Wien zelebriert die schöne Leiche

Das neue Wiener Bestattungsmuseum unter der Aufbahrungshalle Zwei am Wiener Zentralfriedhof entführt die Besucher in die morbide Welt von Leben und Tod.

„Time to Say Goodbye“ führt mit „Ave Maria“ und „My Way“ die ewige Hitparade der Begräbnislieder an. Musikalische Entscheidungsschwierigkeiten hatte man im 19. Jahrhundert noch nicht, da plagte eher die Sorge um eine vorzeitige Bestattung. Das beweist ein Rettungswecker, der auf den fälschlicherweise Begrabenen aufmerksam machen sollte. Beides erfährt man im neuen Wiener Bestattungsmuseum.

Schon die lange, schmale Rampe, die in das neue Museum unter der Aufbahrungshalle Zwei am Wiener Zentralfriedhof führt, gleicht ein wenig dem „letzten Weg“. Betritt man die am Mittwoch präsentierten Schauräume, wähnt man sich tatsächlich an der Schnittstelle zwischen Leben und Tod. In dunklem Ambiente werden einzelne Exponate wie etwa Totenmasken oder Uniformen der Totengräber bläulich-kühl angestrahlt, während der Boden in warmem Gelb beleuchtet ist.

Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart 

Schließlich soll sich der Besucher immer noch in der Welt der Lebenden befinden, wie Architekt Gustav Pichelmann im Gespräch mit der APA erklärte. Für das neue rund 300 Quadratmeter große Museum – der alte Standort in der Goldeggasse 19 musste aufgrund der Übersiedelung der Unternehmenszentrale aufgegeben werden – hat er sich mit den strengen Auflagen der denkmalgeschützten Jugendstil-Aufbahrungshalle auseinandergesetzt. Das Ergebnis ist ab 13. Oktober jeweils von Montag bis Freitag öffentlich zugänglich.

Aus dem alten Museum hat man einige Exponate übernommen, etwa eine Auswahl an Grabtüchern oder die imperialen Wappen der Kaiserbegräbnisse. Auch der Rettungswecker und das sogenannte Herzstichstilett, das den Tod sicherstellen sollte, waren bereits am alten Standort zu bewundern. „Das waren Lieblinge, auf die wir einfach nicht verzichten konnten“, so Museumsdirektorin Ruth Praschek. Einige Stücke sind jedoch auch dazugekommen, etwa ein ganzes Kapitel über die Arbeit am Friedhof sowie die Wiener Friedhöfe an sich – per Touchscreen-Datenbank können etwa alle Ehrengräber abgerufen werden.

Ansonsten steht die Bestattung – vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart – mit all ihren Wiener Eigenheiten im Vordergrund. „Wo, wenn nicht in Wien, soll es ein Bestattungsmuseum geben“, fragte sich Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SPÖ) beim Festakt. Sie könne sich jedenfalls keinen besseren Ort als den Zentralfriedhof vorstellen. Mehr als 250 Objekte führen durch die Totengeschichte der Stadt – darunter etwa verschiedene Särge vom billigen Klappsarg aus der Zeit Kaiser Josephs II. über einen pompösen Sarkophag bis hin zu einem modernen „Cocoon“ aus Pflanzenfaser.

Den Lauf der Zeit kann man aber auch anhand von Roben, die zu Begräbnissen getragen wurden, Grabsteinen, Leichenzügen oder Urnen nachvollziehen: Hier spannt das Museum den Bogen von der Augarten-Keramikurne bis zur Do-It-Yourself-Holzurne, die mit einem Malset verkauft wird. Für den multimedialen Touch sorgen beispielsweise Videos vom Begräbnis Kaiser Franz-Josephs I. oder Albert Baron Rothschilds. Skurril wird es etwa bei der „Kerzenspitzmaschine“.

Etwas mehr als ein Jahr wurde am neuen Museum gebaut, die Kosten beliefen sich auf rund 2,5 Millionen Euro. Seit den 1960er-Jahren werden laut Christian Fertinger, Konzernbereichsleiter der Bestattung und Friedhöfe Wien, Exponate gesammelt, dann entschloss man sich, diese auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das alte Museum in der Goldeggasse erwies sich vor allem bei der Langen Nacht der Museen als Besuchermagnet. Ob man das beliebte „Probeliegen der Särge“ auch im neuen Museum einführen werde, sei jedoch noch nicht klar, meinte Praschek.