Interview

Wallis Bird

Hannes Kropik

Ende September veröffentlicht die irische Sängerin Wallis Bird ihre fünfte CD „Home“, am Samstag gastiert sie in Wien. WIENER Online hat die Wahl-Berlinerin vorab zum Talk über intimste Momente vor und hinter dem Mikro getroffen. 

Text: Hannes Kropik

Wallis, der Titelsong deiner neuen CD „Home“ ist eine Accapella-Nummer, wie man sie in traditionellen Pubs hören kann: Ein Mensch erzählt eine intime Geschichte und nach wenigen Sekunden verstummt der Lärm, das Gläserklirren, alles fokussiert sich nur auf diese Stimme …
Ja, das ist die ursprünglichste Form von Musik. Manche dieser Lieder sind so traurig, dass sie dir das Herz brechen!

Muss man nicht unendlich tapfer sein, wenn man vor Publikum so viel von sich preisgibt und sich dabei nicht hinter irgendwelchen Sounds verstecken kann?
Ja, aber genau in solchen Momenten fühle ich mich so richtig lebendig. Ob bewusst oder unbewusst, aber deine Zuhörer beurteilen dich auf so vielen unterschiedlichen Ebenen: Wie frei du atmest, wie tief du atmest, ja, sie erkennen sogar, ob du dich wohl fühlst und gesund bist. Man kann so viel aus der Stimme heraushören.

Im Video zu „Home“ sieht man dich aus kürzester Distanz, aber diese unglaubliche Nähe der Kamera scheint dich nicht gestört zu haben.
Während des Drehs nicht. Als ich die Aufnahmen zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich mir aber: Scheiße, man kann ja all diese Hautunreinheiten sehen. Aber der zweite Gedanke war schon: Na und? Fuck it, so sehe ich aus. So bin ich eben! Und genau darum geht es doch in diesem Song.

Alle Lieder deines neuen Albums erzählen sehr intime Geschichten. „Odom“ zum Beispiel beschreibt den Kampf um deine große Liebe – aber wie geht die besungene Tracey damit um, dass jetzt die ganze Welt wissen kann, wie bei euch alles begonnen hat?
Zum Glück freut es sie vor allem, dass ich unsere Beziehung so ernst nehme. Aber natürlich muss ich vorsichtig sein, damit ich nicht mehr verrate als ihr lieb ist. Wir sprechen viel miteinander. Ich frage sie: Ist es dir recht, wenn ich diese Geschichte, dieses Gefühl besinge? Sie sagt ohnehin meistens ja, vor allem, weil klar ist, dass ich nichts über unser Sex-Leben erzählen werde.

Bist du wegen Tracey nach Berlin gezogen?
Mehr oder weniger. Ich wollte herausfinden, ob Berlin und ich zusammenpassen. Dann habe ich Tracey getroffen und beschlossen: Ich bleibe. Berlin ist ein wirklich guter Ort zum Leben.

Was ist so gut an Berlin?
Den Leuten ist einfach alles scheißegal. Es ist ihnen egal, mit wem du liiert bist, zu welcher Musik zu tanzt oder ob du dich um 9 Uhr früh betrinken möchtest. Ich bin in Irland aufgewachsen und dort heißt es immer nur: Du kannst das nicht und darfst jenes nicht. Diese ewigen Gebote haben mich so eingeengt, ich konnte nicht atmen.

Hat die Stadt einen Einfluss auf deine Musik, auf deinen Sound?
Ja, denn ich fühle mich in Berlin wirklich frei. Ich kann einfach tun und lassen, was mir gefällt. Ich liebe es zum Beispiel, einfach zu Hause zu sein. Mein Appartement, das Dachgeschoß eines Altbaus, hat sehr hohe Räume, das verschafft mir Platz zum Denken.

Musst du in einer besonderen Stimmung sein, um Songs zu schreiben?
Nein, die Songs können jeden Moment einfach so aufpoppen. Aber ich möchte bereit sein für diese speziellen Momente und deshalb verbringe ich sehr viel Zeit mit Tagträumen. Ich versuche, ein möglichst entspanntes Leben zu führen. Und gerade der Song „Home“ ist der Beginn, mein ganzes Leben zu vereinfachen. Ich habe zum Beispiel erkannt, dass ich ja nicht einmal eine Gitarre brauche. Ich brauche auch kein Mikrophon. Ich brauche nur die passende Stimmung, das ist alles.

Du singst einfach ganz alleine für dich in deinem Kopf und das war`s dann?
Ich habe während der Produktion dieser CD sehr viel Zeit im Bett verbracht …

Kein schlechter Job, den du da hast!
Das kannst du laut sagen! Ich habe das Bett manchmal tagelang nicht wirklich verlassen und habe nur einfach vor mich hingesummt. Dadadadadaaa. Ich stelle mir Akkordabfolgen vor und summe vor mich hin. Das Gehirn ist ja ein Muskel und Muskeln kannst du trainieren. Je öfter ich mir Musik einfach vorstelle, umso leichter fällt es mir.

Und wie geht es dann nach dem Dadadadadadaaaa weiter?
„Home“ war zum Beispiel plötzlich da. Ich bin einfach nur dagesessen und habe plötzlich zu singen begonnen: „All I ever wanted was to settle down and merry“. Und ich dachte mir: „Ach du Scheiße, wo kommt das denn plötzlich her? Egal, sing weiter!“. Und so habe ich weitergesungen. „Lough and love and hopefully have a Child“. Ich habe das ganze Lied in einem Zug durchgesungen, aber nicht aufgenommen. Erstaunlicherweise habe ich mir alles gemerkt! Vielleicht war es pures Glück, passiert ist mir so etwas vorher jedenfalls noch nie.

Haben dich die Worte überrascht? So ein Gedanke wie „Hopefully have a Child“ entspringt dem Unterbewusstsein ja wohl nicht ganz zufällig?
Tatsächlich habe ich früher nie so recht darüber nachgedacht. Aber erste vor kurzem hat mich meine Freundin gefragt: Und, Kinder? Ja? Nein? Was tun wir? Wir haben lange darüber gesprochen, denn wir sind beide verrückt nach Kindern. Aber ganz ehrlich, ich brauche kein eigenes Kind, um ein erfülltes Leben zu führen. Ich bin dauernd von Kindern umgeben, ich bin sehr oft als Babysitterin bei Freunden im Einsatz. Und ich bin ja auch erst 32. Und egal, was passiert, ich werde mich nicht weniger wie eine komplette Frau fühlen, auch wenn ich kein eigenes Kind bekomme.

Wie ist euer Gespräch dann ausgegangen?
Wir haben beschlossen, nein zu sagen. Aber ich sehe das nicht negativ, denn wir jetzt nein sagen, können wir später nur positiv überrascht werden.„Home“, die neue CD von Wallis Bird erscheint am 30. September.

Im kommenden Jahr geht die unendlich sympathische Irin auf große Österreich-Tour:

9.2.2017 Innsbruck, Weekender
10.2.2017 Linz, Posthof
11.2.2017 Salzburg, Rockhouse
13.2.2017 Wien, Flex
14.2.2017 Graz, PPC

Weitere Infos: www.wallisbird.comAm Samstag, dem 17. September, gastiert Wallis Bird im Rahmen der FM4 Radio Session im Radio KulturHaus Wien. Das Konzert wird am 28. September in der FM4 Homebase ab 21 Uhr ausgestrahlt, der Videostream wird zeitgleich für eine Woche auf fm4.ORF.at online zu sehen sein.