Film & Serie

Nostalgie wie noch nie

Morgen wird wie gestern sein. Serienschöpfer bedienen sich dieser Tage so massiv wie selten zuvor am reichhaltigen Fundus von Erfolgsmodellen der Vergangenheit. Gehen dem Golden Age Of Television die Ideen aus – oder darf man sich auf manches Revival sogar freuen?

von Christoph PrennerEs ist so, als ob man sich eine Porno-Parodie anschauen würde – bloß ohne Porno.“

Nein, gnädig ging das US-Popkultur-Portal The A.V. Club echt nicht um mit „Fuller House“, jenem Ende Februar mit der üblichen Binge-Watch-Option angelaufenen Update der 90s-Sitcom
„Full House“. Nicht zu Unrecht: Selbiges muss eben nicht nur ohne die Olsen-Zwillinge aus der Ursprungs-Besetzung auskommen, sondern auch ohne das in der Original-Ausstrahlungsära herrschende gesellschaftspolitische Klima. Seltsam neben der Spur mutet anno 2016 der konserviert konservative Tonfall der Show in seiner naiven Idyllbeschwörung an, weniger charmant unzeit-gemäß denn vielmehr komplett anachronistisch. Die Zeiten haben sich eben maßgeblich geändert – dort draußen in der Welt und natürlich auch da drinnen, in der Flimmerkiste.

Es ist dennoch nicht davon auszugehen, dass sich der für diese Revitalisierung verantwort-liche Streaming-Dienst Netflix von solchen Schrammen großartig beirren lassen wird. Ohne Gnade der globalen TV-Herrschaft zuarbeitend ist dort mitunter weniger das Bestreben, total neue Formatfelder zu bestellen, denn der Wille von König Kunde Gesetz – bzw. das, was der-allwissende Algorithmus des Unternehmens als selbigen ausgemacht hat. Und wenn jener maßgeblich in Fortführungen von Bekanntem, Bewährtem, Beliebtem besteht und obendrein der Ideenvorrat im fortwährenden Golden Age Of Television nicht unbedingt schnell genug mit dem Bedarf mitwächst, dann ist ein Abtauchen in die risikoverminderten Gefilde der Retromania halt ein probates Programmmittel. Folglich nimmt es auch kaum Wunder, dass Netflix momentan vier spielfilmlange neue Episoden von, schluck, „Gilmore Girls“ produzieren lässt.

Mit ebendieser aktuellen Auffrischungs-Entwicklung verfolgt der TV-Markt nun mit ähnlichem Nachdruck das bereits vom Gegenwartskommerzkino verinnerlichte Diktum, wonach nichts, was jemals irgendwo gezogen hat, unwiederholt bleiben darf – siehe dazu die in Dauerschleife aufgewärmten Abenteuer von „Star Wars“ über „Jurassic Park“ bis „Terminator“. Schließlich zeigen die Zeichen der Zeit auch abseits von Netflix stark in Richtung-Recycling. Stoff dafür lässt sich aus allen erdenklichen Fernseh-Schaffensepochen ziehen: Gerade erst durfte man etwa Zeuge der Neuauflage von „Akte X“ werden, die jedoch vom ganz realen Zeitgeist rechts überholt wurde und verglichen mit dem Treiben der ganzen Verschwörungswichtel out there nachgerade schaumgebremst rüberkam – und lang nicht so abgründig und visionär wie einst.

Genau letztgenannte zwei Qualitäten wird man aber auch von der Wiederauferstehung einer anderen Nineties-Show-Legende einfordern. Und weil es sich dabei zudem um das Comeback von Maestro David Lynch handelt, darf man sich „Twin Peaks“ schon jetzt als das heftigst herbeigesehnte Highlight der TV-Saison 2017 ausmalen. Bis es so weit ist, dürfte auch so manches andere Revival konkret geworden sein: „MacGyver“ wird trotz Modernisierung garantiert bauernschlauen Bastelbubencharme verströmen, als ob es 1988 wäre, Will Smith darf sich via der Neuauflage von „Der Prinz von Bel Air“ daran erinnert fühlen, dass er auch mal lässig war, und wir uns wiederum im Jack-Bauer-losen Reboot von „24“  daran, dass im Kampf gegen den Terror nicht nur in Serien alle Mittel recht waren, ca. Anfang dieses Jahrtausends. Last but not least darf auch eine lang-jährige Erfolgs-geschichte ein neues Kapitel aufschlagen: Mittels eines weiteren „Star Trek“-Ablegers wird uns Bryan Fuller, der mit dem TV-„Hannibal“ schon bewiesen hat, dass er sich famos auf das Wiedererwecken abgedroschener Stoffe versteht, in die unendlichen Weiten des Weltraums locken. Und dabei dankbar zur Kenntnis nehmen, dass er sich eines sicher -ersparen wird: Anwürfe einer Quasi-Porno-Parodie des Materials. Denn derer gibt es, nun ganz in echt, wahrlich schon genug …

Fotocredit: Paramount Everett Collection

Es ist so, als ob man sich eine Porno-Parodie anschauen würde – bloß ohne Porno.