Formel 1 am Red Bull Ring: Backstage beim Grand Prix

Feststeht: im Fernsehen sieht man mehr von einem Formel 1 Grand Prix. Trotzdem hat das Drumherum während des Rennens auch seinen Charme. Ein Erlebnisbericht aus Spielberg.

Felipe Massa hatte Pole, Nico Rosberg hat gewonnen. Weltmeister Sebastian Vettel ist mehr oder minder schon in der ersten Runde ausgefallen, der zweite Red Bull-Pilot Danny Ricciardo wurde siebter. Niki Lauda, selbst Österreich-GP-Siger von 1984, hat ebenfalls gewonnen, „sein“ Mercedes-Team hat einen Doppelsieg gefeiert. So viel zu den Hard Facts des Rennens, die man am besten im TV verfolgen kann, wenn man sich dafür interessiert. Im Paddock Club zu Spielberg kriegt man von den Geschehnissen des Rennens nämlich herzlich wenig bis gar nichts mit.

Backstage in Spielberg

Man kann dazu stehen wie man will, es mögen oder verfluchen. Aber das VIP-Gsturl hinter den Kulissen eines Formel 1 Grand Prix, das Bernie Ecclestone, Mr Formel 1 seit über 35 Jahren, aufgebaut und zu einem Multi-Millionen-Dollar-Business ausgebaut hat, kann sich sehen lassen. Es ist kurzweilig, wichtigtuerisch, elitär, übertrieben, erhebend und aufgesetzt. Aber es lässt keinen kalt, der mit irgendeinem VIP-Ausweis behangen, im Backstage-Bereich der Formel 1 an diesem Rennsonntag unterwegs war.

Gleich und Gleicher

Jeder hier ist VIP, aber manche sind eben mehr VIP als andere. Was sich an schicken und verschiedenfärbigen Pässen erkennen lässt, die einem Zutritt durch diverse Drehkreuze genehmigen, oder eben nicht. Grundsätzlich wurde mit dem Security-Wesen der vergangenen Jahre gründlich aufgeräumt; Alle sind überall hochfreundlich, ob Du reindarfst oder nicht. Dann wird vom freundlichen Zerberus ein technischer Defekt eingeräumt, schlechte Stimmung kommt jedenfalls nie auf.

Paddock-Club

Mein Pass berechtigte mich zum Betreten des Paddockclubs, jener fein ausgestattete Bereich also direkt über den Boxen mit bestem Blick auf die Start-Ziel-Gerade. Meine Homebase war ebendort der Hospitality-Bereich des Infiniti-Red Bull Racing-Teams, diesfalls nicht zu verwechseln mit der Energy-Station des selben Teams im Fahrerlager, wo sich dann eben auch Fahrer und Funktioniäre tummeln. Nicht nur VIPs.

Vorprogramm

Für all die Stationen, wo man im Vorfeld des Rennens herum sein kann, gilt: sehen und gesehen werden. Spannend ist es nirgendswo, es sei denn, einer der Fahrer taucht kurz aus seinem Versteck auf, gibt sich für ein Selfie her oder hat einfach nur Stress. Inzwischen wuseln – speziell im Fahrerlager – TV-Teams auf der Jagd nach O-Tönen herum, in den Boxen selbst wird feinmechanisch operiert, nachjustiert, bereit gemacht. Kurz überlegt man sich, was hier wohl eine Mechnikerstunde kosten würde. Vermutlich hat die Toolbox, mit der am Einsatzfahrzeug von Sebastian Vettel geschraubt wird, ungefähr den Gegenwert meines Privat-Volvo daheim.

Dann wird ein Boxenstop geübt, draußen auf der Piste toben die Vor-Rennen (Porsche Supercup, GP2) über die Zielgerade, um Punkt 12 donnern ein paar Legenden-Boliden von anno dazumal über die Piste. Niki Lauda pilotiert seinen 1976er-Ferrari, Gerhard Berger seinen 96er Benetton. Alex Wurz ist ebenso on the Track wie Jochen Rindts Original-Lotus 49 von 1970, diesfalls pilotiert von seinem stolzen Eigner Willenpart. Faszinierend wie immer: wie der Mann mit dem roten Kapperl die Massen begeistert. Kaum taucht Lauda wo auf, geht Jubel los.

VIP-Gsturl

Echte VIPs, früher hätte man Prominente gesagt, gibts hier freilich wenige. Jackie Stewart ist da, damit wären die Ex-F1-Promis weitgehend genannt. Der Schauspieler Jean Reno tummelt sich irgendwo durchs Fahrerlager, begleitet von FIA-Chef Jean Todt. KTM-Boss Stefan Pierer verkörpert die Industrie-Elite, dass sich Dietrich Mateschitz den GP auf der hauseigenen Strecke entgehen lässt, darf ebenso bezweifelt werden. Ein gealterter, aber noch immer hochgeehrter Heinz Prüller klappert Motorhomes nach alten Freunden ab, Niki Lauda, Bernie Ecclestone und Helmut Marko gelten nicht als Promis: sie sind ja schließlich beruflich da.

Alle anderen VIPs sind Gäste. Gäste der Sponsoren zumeist. Und das ist auch Recht so, schließlich will man sich das ganze Spektakel ja nicht so viel Geld kosten lassen, damit man zwei Stunden lang am Nachmittag sein Firmenlogo auf irgendeiner Rennautoseitenwand durchs TV-Bild huschen sieht.

Infiniti: Mehr als nur ein Logo

Infiniti ist seit zwei Jahren Namens-Sponsor von Red Bull, dem die letzten Jahre über höchst siegreichen Formel 1-Team. Heuer fährt man den Mercedessen eher hinterher, die Schuld dafür wird allgemein beim Renault-Motor gesucht, was Infiniti seit wenigen Tagen auch als Motoren-Partner für die Bullen-Renner ins Spiel bringt. Aber Andreas Sigl, oberstes Bindeglied zwischen der Automarke und dem Formel Eins-Team winkt diesbezüglich ab, vorerst. „Man soll niemals nie sagen im F1-Geschäft“ meint der Deutsche, in aller Kurzfristigkeit wird es aber kein Infiniti-Triebwerk in der Formel Eins geben, schon gar nicht im Shootout mit den zur Markenfamilie Renault-Nissan-Infiniti gehörenden Franzosen. „Unser Geschäftsziel für die Allianz mit Red Bull Racing ist vorerst, unsere eigene Marke bekannt zu machen. Wir sind noch relativ frisch am Markt, wollen den Brand Infiniti endgültig und bei jedermann als Automarke etablieren.“ Über das bloße Branding hinaus macht Sigl die Kooperation mit dem Austro-Englischen Rennstall an drei Säulen fest: People-Process-Technology. Während im Prozess-Managment sowohl Red Bull von Inifiniti profiziert (man hat rein logistisch etwa das zehnfache an Manpower zu bieten) als auch umgekehrt (Know How-Transfer kommt immer gut an, besonders da Sebastian Vettel in den Prozess der Abstimmung neuer Infiniti-Modelle tief einbezogen wird), wird vor allem ein interessantes Projekt namens Infiniti-Academy genannt. Das aufstrebenden Jungtechnikern aus aller Welt einen Arbeitsplatz in der Red Bull Fabrik in Milton Keynes besorgt, im Rahmen eines Stipendiums quasi, inklusive Unterkunft und Auto. „Es gibt hier ein wirklich strenges und interessantes Auswahlverfahren, an dem auch Adrian Newey und Christian Horner beteiligt sind. Drei Plätze werden hier im ersten Jahr vergeben, weitere sollen folgen.“

Es geht los.

Vom Paddock Club aus ist vor allem der Start ein Erlebnis, das alle Wahrnehmungsebenen von Optik bis Gehör vollinhaltlich bedient. Während dem Rennen sind klarerweise alle Chefexperten, jeder kennt sich aus, erklärt irgendwem den Zwischenstand. Die Damen zeigen feinste Garderobe, die Herren geben sich sportlich gebrandet zumeist. Den Überblick verliert man hier übrigens gänzlich, wer sich informieren will, hält sich ans TV-Bild.

Boxenstopp

Eindrucksvoll gestaltet sich eine Stippvisite in der Red Bull-Box während dem Rennen. Zunächst wird der endgültig k.o. gegangene Weltmeisterwagen retourwärts hereingeschoben, keine Sternstunde für Seb Vettel, der auch schnell im Fahrerlager verschwindet und nicht mehr gesehen wird. Wenige Runden später kommt Bewegung in die „Mondmänner“ der Nebenbox: Danny Ricciardo kommt herein. Plötzlich springen 12 Mann hoch, jeder greift sich einen Reifen oder einen Schlagschrauber, als das Auto schließlich einrauscht, reichen gestoppte 2,9 Sekunden für den Wechsel aller vier Reifen. Das ist zu schnell für eine vernünftige Wahrnehmung, unter vollster Konzentration und Fokussierung nimmt man gerade mal das Festzurren einer Zentralradmutter effektiv wahr, bevor sich der Red Bull wieder wegsprengt. Präzision ist alles und aus der Boxen-Perspektive endlich mal auch wesentlich spektakulärer wahrzunehmen, als im TV.

Dass den meisten im Paddockclub der Rennverlauf herzlich wurscht ist, zeigt sich spätestens beim Zieleinlauf, den keiner so richtig mitkriegt. Erst als irgendwer aufs Wacheln der schwarz-weißen Fahne aufmerksam macht, kommt Bewegung in die Menge, man eilt zum Balkon und sieht den Leuten von der gegenüberliegenden Tribüne dabei zu, wie sie auf die Strecke stürmen. Die Siegerehrung geschieht nebenan, Hymne, Ergriffenheit, Nico Rosberg sagt den Österreichern, wie toll sie sind. Eine nette Geste, alles sehr sympathisch. Aber auch steril.

Rote Kappe

Nachdem die siegreichen Fahrer (Rosberg, Hamilton, Boltas) ins Fahrerlager abtauchen, verlagert sich die Menschentraube auf der Start-Zielgeraden ein paar Meter weiter nach rechts. Der Grund: eine am Boxenzaun stehende, rote Kappe gibt geduldig Autogramme und jeder möchte eines haben. Da können die Vettels, Rosbergs oder Ricciardos gewinnen was sie wollen, die Hauptattraktion hier ist 65 Jahre alt und war zuletzt vor 30 Jahren Formel-1-Weltmeister: Niki Lauda Superstar.