KULTUR

Rinderwahnsinn

Sarah Wetzlmayr

Mindestens 10 Gründe doch zu weinen: The Cure in der Wiener Marx Halle.

von Sarah Wetzlmayr

Nach den neuesten Bestimmungen für Rinderhaltung in Österreich braucht ein durchschnittlich gebautes Fleckvieh mindestens 175 cm x 120 cm Platz. Eh klar ist, dass der durchschnittliche Konzertbesucher bei einem Konzert der Größenordnung „The Cure“ diesen Platz zur persönlichen Entfaltung nicht erwarten kann. Einigermaßen erstaunt durfte man beim gestrigen Auftritt der gealterten Band rund um Sänger Robert Smith (mit typischem roten Lippenstift ausgestattet – sagen‘s, gesehen haben wir es nicht – mehr dazu später) in der ehemaligen Rinderhalle St. Marx, dennoch darüber sein, dass man im tierlieben Österreich für einen kurzen Moment wieder zur Massentierhaltung zurückgekehrt ist. So füllte (Achtung, Wortspiel!) man sich nämlich gestern in der Marx Halle – wie kurz vor der Schlachtung, in einem bis aufs allerletzte ausgeschlachteten Platzangebot.

Zuvor, in der Warteschlange, die sich nach typisch österreichischer Manier formierte (von der Seite und selbstverständlich nicht von hinten) verbrachten so manche schon wertvolle 45 Minuten ihres Lebens um vielleicht sogar, bei einem vor der Marx Halle wohlfeil gebotenen Dosenbier, Freunde fürs Leben zu finden. Erstmal drinnen galt es die eigene Vermeidungstaktik zu perfektionieren: Jacke abgeben? Muss eigentlich nicht sein, der Daunenmantel könnte sowieso ziemlich gut als Puffer zwischen einem selbst und der Menschheit funktionieren. Klo? Zammzwicken. Bier? Kann man machen, muss man aber nicht. Hätte man nämlich all diese Dinge erledigt, die man normalerweise bei einem Konzert so tut, wäre man die Hälfte des etwas lauwarmen Sets in gepflegten 3er oder 4er-Reihen gestanden. Doch als sehr viel mehr als das präsentierte sich die Marx Halle selbst auch nicht – als Schlauch oder auch irgendwie als riesengroße Extrawurst, in die verdammt viele Menschen als Wurstfüllung hineingepresst wurden um dann zu schauen wie sie sich mit dem ganzen Mist am besten selbst arrangierte.

Als durchschnittlich spät ankommender Mensch (also weder besonders früh noch speziell spät) hatte man zwei Möglichkeiten: Entweder man traute sich in geschickter Seitwärtsbewegung die Menge zu durchqueren und für ein Pullover-Auszieh-Manöver fast verprügelt zu werden um dann, als wiederum durchschnittlich großer Mensch, eh nicht mehr zu sehen als ein paar zuckende Lichtblitze in der oberen Bühnenhälfte. Oder man blieb außerhalb des irgendwie willkürlich platzierten Zaunes – dort wo die scheinbaren Fans der Band ihr 66 Euro teures Konzertticket nutzten um sich ein 5 Euro teures Sandwich zu holen. Und dann noch vielleicht ein Soda für 4 Euro. Um dann noch aufs Klo zu gehen. Was man halt so tut, während irgendeine Band irgendwo im Hintergrund spielt. Ansonsten waren das 66 Euro, die in ein sehr effizientes Training der Zehenspitzenmuskulatur investiert wurden – zu soundmäßig einigermaßen passablem Gewummer der The Cure-Single-Hitparade. Aber es hätte selbstverständlich alles auch noch viel viel schlimmer ausgehen können: Von einem wütenden Konzertbesucher mit dem gerade auf kleinstem Raum ausgezogenen Pulli stranguliert, kurz nachdem man sich, wegen Klomangels, angepisst hatte. Vielleicht ist das aber auch wirklich jemandem passiert, man weiß es nicht – nur die stärksten Rinder kommen durch …