Film & Serie

Son of Anarchy

Sarah Wetzlmayr

Im Hinterland ist die Hölle los – leider aber auch schon ein letztes Mal: Mit bewährtem Sinn für Chaos und Karacho höherer Ordnung biegt die furiose Adrenalin-Oper „Banshee“ dieser Tage in die Zielgerade ein.

TEXT: CHRISTOPH PRENNER

Kommt ein frisch entlassener Knacki in eine Provinzbar. Einige Minuten und Leichen später ist just dieser Dude auf einmal der neue Sheriff jener Stadt, die da Banshee heißt – weil der eigentliche, bei genau dieser Barabmurkserei ums Eck gebrachte Gesetzeshüter in spe zuvor ganz einfach noch niemandem vorgestellt worden war. Was sich zunächst wie ein Witz ausnehmen mag, ist in Wahrheit vielmehr der Startschuss für gehobenen Aberwitz. Denn dieser fortan als Lucas Hood auftretende Ex-Einbruchskünstler (Antony Starr) ist so ziemlich der letzte, der in offizieller Mission mit Knarre und Dienst- marke rumlaufen sollte: Statt mit der deeskalierenden Macht der Worte bekommen es die schlimmen Jungs der Nachbarschaft nunmehr ohne viel Federlesen gleich mit der durchschlagenden Macht der Waffe zu tun. Und an schlimmen Jungs hat dieses Banshee, in das es „Hood“ ja an sich nur verschlagen hat, weil es noch Unfinished Business mit seiner einstigen Partnerin in crime (Ivana Milicevic) gab, wahrlich einiges aufzubieten: zornige Native Americans, Neonazi-Gangs, Amish-Extremisten, korrupte Militärs und der ukrainische Mob treiben dort, mitunter auch direkt angespornt von des Neo- Sheriffs Taten, ihr Unwesen – und sind dabei in diesem Brennpunkt der Brutalität noch nicht mal das größte Übel: Das ist der ruchlose Crime-Baron Proctor (Ulrich Thomsen), der sich noch aus jeder Bredouille mit persönlichem Vorteil herausgezogen hat.

Was der HBO-Schwestersender Cinemax da seit 2013 über die Bildschirme der Nationen flimmern lässt, klingt nicht nur sehr irrsinnig, es ist es auch. „Banshee“ ist im gegenwärtigen Serienalltag gewissermaßen das laute, aufgekratzte, ungebremste Yang zum sonst vorherr­schenden Yin des sogenannten Prestige-TVs mit seinem perfekt auskalibrierten Zusammenspiel aus Dialogfeinschliff, Figuren­entwicklung und Plot-­Finesse: ein hyperbrutales, angemessen schmuddeliges, gnadenlos alles auf die Spitze treibendes Stück purer Pulp Fiction, das einem pro Folge mehr WTF­-Aufschreie rausreißt als alle sechs Spielzeiten von „Downton Abbey“ zusammen. Und nicht nur das: Das vom Fernseh­-Superzampano Alan Ball („Six Feet Under“) maßgeblich mitgeschnürte Paket aus Sex, Gewalt und ungefiltertem Chaos lässt mit seinem nonstop unter Strom stehenden Kampf ­und­ Stunt­-Ballett in puncto Hochenergie­ Unterhaltung nicht nur das Gros der Serienkonkurrenz hinter sich, sondern auch sehr vieles von dem, was einem im Kino sonst so als „Action“ verkauft wird. Durchaus nachvollziehbar also, dass sich ein solcher Affenzahn nicht immerfort aufrechterhalten lässt – und so wird die anstehende vierte Staffel leider die letzte des heftigen Hinterland-­Höllenritts sein. Man darf sich dabei jedoch versichert wissen: Dieser Abgang wird kein leiser sein.

Fotos: 2016 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc