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Stermann: Tinder

In Australien muss man sich mit den angenehmen Dingen des Lebens sputen, weil man schon beim nächsten Strandbesuch entweder von einem Rudel hungriger Haie zerissen werden oder an einem Spontanhautkrebs verenden könnte. Oder man auf dem Nachhauseweg von einem tollwütigen Känguru mit den Fäusten attackiert wird. So stell ich mir Australien vor, ohne jemals dort gewesen zu sein. Vielleicht iegt es aber auch an dem Anblick der unzähligen rudelbumsenden Karnickel, dass der Australier als solcher möglichst schnell möglichst viele Sexkonstakte haben will. Was wir in Europa unter „Tinder“ vsetehen, gilt in Australien als eine andere Form von Zölibat. Zwischen Melborne und Sydney sucht man nicht nach einem schnellen Sexkontakt, sondern zwischen sechs und acht. Dort ist Tinder eine Gangbang-App. Der neue heiße Scheiß heist „Tinder Social“ und ist nicht explizit für Orgien gedacht, aber sehr nützlich, wenn man seine primären und sekundären Geschlechtsteile in möglichst große Fleischberge stecken will.

Ich frage mich, ob mein Interesse an einem Achter groß genug wäre, um in der U6 mein Smartphone zu ziehen und Ficksignale auszusenden. Oder in der Lugner City. Wie hoch wäre der Prozentsatz derer, mit denen man gerne körperlich würde? Gut, ich lag einmal in Tel Aviv am Strand und musste meinen Kopf im Sand vergraben, weil es kaum erträglich war, all die vielen unglaublich schönen Menschen zu sehen. Damals gab es Tinder noch nicht, aber da hätte man sich nicht nur einen Achter, sondern einen Achthunderter ausmalen können. Allein, auf meine flehentlichen Tinder-Rufe hätte damals am israelischen Strand wohl kaum jemand reagiert. Vieleicht nur Norbert Hofer, der auf dem Badehandtuch liegend, zehn Meter neben sich eine Terroristin in die Luft fliegen sehend, auf sein Ö-Tinder blickend, Heimatgefühle bekommen hätte, weil da eine 0043-Anfrage gesendet wurde.

Allerdings glaube ich nicht, dass Norbert Hofer auf Tinder ist. Seine Mutter und seine Großmutter waren es schließlich auch nicht, und er singt keine Lieder, die nicht schon seine beiden Vorfahrinnen gesungen haben. Zudem ist Tinder englisch. Hieße die App „Zunder“ ließe sich vielleicht darüber nachdenken. Ob Strache auf Tinder ist? Oder Kickl? Und wäre Kickl dort mit seinem Originalbild? Auch auf die Gefahr hin, dass er nach links gewischt wird? Das könnte ihm nicht gefallen. Und dass er nach rechts gewischt wird mit dem G’schau? Na, wünschen wir es ihm.

Ich war in den 70er-Jahren auf Kinder-Tinder. Das machte man noch übers Festnetz. Das ging damals so: Ich lernte jemanden kennen, wenn sie mir gefiel, bat ich um ihre Telefonnummer. Wenn sie mir ihre Nummer gab, rief ich sie an und traf mich mit ihr. So machte ich vor der Pubertät schon wichtige Erfahrungen und konnte mich gemütlich zurücklehnen in der Zeit, als andere zwischen Erektion und Akne verschwitzt mit ihren Hormonen rangen. Es ist kein Wunder, dass Tinder Australien für seine Achter-App gewählt hat. Australien war ja ursprünglich eine britische Strafkolonie, und wie der Sex im Gefängnis ist, kennen wir alle aus unzähligen Knastfilmen. Dusche und Seife, wir kennen das. Mit dem Unterschied, dass es anfangs in Australien keine Duschen gab. Von Seife ganz zu schweigen. Es kam auch vor, dass die ersten Männer, die aus England kamen, Sex hatten mit Tieren, deren Namen sie nicht kannten. Manchmal selbst gewählten, manchmal, weil das Tier es wollte. Der Sträfling musste dann in Duldungsstarre alles über sich ergehen lassen.

Erst später kamen die ersten Frauen auf den fünften Kontinent. Sie fanden mögliche Sexualpartner vor, die auf dem erotischen Stand von Wombats und Beuteteufeln waren. Schlammverkrustet und von der glühenden Sonne weich gebrannt. Wollten sie sich mit diesen Typen begatten, mussten sie die Sträflinge erst einmal ins Meer ziehen, um ihnen den Gatsch von Jahren vom Gemächt zu schrubben. Dauerte diese Prozedur zu lange, kamen schon die Haie und aßen Menschenmännchen und Menschenweib- chen auf, schließlich sind Haie auch keine klassischen Kostverächter. Bis zu acht Menschen können Haie übrigens auf einmal essen. Ganz ohne App.

Kolumniert seit Jahren im WIENER, heißt wöchentlich Österreich willkommen und ist erfolgreicher Autor.