Class“ tritt er als Mutant Magneto auf. Der WIENER traf ihn in London.

Der rasche Erfolg der vergangenen Jahre hat Michael Fassbender nicht vom Boden der Tatsachen abheben lassen – anstelle von Star-Allüren setzt er auf Natürlichkeit, die großen Töne überlässt er anderen. Und hebt stattdessen das Spannende an der Zusammenarbeit mit seinen Filmkollegen hervor.

Herr Fassbender, für Ihre preisgekrönte Verkörperung des hungerstreikenden Bobby Sands in „Hunger“ verloren Sie über 20 Kilogramm an Körpergewicht, als Magneto in Ihrem neuen Film „X-Men: First Class“ müssen Sie im Kampf gegen Superschurken antreten. Was ist leichter – als Bobby Sands zu verhungern oder als Superheld die Welt zu retten?

Ich weiß es nicht! Die Vorbereitung ist auf eine gewisse Weise gleich: Ich verbringe eine Menge Zeit zu Hause damit, das Drehbuch immer und immer wieder zu lesen – das mache ich so bei jedem Projekt, das ist in gewisser Hinsicht meine einzige Art der Vorbereitung – und durch dieses Lesen und Nochmal-Lesen setzen sich die Dinge fest, sickern sozusagen durch die Haut. Und wenn ich dann aufs Set komme, habe ich bereits so viel in mir drin, das mir erlaubt, damit zu spielen, es zu verdrehen und keine Angst davor zu haben, wenn sich etwas verändert oder in eine andere Richtung geht. Ich versuche immer, am Set möglichst relaxt zu sein – unbeschwert und informiert.

Mussten Sie diesmal viel trainieren?
Nein, für Magneto habe ich nicht viel trainiert – Körperkraft und Kampffähigkeiten gehören sogar zu seinen schwächsten Stärken – also wusste ich, dass ich nicht in Topform sein müsste. Ich trainiere zwar ohnehin regelmäßig, es ist immer gut in gewissem Maße fit zu sein, aber es waren nicht etwa zehn intensive Trainingswochen wie für „300″. Wenn man ein 15-Kilo-Schild in einem siebenstündigen Kampf halten soll, dann muss man auch vom Körper her so aussehen, als ob man das könnte (lacht). Aber bei Magneto ging es darum, die Farbe und den Geschmack in der Beziehung zwischen ihm und seinem Freund Charles zu finden und verschiedene Schattierungen innerhalb des Charakters zu zeigen – aber da hatte ich bereits unheimlich viel Vorgeschichte aus den Comicbüchern.

Schränkt das ein, eine Figur bereits so klar vor sich zu sehen?
Nein, ich mag das, da ich ein sehr visueller Mensch bin – wenn ich ein Magazin in die Hand kriege, dann neige ich auch dazu, mir nur die Bilder anzuschauen, ich bin da ziemlich faul! Ich war als Kind kein Comic-Fan. Das war eine Welt, die mir verschlossen blieb, also wollte ich mich so schnell wie möglich einarbeiten, als ich den X-Men-Job bekam: Ich hing mir die Bilder also überall im Wohnwagen auf. Über die Jahre hinweg gab es ja verschiedene Zeichner, unterschiedlichste Ideen eines Magneto – so hatte ich sie alle auf einmal vor meinen Augen: Das war sehr hilfreich.

Und – sind Sie mittlerweile ein Comicfan?
Wenn ich Zeit hätte! Ich bin ein langsamer Leser, deshalb passiert es mir oft, dass ich anfange, ein Buch zu lesen und dann kommt plötzlich wieder ein neues Drehbuch. So ist meine Quote an gelesenen Büchern in den letzten Jahren wirklich drastisch gesunken, was auch nicht gerade gut ist, aber…

… gut für die Karriere?
Im Moment ja, ich kann mich nicht beschweren (lacht).

Haben Sie trotzdem einen Lieblings-Comichelden?
Magneto.

Im Ernst?
(Lacht) Warum nicht, ja, es hat mir wirklich Spaß gemacht, ihn beim Lesen dieser Comicbücher kennenzulernen. In X-Men hat man es mit Themen wie Vorurteilen, mit Verstoßenen und Bürgerrechtsbewegungen in den Sechzigern zu tun, aber weil es in dieser fantastischen Welt spielt, kommt es nicht mit dem Holzhammer daher. Und das ist etwas, das ich wirklich faszinierend fand an diesen Comic-Büchern: dass da eine echte sozialkritische Haltung drin versteckt ist.

 

 

Info

MICHAEL FASSBENDER wurde am 2. April 1977 als Sohn eines deutschen Vaters und einer irischen Mutter in Heidelberg geboren. Aufgewachsen in Irland, packte ihn bereits im Jugendalter der Wunsch, zu spielen. Nach diversen Nebenrollen in internationalen Filmproduktionen gelang ihm 2008 der Durchbruch mit der Hauptrolle in „Hunger“.