AKUT

Löcher, die man lieben muss …

Sarah Wetzlmayr

…eine Hommage an das Narrenkastl.

Bei meiner Recherche nach einem der wichtigsten Orte meiner Fortgeh-Sozialisierung(erste Gehversuche sozusagen, die zu nächtlichen und meist sehr wackligen, gar unkontrollierten Gehversuchen wurden) stieß ich auf folgenden wissenschaftlichen Artikel: „Warum ins Narrenkastl schauen wichtig ist“. Ich möchte diese Frage nun von einem gänzlich unwissenschaftlichen, doch sehr persönlichen Standpunkt aus beantworten.

Wer Narrenkastl sagt muss auch Brauchbar sagen muss auch Gürtel sagen

Ich bin am Rande des Siebten aufgewachsen. Dort wo der Hipster-Bezirk schon etwas schäbig wird, gefühlt mehr Hunde an die Häuser pinkeln als ein wenig weiter Richtung Volkstheater und man das Verkehrsrauschen des Gürtels ganz gut wahrnehmen kann. Das war aus zwei Gründen eine gute Sache: Erstens, wusste ich im Gegensatz zu vielen Volkstheater-Kids immer, dass es da irgendwo ein Draußen gibt und zweitens konnte ich mit irrsinniger Sicherheit wie auch Stilsicherheit auf dieser Grenze zwischen Boboville und der Welt außerhalb des Gürtels balancieren. Und das war gut so, denn es gab da diese Zeit da spielte sich jedes Wochenende an dieser Grenze ab – die Gürtellokale waren eine Welt, die das Beste aus diesen beiden Welten verschluckten. So verschluckten sie auch mich. Und schlussendlich, muss man auch sagen, damit das überhaupt möglich wurde, schluckte ich auch ziemlich viel runter. Das taten wir, bevor uns unsere Wege ins B72 (kurz „B“) und ins Chelsea führten, meistens im Narrenkastl oder in der beinahe benachbarten Brauchbar.

Second Hand Räusche

Im Narrenkastl lernte ich zum ersten Mal, was es bedeutete Teil eines Dunstkreises zu sein. Nicht etwa, weil ich mich auf Anhieb, mit meiner roten Adidas Second Hand-Trainingsjacke, dieser Gruppe an Adidas-Trainingsjacken-tragenden Menschen so unglaublich zugehörig fühlte, sondern weil ich verstand was es bedeutet in einem Nebel aus Zigarettenrauch zu sitzen. Und mich schlussendlich deshalb auch wieder irgendwie verdammt zugehörig zu fühlen. Damit schließt sich also auch dieser (Dunst-)kreis wieder. Das Narrenkastl bereitete einen optimal auf jene Ausflüge ins Wiener Nachtleben rund um den Gürtel vor, die dann noch folgen sollten. Es bot Platz für ein Vortrinken. Und ohne sich dafür tatsächlich in einem elterlichen Wohnzimmer aufhalten zu müssen, wurde es  unser gemeinsames Wohnzimmer. Das Bier war beinahe unvergleichlich günstig und man konnte die Flaschen heimlich mit rausnehmen, um noch was für den Weg ins Gürtellokal der Wahl dabeizuhaben. Vorausgesetzt die Flaschen ließen sich auch wieder von der stets klebrigen Tischplatte lösen. Hatte man lang genug ins Narrenkastl geschaut und war man währenddessen vielleicht auch etwas geistesabwesend gewesen, geisterte man dafür danach aber deutlich lebendiger durch das Wiener Nachtleben – innerhalb wie auch außerhalb der Grenzen Bobovilles. 2015 eröffnete, in den Räumlichkeiten des Narrenkastl, das Polkadot – wo man auch einen wirklich guten Abend haben kann. Aber wie für so viele Dinge gilt: Es ist einfach nicht dasselbe.

Fotos © Alexander P. / Yelp