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Hohes Schildungsniveau: Schilder gegen Manspreading

Bildungsbürgertum, Schildungsbürgertum, Schildbürgertum: Warum Madrid Schilder gegen Manspreading in Bussen anbringen möchte. 

In Madrider Bussen sollen künftig Schilder gegen Manspreading hängen. Das stachelt nicht nur die Manspreading-Diskussion weiter an und befeuert die Verwendung des dazugehörigen Hashtags, sondern wirft zusätzlich noch eine ganz andere Frage auf: Braucht man wirklich für jeden noch so kleinen Schmarrn, der einem normalerweise der Hausverstand frei Haus zustellt, ein Schild, das einem sagt, wie man sich konkret zu verhalten hat? Während in Österreich dieser Schildbürgertum noch in eingegrenzter Form stattfindet, sieht man drüben – über dem großen Teich –  ein Naturspektakel der etwas anderen Art – einen Schilderwald. Und auch in Madrid scheint man, mit dieser neuen Errungenschaft, auf einem gut ausgeschilderten Weg genau dorthin zu sein. Wenn es aber, ganz schildgemäß zweidimensional, mit dieser Maßnahme nur darum geht, klarzumachen, dass pro Person nur ein Sitz zulässig ist (wie auf dem Zeichen recht eindeutig suggeriert), was ist dann mit all den auf den Sitzen abgestellten Schultaschen, Einkaufssackerl und den zerflederten Heute-„Zeitungen“? Werden dafür dann extra Schilder notwendig sein? Und werden bei all den Schildern, die dann notwendig geworden sein werden, überhaupt noch Sitzplätze übrig sein oder wird es, ganz hinten im Bus, ein kleines Schild geben, das einem sagt, dass man nur noch auf einem Bein stehend mitfahren darf?

Natürlich eröffnet dieses, häufig als lächerliches Hirngespinst abgetane Phänomen aber einen viel größeren Bedeutungsradius. In all den, zu diesem Thema abgehaltenen Diskussionen, geht es natürlich immer um sehr viel mehr: Um die Darstellung von Machtverhältnissen, um festgefahrene Geschlechterrollen und geschlechtliche Erwartungen, die schon Kinder ziemlich früh mitgeliefert bekommen. Jedes Jahr kommt eine neue Studie hinzu, die solche Annahmen entweder unterstützt oder widerlegt – dabei geht es vor allem um das Vorhandensein körperlicher Prädispositionen. Oder eben auch nicht. Wenn man sich wieder auf den Hausverstand zurückbesinnt, wird man jedoch draufkommen, dass es in allererster Linie um Unhöflichkeit geht. Unhöflich ist aber auch jener, der einem anderen Fahrgast seinen Rucksack in den Brustkorb rammt. Hier wäre vielleicht ein Schild anzudenken, das vorschreibt, dass nur noch Schwangere und Rucksackträger gemeinsam ein öffentliches Verkehrsmittel benützen dürfen. Durch das Stapel-Prinzip würde ungemein viel zusätzlicher Platz entstehen.

 

Foto © Getty Images / Zane Smith