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Verarsche: Wiener Tischmanieren

Sarah Wetzlmayr

Auch in Wien soll man im Winter schon bald bei einem Schanigarten-Bier auf die Klimaerwärmung anstoßen können. Doch bevor die Tische draußen stehen dürfen, müssen sich die Gastronomen erst mit Maßbändern auf die Gehsteige begeben.

TEXT: SARAH WETZLMAYR

Wer sich im wunderschönen Wiener Spätherbst schon mal samt Beisl-Bier in einen Gastgarten gewünscht hat, könnte dieses Jahr erstmals Glück haben. Ab Dezember soll nämlich – so das Gesetz auch tatsächlich noch in diesem Jahr beschlossen wird – ein (Überraschung!) Kompromissvorschlag für die schon lange diskutierte Winteröffnung der Schanigärten in Kraft treten: die sogenannte „Kleine Winteröffnung“. Während man in Städten wie Berlin das ganze Jahr über die Klimaerwärmung an Gastgarten-Tischen abfeiert, brauchte es in Wien für diese kleine Lösung freilich eine Bearbeitung im großen Stil: Begutachtung, Befragung und runder Tisch. Nach dieser Kombination aus Langstrecken- und Hürdenlauf hat man sich im aktuellen Gesetzestext schließlich zu drei Varianten durchgerungen, die von der Größe der Aufstellungsflächen, also jener Bereiche, in denen die Tische stehen, abhängig sind. Bei Variante A sind nur zwei Stehtische vorgesehen, Variante B legitimiert einen Gastgarten entlang der Hausmauer von exakt 12 m2 und Variante C betrifft sowieso nur die Gastronomie in Fußgänger- und Begegnungszonen. Weiters ist die sogenannte Restgehsteigbreite von zwei Metern unbedingt einzuhalten und der Parkraum in keinem Fall zu verstellen.

Kleinlich scheint der Gesetzgeber bei diesem Entwurf überall zu sein, außer bei der Neugestaltung der Tarife. Diese sollen in touristischen Hotspots um teilweise mehr als 100 Prozent steigen. Entscheidend dafür, wo man sich künftig bei einem Kaffee oder Bier den immer laueren Wiener Wintertagen gastronomisch hingeben kann, ist also eine möglichst ge nkelte Anordnung der Sitzgelegenheiten – die zuvor wohl erst mal in ein Koordinatensystem eingegeben und beim Bezirksamt eingereicht werden muss. Wenn überhaupt. Denn eigentlich hätte die „Kleine Winteröffnung“ bereits am 30.9. beschlossen werden müssen, um Anfang Dezember in Kraft treten zu können. Laut einer Juristin des Wiener Bezirksamts ist das aber noch nicht passiert …

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