Interview

Pictorial: Pole-Position

Conny Aitzetmueller leitet seit drei Jahren bei ImPulsTanz Pole-Dance-Workshops. Im WIENER erzählt die Profi-Tänzerin von ihrer Begeisterung beim Flirt ander Stange und wie Pole Dance die körperlichen Grenzen auslotet.

Interview: Anneliese Ringhofer

Wie man auf den Fotos und bei Ihren Performances sehen kann, tragen Sie gerne Heels beim Tanzen an der Pole. Hat das neben der sexy Wirkung weitere Vorteile? Ich bin Bühnentänzerin, ich liebe und lebe die Vielseitigkeit. Ich performe barfuß, in Sneakers und in Plateaus. Ohne Heels bin ich schneller und wendiger, in Sneakers grooviger – es ist also täglich eine neue Entscheidung. Das jeweilige Schuhwerk verändert und inspiriert meine Choreografien. Die Heels sind eine technische Herausforderung. Ich liebe es, meine Weiblichkeit zu zelebrieren. Wir Frauen sollten das viel mehr machen, niveauvoll natürlich. Mir sind Ästhetik, Eleganz und Style persönlich wichtig. Und die Performance muss immer ein Flirt mit dem Publikum sein und lebt von Resonanz.

Sie werden bei ImPulsTanz die Workshops „Contemporary Pole“ und „Exotic Pole“ leiten. Was unterscheidet die zwei Arten von Pole Dance? Es sind zwei verschiedene Stilistiken und auch optische Gegenspieler, die zwei Stile können aber auch kombiniert werden. Contemporary Pole fusioniert zeitgenössische Tanztechnik mit Poletechniken. Getanzt wird im Normalfall barfuß. Das Wesen ist, die Pole als Erweiterung für kreative Arbeit zu verstehen. Durch das Arbeiten mit Material ergeben sich neue Bewegungsmuster und Möglichkeiten: Sprünge, Rollen, Stützelemente, Handstände, Kopfstände, Flips, Drops. Contemporary Pole legt den Fokus auf das Arbeiten mit Momentum, Dynamik und eigenem Körpergewicht sowie der Integration von Improvisationsstrukturen. Eine tanztechnische Vorbildung ist hierfür unerlässlich. Exotic Pole ist die klassische sexy Variante in den Stripperheels mit den mörderischen Plateaus (lacht). Hier gibt es ein klassisches Bewegungsvokabular, das seinen Ursprung im Striptease hat und bei dem vorwiegend mit der Inszenierung des eigenen Körpers, seinen Reizen und Vorzügen gespielt wird. Viel Hüfte, bewusstes Positionieren der Beine, Haare schmeißen, ein sexy Blick. Das Tanzen in diesen Poleheels erfordert aber eine gute Grundtechnik, die meist ohne Heels erlernt wird. Poleheels erschweren die Balance, das Plateau eignet sich jedoch auch für Floorwork-Techniken, die ohne Heels nicht möglich wären.

Sie unterrichten bei ImPulsTanz weiters den Kurs mit der schönen Bezeichnung „Femme Fatale“, es wird mit Heels getanzt, allerdings nicht an der Pole, sondern mit Bodenhaftung … Das Tanzen in High Heels hat den Vorteil, dass man ganz schnell die Haltung optimieren kann, und das ist unser Hauptziel – Frauen, natürlich auch Männer, die sich in ihrem Körper wohlfühlen und das auch mit einer schönen Körperhaltung stolz nach außen transportieren. Heels-Tanzklassen sind keine neue Erfindung, und natürlich haben auch Männer schon Commercial Moves in Heels performt.

Sehen Sie Ihre Arbeit im feministischen Kontext? Natürlich leisten wir Aufklärungsarbeit, und das schon seit Jahren. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele Frauen sich unwohl in ihrem Körper fühlen. Das ist ein soziales Problem. Andere Länder, andere Verhaltensweisen. Wir versuchen, einen natürlichen Zugang zum eigenen Körper zu vermitteln, die Wertschätzung der eigenen Anatomie und deren Möglichkeiten. Durch Tanztraining allgemein erlangt man mehr Wohlbefinden und ein besseres Körperbewusstsein. An der Pole ist man zusätzlich mit der eigenen Sexualität und seinen körperlichen Grenzen konfrontiert. Dieses Zusammenspiel stärkt das Selbstbewusstsein. Hierzu gibt es bereits wissenschaftliche Studien.

Seit wann sind Sie tanzbegeistert? Ich bin im Turnverein meiner Großeltern aufgewachsen. Das Schlimmste war Reckturnen, aber da musste ich durch. Als ich später als Jugendliche in Wien das Musical „Cabaret“ gesehen habe, wusste ich, dass ich auf die Bühne will. Wie reagieren die Großeltern auf Ihre Pole-Dance-Performances? Mein Großvater findet Pole Dance toll. Also das, was ich ihm gezeigt habe …

Was ist Ihre Stärke an der Pole? Meine Kreativität, mein Tanzbackground, meine Bühnenpräsenz.

Was ist körperlich die größte Herausforderung an der Pole? Welche Muskeln werden am meisten gefordert? Man muss schon gerne leiden wollen. Es wird mit besserer Technik weniger schmerzhaft, sagt man … Im Training benötigt Pole Dance nackte Haut, vorwiegend an den Beinen, den Knien, den Oberschenkelinnenseiten, der Taille, den Achseln, am Nacken, an den Armen, um sich an der Pole halten zu können, da sind blaue Flecken schon mal möglich (lacht). Gefordert werden die Rumpfmuskulatur, Schultern, Arme, Beine – tendenziell ist Pole Dancing jedoch oberkörperlastig. Und es wird mit dem eigenen Körpergewicht gearbeitet.

Warum wirkt ein Spagat an der Pole erotischer als am Boden? Ein Mann sagte mir mal, ein Spagat an der Stange wirke immer freier, weil in der Luft und somit luftiger und freizügiger – ein interessantes Wortspiel … Doch die Rezeption des Empfängers muss nicht zwingend der Intuition des Performers entsprechen.

Pole Dance ist in den vergangenen Jahren zum Breitensport avanciert, wie kam es dazu? Der Mainstream-Hype wurde von den Medien initiiert. Das, was im chinesischen Zirkus, im indischen Mallakhamb, an Revuetheatern oder in diversen Etablissements schon lang existiert, wurde durch Musikvideos, Castingshows und den Einzug in Theater- und Konzertproduktionen nun über den TV-Bildschirm in die Wohnzimmer transportiert und so massentauglich gemacht. Bereits 2003 performte Kate Moss für die White Stripes in deren Musikvideo zu „I just don´t know what to do with myself“. Diese sexy Dance-Variante war Vorreiter für unzählige Pole-Szenen in Musikvideos. Womit sich die Stars fit halten, das will natürlich jede/r ausprobieren. 2009 wurde Pole Dance auch in Österreich langsam populär.

Sie hatten bereits Auftritte mit Stars wie David Hasselhoff, The Pussycat Dolls oder Placido Domingo und waren auch bei TV-Produktionen auf der Bühne. Was bleibt Ihnen in Erinnerung? Ich habe mit David Hasselhoff auf der Bühne getanzt und er hat einmal meinen Stöckelschuh abbekommen, als er zu nahe dran war, ich weiß nicht, wie er sich dabei gefühlt hat (lacht). Touren mit The Hoff war einzigartig und besonders lustig – es war eine Mischung aus Kindheitserinnerungen und normalem Bühnenalltag, nur eben nicht normal. Die deutsche Tanz-Castingshow „Got To Dance Germany“ und Eurovision waren überwältigend.

Sie tanzen und choreografieren – welcher Bereich fordert Sie mehr? Und ist es für eine Tänzerin unerlässlich, auch das Choreografieren zu beherrschen? Nicht jeder Tänzer kann choreografieren. Das sind zwei unterschiedliche Bereiche. Choreografieren setzt ein gewisses Tanzrepertoire voraus, und das Verständnis für Aufbau und Struktur einer Shownummer oder eines Stückes. Hierfür brauchst du ein umfassenderes Verständnis für Stilistiken, Raum, Musik, Licht, Kostüm etc. In der Choreografie vereinen sich viele Teilbereiche. Du musst das große Ganze genauso im Blick haben wie die tanztechnischen Details. Ich brauche die kreative Freiheit, liebe es, mich in choreografischen Aufgabenstellungen auszutoben. Ich liebe diese Schnittstelle, an der die Künste sich vereinen. Man muss multitalentiert sein und auch das Multitasking beherrschen.

Sie haben Musik- und Tanzpädagogik studiert und sind auch Pilates- sowie Yoga-Trainerin u.v.m. Wie sehr beeinflussen die Ausbildungen Ihren Tanzstil? Man lernt nie aus! Ich habe bei den Ausbildungen gelernt, Bewegung in ihren Feinheiten zu analysieren und zu verstehen, unter unterschiedlichen Aspekten zu beleuchten und in einen neuen Kontext zu stellen. Ich habe gelernt, mich inspirieren zu lassen, frei an Dinge heranzugehen. Und gelernte Techniken anzuwenden. Alles andere lernte ich direkt in Bühnenproduktionen und in der Praxis. Aber die Praxis ist meist etwas chaotischer und stressiger.

Abschließende Frage: Tanzen auch Männer an der Pole? Männer sind noch rar, aber einige wenige haben sich schon in meine Kurse getraut, bei der Pole-Elite sieht es mittlerweile schon ganz gut aus. Gib dem Turner eine vertikale Stange und er erfindet sich neu!

Conny Aitzetmueller (38) gründete 2012 das Studio CAve25 in Wien (cave25.at), als dessen Artistic Director leitet sie das Studio und alle Ausbildungsprogramme. Sie studierte 1998 bis 2003 an der MUK Privatuniversität der Stadt Wien und 2006 am Mozarteum Salzburg, wo sie mit Master in Musik und Tanzpädagogik abschloss. Zudem ist die gebürtige Oberösterreicherin zertifizierte Pilates,Aerobic und Thaiboxing-Trainerin sowie zertifizierte Yogalehrerin (RYT200). Sie arbeitet als professionelle Tänzerin und Choreografin und wirkte in internationalen Bühnen- undFernsehproduktionen mit. Ihr Repertoire umfasst viele verschiedene Tanzstile, ausgehend von zeitgenössischem Tanz, kommerziellen Stilen und Theater. Als professionelle Pole-Performerin nahm sie bei den Pole Theatre Paris Wettbewerben 2014 und 2016 in der Kategorie Pole Classique Professional teil und erreichte jeweils den 3. Platz, für Poletheatre UK wurde sie 2016 auch als Choreographin engagiert.. Seit 2014 unterrichtet sie bei ImPulsTanz in Wien.

Das ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival 2017 findet vom 13. Juli bis 13. August 2017 statt. impulstanz.com

Fotos © JBrown Photgraphy (3), Andreas Waldschütz