AKUT

Baba, oh du schöner Papierlappen

Sarah Wetzlmayr

Ungeschriebene Regel des dahinscheidenden orangenen Studentenausweises der Uni Wien: Reißt er altersschwach in der Mitte durch, ist es wirklich Zeit das Studium zu beenden. 

Das Sinnbild des österreichischen Bummelstudententums verschwindet: Der orangefarbige Papierlappen, auch Studentenausweis der Uni Wien genannt. Nichts anderes vermochte das innerste Wesen des Uni Wien-Studenten so gut nach außen zu tragen, wie dieses bakterienübersähte Stück Papier: Drinnen stapelten sich die typisch quadratischen Pickerl zu einem unheimlichen Pickerlturm, genauso wie die Bücher der Hauptbibliothek (nach der 5. Mahnung und dem angedrohten Gerichtsvollzug) und die Skripten von Vorlesungen, deren Prüfungen man nie abgeschlossen hat (weil, warum auch schon), am eigenen Schreibtisch. Oft verloren geglaubt, tauchte er immer wieder irgendwo auf. Einmal zwischen zwei rotweinbefleckten Seiten von Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Die Autorin dieser Zeilen verstand natürlich sofort die Bedeutungsschwangerschaft dieses Moments und inspizierte den orangefarbenen Lappen etwas genauer – auf der Suche nach der verlorenen Zeit eben. In diesem Moment erinnerte sie sich an drei spezielle Momente, die sie mit diesem Hepatitis A-Z-Überträger verbrachte:

  1. Versuch in einen Berliner Club zu gelangen. Scheiterte. O-Ton des Türstehers: „Was willst denn mit dem, hast das selber ausgefüllt“. Und nein, es war nicht das Berghain.
  2. Versuch, das eigene Leben etwas aufzuräumen. Start des Doktoratstudiums, Start in eine neue bessere und selbstverständlich erwachsenere Zeit. So dachte sie jedenfalls und klaubte irgendwo Zeit und Nerven zusammen, um bei der Inskriptionsstelle um einen neuen, schönen, frischen Ausweis anzusuchen. Scheiterte. O-Ton der Person am Inskriptionsschalter: „Da brauchen wir schon eine Verlustanzeige“. Verloren war jedoch noch nix. Oder etwa doch? Die vorher mühsam zusammengeklaubte Zeit und auch die Nerven. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit – schon wieder.
  3. Gespräch mit einer Freundin aus einem südamerikanischen Entwicklungsland. „Echt jetzt, so schaut das bei euch aus? Wir haben da solche Plastikkarten“.

Und es wird deutlich: Den heutigen Studenten wird ziemlich was entgehen. Aber keine Sorge, Hepatitis A-Z holt ihr euch dann vermutlich irgendwo anders.