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Café Industrie: Das Ende einer Charakter-Schmiede

Sarah Wetzlmayr

Ein echtes Wiener Beisl geht nicht unter? Leider doch. Und diesmal trifft es das Café Industrie. 

Das Café Industrie hat es nie ganz in jene bedeutungsvollen Ränge des Hipster-Ranzes geschafft, wie es beispielsweise das Weidinger in den vergangenen Jahren so vorzüglich vorzeigte. Dabei wäre die Positionierung mehr als perfekt gewesen – an der Grenze des Bobo-Bezirks Margareten gelegen, wäre es für den Gumpendorfer Hipster nur ein moderat langer Anreiseweg gewesen und doch hätte er sich, hinter einem dicken Zizek versteckt in aller Ruhe seinen Sozialstudien des Dranglerwesens hingeben können (bevor er sich dann an einer Hauswand total hin übergibt). Dabei hatte man es mit Karaoke und einem allgemein gut verträglichen Kulturprogramm inklusive Lesungen und Konzerte versucht – und ist schlussendlich leider genau daran gescheitert. Schallschutzauflagen und Co hatten dem Café Industrie eine aufgelegt. Auch Anrainer-Beschwerden wegen Lärmbelästigung hätten dieser kleinen industriellen Revolution ein Schnippchen geschlagen. So abgekapselt vom Rest der Welt war man in dem überwiegend in Brauntönen gehaltenen Café wohl doch nicht – auch wenn es sich so anfühlte. Der Verwunderung über Beschwerden dieser Art in Gürtelnähe wollen wir an dieser Stelle mal keinen Raum geben, sondern uns lieber dem widmen, was sich in diesen verrauchten Räumlichkeiten so angespielt hat. Hier wurde, durch die regelmäßigen Besuche Ernst Hinterbergers nämlich nicht nur Fernsehgeschichte geschrieben, sondern auch tatsächlich viele Geschichten geschrieben. Dass hier Vorbilder für den „Kaisermühlen Blues“ und den „Echten Wiener“ geschaffen wurden, sagt schon viel über die Gäste und die Bedeutung des Industrie aus. Vor allem liefert es ordentlich Beweismaterial dafür, dass nun – nach 103 Jahren – eine echte Wiener Institution ihre Pforten für immer schließen muss. Denn obwohl die Bier- und Spritzer-Industrie weiterhin eine Indurstrie bleibt, die nicht trockenzulegen ist, muss der Margaretener Bobo seinen Zizek nun leider woanders auf- und der Drangler von der anderen Seite des Gürtels sich seine Nächte woanders um die Ohren schlagen. Baba, Café Industrie, du warst, nach Beendigung meiner Käfig-Ballspiel-Zeit, der einzige Grund bei der U4-Station Margaretengürtel auszusteigen.

Foto © Café Industrie cafe-industrie.at