Essen

Mach mal die Oma!

Sarah Wetzlmayr

Mach mal die Oma!

Peruanischen Limettenfisch, essbares Moos und Käferlarven haben wir durch. Der nächste Trend steht längst an – die Wiederkehr der Hausmannskost.

REDAKTION: ROLAND GRAF

Warum es den beliebten Sitzungs-Zeitvertreib „Bullshit-Bingo“ nicht längst schon für Speisekarten gibt, entzieht sich unserer Kenntnis. Vermutlich wäre einem ähnlich schnell langweilig wie beim Ankreuzen jeder Äußerung von „Am Ende des Tages …“ oder „Ich bin da ganz bei dir …“, wenn die Wahlmöglichkeiten Jakobsmuschel, Koriander oder Süßkartoffel lauteten. Als ob überall Fridrich Nietzsche am Herd stünde und die ewige Wiederkehr des Gleichen verordnet hätte. Denn unsere Küche verarmt zusehends. Das führt dann zu Auswüchsen wie der Begeisterung, mit der letztens eine Dame beim Lunch-Nacherzählen die „karamellisierten!“ Krautfleckerl lobte, dass man das Ausrufezeichen hinter dem Wörtchen förmlich greifen konnte. Gegenfrage: Wie sonst?

Aber auch die Absurdität, jemandem Majoran, einst eines der wichtigsten Gewürze, erklären zu müssen, kommt einem unter. Ob er ein politisch nicht korrektes Gericht wie den Scheiterhaufen kennt, fragt man so jemand lieber gleich gar nicht. Es hat also stets was Erfreuliches, auf einer Speisekarte Altvertrautes wie den Zwiebelrostbraten zu sehen. Nicht, dass da die Freudentränen spritzen, aber bei der Rindsroulade, hinter der ihr einzig zulässiger Begleiter „Spiralen“ auf der Speisekarte stand, war ich knapp davor.

Jetzt ist der Zwiebelrostbraten ja nicht der verlorene Sohn, dass man sich so über sein Auftauchen freuen müsste. Wenn schon, dann eher eine verlorene Oma, denn Rezepte wie dieses zählten bis in die frühen 1990er-Jahre zum Standardrepertoire am heimischen Herd. Wo aber findet man eingebrannte Erdäpfel, Germknödel (nicht die aufs Tablett geknallte Flummi-Version der Skihütten-Ausspeisung!) oder Buchteln? Daheim sowieso nicht und beim Wirtn immer seltener. Dabei haben wir mittlerweile ohnehin alle Weltgegenden im wahrsten Sinne des Wortes durchgekaut.

Weltrevolution mit Buchtel

Wenn schon weltmännisch essen, dann könnte man doch auch die Wiener Mehlspeisküche, unser böhmisches Erbe, zum globalen Standard erheben. Nur müsste halt wer den Anfang machen, so ganz gegen das Diktat der Zucker-Talibans und Kalorien-Wächterinnen. Ist der Retrotrend also schon da? Besser noch, wir kreieren ihn gerade, indem wir monatlich einen der Klassiker ent- stauben. Paprikahendl reloaded, Grammelknödel 2.0 und Mohnnudeln next level sind angesagt. Das geht sogar mit dem zum Erbsen-Reis degradierten „Risibisi“.

Foto: Tirol Werbung