Interview

Im großen Interview: Max Schrems

Seit seiner erfolgreichen Klage gegen den Netzwerkgiganten Facebook steht der Name Max Schrems für Datenschutz. Im WIENER-Interview spricht der smarte Jurist über Panama, Edward Snowden, schwarze Löcher und Revenge Porn.

INTERVIEW: FRANZ J. SAUER / FOTOS: ANDREAS JAKWERTH

Wie würden Sie meiner zwölfjährigen Tochter (und eifrigen Facebookerin) erklären, worum es in Ihrem Rechtsstreit mit Facebook geht?

Es geht darum, ob zukünftig Konzerne oder Ihre Tochter selbst entscheiden darf, was mit ihren Daten passiert.

Das Safe-Harbor-Abkommen zwischen der EU und den USA wurde im Oktober 2015 vom Europäischen Gerichtshof für ungültig erklärt. Lässt sich daraus schließen, dass die USA kein sicherer Hafen für Daten sind?

Der EuGH hat das bestehende Selbstzertifizierungs-System in den USA für nicht ausreichend befunden. Die EU-Kommission und die USA sind der Meinung, mit einer Verbesserung des Systems sei alles in Butter. Die meisten unabhängigen Experten sehen das eher anders.

Halten Sie Facebook & Co. für böse?

Böse ist ein großes Wort. Es gibt Licht und Schatten. Ich finde die Technik und soziale Netzwerke toll. Wenn es aber de facto ein Monopol gibt und der Konzern, der dieses Monopol innehat, seine Position missbraucht und sich nicht an die Gesetze hält, dann ist das sicher nicht ganz okay.

Verwenden Sie Facebook nach wie vor?

Ja. Ich finde wie gesagt die Technologie recht cool und leider gibt es wenig sinnvolle Alternativen, um mit Freunden auf der ganzen Welt dauerhaft in Kontakt zu bleiben. Man ist ja gezwungen, die Plattform zu nutzen, die alle anderen auch nutzen. Ich schreibe aber wenig bis nichts von mir selbst. Ich glaube auch, Verweigerung ist nicht die Lösung. Wir sollten lieber zusehen, dass sich die Konzerne an die Gesetze halten.

Sind Community-betriebene soziale Netzwerke wie Diaspora eine sinnvolle Alternative zu Konzern-geführten à la Facebook?

Wo, glauben Sie, liegen deren Stärken bzw. Schwächen? In welcher Hinsicht sind sie relevant – und warum? Wir brauchen auf jeden Fall wieder mehr offene Systeme, wie E-­Mail oder das Internet selbst. Statt­dessen versuchen große Konzerne, das offene Netz zu privatisieren, indem man das Netz durch Plattformen verdrängt. Die Nutzer und auch große Teile der Wirtschaft werden damit eingesperrt und Konkurrenz unmöglich. Gegen diese Entwicklung müsste man dringend auch mit einem kartellrechtlichen An­satz ran. Natürlich können Sie auch auf Diaspora sein, aber da teilen Sie Ihre Urlaubsfotos de facto mit sich selbst – weil keiner drauf ist. Hier gibt es einfach einen Effekt wie bei schwarzen Lö­chern – wenn eine Plattformerstmalalle Nutzer hat, kommt man fast nicht mehr raus und alles andere wird ausgesaugt.

Soziale Netzwerke – allen voran Facebook – haben unsere Lebenswelt auf ganz massive Weise verändert. Manche Kritiker sprechen bereits von einer sozialen Droge, die sehr schnell zu massiver Abhängigkeit führt. Teilen Sie diese Meinung?

Leider ja. Viel in der IT wird dahingehend manipuliert, dass man möglichst lange online bleibt, sich geliebt fühlt – Stichwort Like­ Button – und alles eher rosa und positiv ist. Jedenfalls muss es einen aber rein­ ziehen und nicht mehr loslassen. Auch wenn Sie in einer U­-Bahn fast jeden Menschen sein Smartphone streicheln sehen und Leute unrund werden, wenn der Akku leer oder das Handy weg ist, dann ist das sicher ein Suchtverhalten, das nicht ganz gesund sein kann.

Es lässt sich kaum ein Medienbericht über Sie finden, in dem das Gleichnis „David vs. Goliath“ nicht bemüht wird. Wie würden Sie selbst Ihre Rolle in diesem dynamischen Prozess definieren?

Ich kann mich mit diesen Kategorien nicht anfreunden. Vor dem Recht sind für mich alle gleich – egal ob groß oder klein. Medial hab ich sicher oft diese Rolle, weil sich damit einfach eine gute Geschichte machen lässt. Ich sehe mich aber relativ nüchtern als Kläger, der etwas tut, wo viele Leute ein Problem sehen.

Wie schützenswert sind persönliche Daten, mit denen User die virtuellen Netzwerke nicht nur freiwillig, sondern ganz bewusst und aktiv speisen?

Erst einmal muss man sagen, dass die Konzerne den Großteil der Daten selbst generieren oder von anderen Leuten be­ kommen – die alte Geschichte, dass wir das alles selbst hergeben, ist eine der größten Datenschutzlügen. Wenn wir aber Daten hergeben, muss das jeder selbst entscheiden dürfen. Wenn wir etwas aktiv öffentlich machen, ist es für uns persönlich vermutlich wenig schutzwürdig. Wenn wir hingegen etwas in einem privaten Chat sagen, vermutlich meistens schon. Entscheidend aber ist, dass die Konzerne diese Daten nur dafür nutzen, wofür wir die Daten hergeben. Das nennt man im Gesetz Zweckbindung. Ich darf also Daten aus einem Chat nicht für etwas anderes weiterverwenden.

Sehen Sie sich in einer Reihe mit prominenten Protagonisten wie Julian Assange oder Edward Snowden?

Nein. Da ist mein Ansatz doch vergleichs­ weise konservativ und systemtreu. Diese Leute haben ganz anderes geleistet.

Whistleblower werden gerne als die Robin Hoods 2.0 gefeiert. Zu Recht?

Wenn Informationen und Daten das neue Gold sind, dann ist das Stehlen und Weitergeben dieser Daten vermutlich eine Art der nicht ganz ungerechten Umverteilung. Dauerhaft wären aber Transparenzgesetze auf der einen Seite und Datenschutz auf der anderen Seite eine stabilere Art der Umverteilung.

Sie kämpfen für mehr Datenschutz, die beiden oben Genannten verletzen ihn …

Nicht wirklich. Datenschutz schützt ja nur personenbezogene Daten, und auch das nicht absolut. Wenn Snowden Daten zur US-­Überwachung weitergibt, dann hat er damit vielleicht US­-Staatsgeheimnisse verletzt, aber nicht den Datenschutz.

Gibt es guten und schlechten Datenschutz?

Es gibt gut und schlecht gemachten Datenschutz. Gut gemach­ten Datenschutz merken Unternehmen und Nutzer in der Praxis gar nicht, solange sie nichts Skurriles mit den Daten tun. Schlecht gemachter Daten­schutz hingegen endet mit hunderten Zustimmungsboxen und viel Papier­ kram, ohne wirklich die Privatsphäre der Nutzer zu schützen.