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Wiener Polizei – Der Ton wird rauer

Franz J. Sauer

Es gab schon immer freundliche, unfreundliche und ungute Polizisten. Speziell die dritte Sorte entwickelt in letzter Zeit eine bedrohliche Art von Selbstvertrauen. Sollte man sich Sorgen machen?

Kommentar: Franz J. Sauer

Idiotitäridenti-dingsbums-Demo in Wien. Gegen – was auch immer. Natürlich auch: die Gegendemo. Inklusive gewaltbereiter Ultra-Links-Hirseln, die es lustig finden, Steine von Dächern auf Menschen zu schmeißen. Riesen-Polizei-Aufgebot. Und (leider ziemlich gut) videodokumentierter Pfefferspray-Einsatz gegen – hm, Fotografen.

Abends dann: ein unangemeldeter Idio-eh schon wissen-Aufmarsch mit polizeilichem Geleitschutz. Der auch so aussieht und sich selbst von der Weiten so anfühlt. Und keiner der Uniformierten macht irgendwelche Anstalten, dieser unrechtmäßigen Ruhestörung mindestens Einhalt zu gebieten.

Großer Shitstorm seitens der Linken, Polizeistaat, Staats-Gewalt, schrecklich, alles geht dem Ende zu. Übertreibung? Schlagseite? Sturm im Wasserglas? Propaganda gegen die Polizei, die auch nur ihren Job macht?

All das fühlt sich ziemlich weit weg an, wenn man selbst nur insofern von dem Remmidemmi betroffen war, weil man ein paar Ecken weiter in einem Stau stand, den es sonst da nicht gibt. Prügelpolizei? Ach wo. Das gibts nur im Kino. Und dem Film aus dem Internet mit den Pfefferspray-Helmen? Naja, auch da weiß keiner, wie das wirklich dazu kam, was dort vorher geschehen war, warum genau jetzt losgestürmt wurde. Wir befinden uns in einem beidseitig aufgeheizten Politklima, da ist keinem mehr Glauben zu schenken, wenn man nicht dabei war, weder rechts noch links. Unsere Polizei ist ganz in Ordnung, macht einen guten Job, lässt Wien sicher sein. Und dass man heutzutage fast durchgehend Polizeisirenen in den Straßen Wiens hört, so wie immer schon in New York, Bogota oder sonstigen High-Crime-Areas? Das nennt man dann wohl Präsenz zeigen. Oder so.

Freunde berichten, in letzter Zeit werden die Verkehrs- und Personal-Kontrollen entschieden mehr. Die Beamten launisch und unfreundlich. Pitzelig und beschuldigend. Ich kann das aber nie bestätigen. Ich wurde das letzte Mal vor Jahren verkehrskontrolliert und das immer sehr nett. Gelegentliche seltsame Begegnungen mit Parksherriffs? Nun ja, die gibts. Aber das ist ja auch was anderes …

Und überhaupt: ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu Wiener Polizisten. Hatte viel zu tun mit ihnen, früher, im Veranstaltungsgeschäft. War durchaus versucht, einige von ihnen selbst als Kollegen zu betiteln. Und nahm es als Kompliment, wenn sie derlei erwiderten (schöne Grüße an dieser Stelle ans Komissariat Wien 3). Man muss Verständnis haben für die Mühsal, mit der diese Menschen im Alltag konfrontiert sind. Zwar ist es bei uns nicht so wie in den USA, wo täglich ein Beamter erschossen wird. Aber blöde Anreden gibt es zuhauf. Und auch Beschuldigungen im nachhinein, die so nicht zutreffen, einseitige Betrachtungen, wo am Ende immer der Polizist der böse ist. Ich bin zumeist auch jener, der gegen tumbe „abara kadabara, Kiebara is ka Hawara“-Generalverunglimpfungen antritt. Und ja, ich hab auch schon selbst bei Verkehrskontrollen oder unnützen Planquadraten einen genervten Ton angeschlagen – stand gleichzeitig aber nicht umhin, mich nach der meist ausnehmend sachlichen bis freundlich abgehandelten Amtshandlungen für meinen schroffen Ton zunächst zu entschuldigen. Unsere Polizei ist schon in Ordnung. Machen auch ihren Job. Und führen bisweilen Anordnungen aus, die sie selbst hinterfragen würden, stünde es ihnen zu.

Und dann holst Du Deine Tochter am letzten Schultag von der Schule ab.

Der Herr Beamte springt aus dem Gebüsch, hält Dich an, bellt ein „Fahrzeugkontrolle“ ins Auto. Er ist der jüngere von zweien, der andere, noch etwas abseits, hält die Laserkanone im Anschlag wie sonst nur die Dienstwaffe im Schießkeller. Mein „Opponieren“: Ich frage, warum man sich an völlig ungefährlichen, breiten, auto- wie menschenleeren Straßen mit Laserpistolen hinter Bäumen versteckt, um am letzten Schultag Kohle zu machen, wenn das Verkehrsaufkommen ob des letzten Schultages erhöht ist, also mit mehr Umsatz zu rechnen ist.

Mehr hat der ältere, der django-mäßige, nicht gebraucht. Er droht, mir den Führerschein abzunehmen, weil er mein Aussteigen aus dem Fahrzeug als aggressiven Akt wertet. Demonstrativ legt er dabei die eine Hand an den Pistolengurt. Er blickt mir provokant ins Gesicht, so wie der juvenile Klassenkollege am Schulhof dereinst, der gleich beginnen wird, Dich zu schubsen. „Ja, wir können auch ein anderes Programm fahren, da werdet Ihr Euch noch wundern.“ tönt er. Und ich solle ja nicht weiter aggressiv sein, sonst kann ich was erleben.

Hm. Wir uns noch wundern. Wen meint er?

Die Amtshandlung geht in diesem Ton weiter. Der Grund meiner Anhaltung: ich sei zu schnell gefahren. 52 statt 30. Ob ich das Ergebnis der Lasermessung sehen kann? „Sicher nicht. Ist schon gelöscht. Wollen Sie hier was anzweifeln? Gilt mein Wort nicht?“ Letzteres wieder mit diesem unguten, demonstrativen auf-mich-zu-kommen. Ob ich die Geschwindigkeitsmessung anzweifle oder nicht, muss ich nicht hier entscheiden, stelle ich klar, ich meine, nicht zu schnell gefahren zu sein. Oder zumindest nicht so viel. Als Antwort konstatiert er, dann sei ich halt ausserdem nicht angeschnallt gewesen, was zweifellos nicht stimmt und ich daher dementiere.

„Ha, jetz hamma eam. Sie waren also angeschnallt, aber dass Sie zu schnell waren, geben Sie zu? Na? Ha!“

Ich erörtere, hier nicht vor Gericht zu sein und ersuche ihn, sich zu mäßigen. Erneut der Hinweis, dass „er auch anders kann“ und ich mich „nicht spielen soll“. Dann, zwar rechtmäßig, aber provokant schikanös, die Frage nach Pannendreieck und Apotheke. Als ich das Safety-Package wunschgemäß zur Kontrolle aushändige, würdigt er es keines Blickes.

Auf das Entgegenkommen, mir ein Organmandat zu schreiben, verzichtet er ungefragt wie wortreich und mit großer Freude. Ich werde eine Anzeige bekommen, haha, das wird teuer, hehe. Als ich nach der Dienstnummer frage, wird schnell eine fünfstellige Zahl heruntergenuschelt, mit dem hämischen Vermerk, ich kann mich gerne über ihn beschweren. Ich ersuche, das zu wiederholen (was er dann später auch tat), verlange eine Visitenkarte, die jeder Polizist mit sich zu führen hat.

Antwort: „Die sind mir leider ausgegangen. Sie sind nicht der erste, der sich heute über mich beschwert …“. Wieder mit Stolz und Freude und das um 8h45 in der Früh …

Wir fassen zusammen: Ein Verkehrspolizist, der sich als Rabauke geriert. In Auftritt und Gehabe provoziert, frech und unfreundlich ist, mehrfach Drohungen ausstößt, dass er auch anders kann, wenn er will und man wird sich noch wundern (haben wir das nicht schon mal wo gehört?). Und offenbar auch noch stolz darauf ist, ein Rabauke zu sein, weil er ja gern und oft Visitenkarten verteilt.

Was bleibt ist ein seltsames Gefühl von Ohnmacht. Weil: Was tun, wenn er Ernst macht? Beginnt, Unwahrheiten zu behaupten? Mir Dinge anzudichten, wie den „Erregungszustand“ oder ähnliches? Wo ist meine Handhabe? Sie sind zwei, ich bin einer, noch dazu sind die Organe, vor Gericht also ex lege glaubwürdig. Natürlich klingt das jetzt nach Mimimi und freilich hat der Beamte – mit Ausnahme der seltsamten „Gurtanschuldigung“ nichts dergleichen getan. Aber in der Situation wird einem leicht mulmig. Vor allem dann, wenn man grundsätzlich der Polizei vertraut, stets darauf baut, in einem Rechtsstaat zu leben und dessen Annehmlichkeiten jederzeit von eben jener Polizei bedingungslos verteidigt sieht.

Ist das ganze also eine Lappalie? Zweifellos. Ein Einzelfall? Sicherlich. Wenn auch einer von mehreren, in letzter Zeit, scheinbar. Und hoffentlich auch weiterhin …