AKUT

Selbstportrait Dirk Stegmann

Stermann: Haarfett

Sarah Wetzlmayr

Soll man sehr betrunken zum Friseur gehen? Donald Trump vielleicht schon, weil er sich nüchtern ja immer ein Tier frisieren lässt. Hackedicht würde er dem Friseur maybe sagen, dass er auf dem Kopf gerne einmal aussehen möchte wie ein Mensch. Aber bei Trump ist die Frisur ja das kleinste Problem. Ich traf am Bauernmarkt in Klagenfurt zufällig eine Frau am Schnapsstand, die mich vor Jahren einmal in Graz frisiert hat. Ich hatte damals am Abend einen Auftritt und ging restfett vom vorabend­lichen Auftritt in ihren Salon am Hauptplatz. Ich selber konnte mich natürlich nicht mehr daran erinnern, aber am Klagenfurter Schnaps­stand bat sie mich noch einmal um Entschuldigung dafür, dass sie sich wirklich an meine Anweisungen gehalten hat. Ich betrat laut ihr den Frisiersalon und wünschte eine Tonsur. Ich wollte ein Mönchsloch auf meinem Kopf und die Seiten abrasiert haben. Sie erzählte mir nun, wie sie damals mehrmals darauf hingewiesen habe, dass ich ja kein Möch sei, das habe ich schon daran erkannt, dass ich keine Mönchskutte trug. ich bestand aber wohl darauf, und irgendwann resignierte sie und schnitt nach meinen Anweisungen eine Frisur, die man nicht einmal dem amerikanischen Scherzmilliardär wünscht.

Am Abend, leicht aus­ genüchtert, stand ich dann auf der Grazer Bühne und beklagte mich vor Publikum darüber, dass ich am Vor­mittag bei einem Friseur ge­wesen sei, der aus mir eine Mischung aus Hitlerjunge und Klosterbruder gemacht habe. Das Publikum lachte, weil ich wirklich komplett bescheuert aussah. Ein Fotograf der Kleinen Zeitung machte ein Bild und am nächsten Tag stand zu le­sen: „Grazer Friseur macht Stermann irre Nazifrisur.“ Nicht erwähnt wurde, dass ich der Befehlshaber meines eigenen Haar-Stalingrads gewesen war. Am Schnapsstand sagte die Friseurin, dass sie danch von ihren Kunden beim Schneiden sehr argwöhnisch  beobachtet wurde. Ihr war das alles sehr peinlich. Ich selbst ging damals sofort noch einmal nüchtern zu einem anderen Frisuer, ließ retten, was zu retten war, und verließ Graz. Aber sie musste noch lange mit der Negativwerbung leben.

In Klagenfurt am Schnapsstand lud ich sie deshalb auf ein paar Schnäpse ein, als eine verspätete Form der Wiedergutmachung. Irgendwann waren wie beide sehr betrunken. Sie hat inzwischen einen eigenen Salon in Klagenfurt, wir deckten uns mit einer weiteren Flasche Zirbenschnaps ein und sie zeigte mir ihren Laden. Wir setzten uns auf die Friseurstühle und hatten es immer lustiger. Irgendwann sagte ich, dass ich mich gar nicht mehr wirklich erinnern könne, wie ich damals in Graz ausgesehen habe. Total schiarch, sagte sie lachend. Als hätte Himmler bei „Im Namen der Rose“ mitgespielt. Wie ein rechts­ radikaler Kleriker. Ich füllte unsere Gläser, die Stimmung wurde immer bes­ser. Irgendwann, ich weiß gar nicht mehr, wie lange wir schon tranken, bat ich sie, die Scheren und Rasierer auszu­packen. Wir lachten beide, als sie damit begann, mich er­neut zu verunstalten. Als sie  fertig war, wusste ich nicht, ob ich „Amen“ sagen oder mir eine Kornblume ins Sakko stecken sollte. „Oh mein Gott“, sagten wir beide, als wir mich im Frisier­spiegel sahen. Jeder Identi­täre hätte Angst vor mir ge­habt. Ich erinnerte an Martin Luther oder Franz von Assisi, mit einem Touch Mussolini und Gottfried Küssel. Als wäre ich der Religionsbeauf­tragte von Norbert Hofer. Wir übergaben uns beide. Ich kann nicht mehr sagen, ob’s an meinem Anblick lag, oder dem vielen Schnaps. Die Stimmung im Salon war je­ denfalls am Nullpunkt ange­kommen. Ich verabschiedete mich und torkelte hinaus in die Klagenfurter Abenddämmerung.

Kinder weinten, als sie mich sahen, und ein Krumpendor­fer Altnazi schüttelte traurig den Kopf. Zurück in Wien schrieb ich einen Brief an die österreichische Friseur­innung mit der Forderung, in allen Salons des Landes ein Schild anzubringen: „Wir bedienen nur nüchterne Kundschaft!“

Kolumniert seit Jahren im WIENER, heißt wöchentlich Österreich willkommen und ist erfolgreicher Autor.