Film & Serie

Siegrid und Roy

Sarah Wetzlmayr

Der dritte Tatort mit Nora Tschirner und Christian Ulmen war ein großer Spaß

Lotto in Weimar

Wenn Frank einfach so mal eine Runde im Schrank sitzt, kann man ihn nicht einfach festnehmen? Solche und andere ähnlich absurde Fragen, mussten sich Nora Tschirner und Christian Ulmen gestern am Tatort Weimar stellen.

von Sarah WetzlmayrWas wenn einer sterben will und es einfach nicht schafft? Dann waren wir vermutlich gerade am Tatort Weimar unterwegs, bei Nora Tschirner und Christian Ulmen. Eifrige Foren-Poster stellen sich jedoch nach dem gestrigen Tatort „Der treue Roy“ eine ganz andere Frage: „Was wenn einer einen Krimi schreiben will und es einfach nicht schafft?“ Sind wir dann einfach auch in Weimar, bei Tschirner und Ulmen unterwegs, oder darf ein Tatort sich einfach nicht auf der Ebene des surrealen Klamauk ausbreiten? Wie viel Blödelei darf er denn, der Tatort? Oder muss man in diesem Fall auch erstmal Merkel und Erdogan dazu befragen?

Das sind viele Fragen, deren wichtigste – ob der Tatort das denn darf, nämlich lustig sein – ganz entschieden mit „ja“ beantwortet werden muss. Er darf das, der Tatort, aber nur wenn Tschirner und Ulmen den Schmäh in ihren zum Glück tragenden Rollen auch durch den Tatort tragen. Und das auch noch so leichtfüßig tun. Kein TTIP, keine Flüchtlings- und Asylthematik, keine Ausflüge in die Abgründe menschlicher Seelen (obwohl es an psychotischem Potential in Weimar auch nicht mangelte) – also nichts von dem was den Tatort sonst so düster und damit für viele auch so bedeutungsschwer macht. Leichtigkeit und skurriler Humor standen in Weimar, trotz der Goetheschen Schwere dieser Stadt, an der obersten Stelle – sogar in jener Schlüsselszene, in der Nora Tschirner mit scheinbar geladener Pistole am Kopf Auto fährt.

Es ging um Lotto spielen, Beinlosigkeit (einer der Protagonisten hörte auf den Namen „Flamingo“), das Vortäuschen des eigenen Todes, um Frank der im Schrank sitzt, Prostitution und auch um die große Liebe. Zwischen Geschwistern, aber auch zwischen Sven Weischlitz (dem „Mann aus Stahl“, der einfach nicht stirbt, auch wenn er sich noch so sehr bemüht) und seiner geliebten Prostituierten Irina, die eigentlich Vanessa Fink heißt und eh deutsch kann. Schlüsseldialog zwischen den den beiden:

Irina: Oh Roy, I so happy. You’re good?

Roy: I killed a man. But I love you. Sät is good.

Irina: Frank is away. But we move.

Roy: Okä. Go to Flughafen Umpferstedt. It’s for Flugzeuge. Ja? Ein Acker mit Windsack. I am in einer Stunde bei you.

Wenn man sich dachte, es geht nicht mehr absurder, kam dieser Tatort mit einer weiteren Spitze der Skurrilität daher. Normal war hier niemand, es eröffnete sich stattdessen ein wahres Planschbecken an Ticks, kleineren und größeren, tödlichen und nicht ganz so tödlichen. Und obwohl das alles streckenweise schon sehr zum Lachen war, lachte in dieser Tatort-Folge niemand. Ein Lächeln war das höchste der Gefühle. Für alle weiteren Gefühlsausbrüche war Goethe zuständig, der immer wieder zitiert wurde, aber nirgends so recht ankam. Die Surrealität der Wirklichkeit ans Licht – oder zumindest auf die Fernsehbildschirme – zu bringen hat dieser Tatort trotzdem bravourös geschafft – allerdings bloß zum zweiten Mal an diesem Abend, nach den ersten Hochrechnungen der Bundespräsidentenwahl.

 

Fotos: Screenshots | Youtube