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Alex Kristan: Mit Kunst zur Kunst

Weit nordöstlich des Brenners, konkret in Wien, findet sich mehr italienische Kunst, als man glauben möchte. Wir schicken Comedian Alex Kristan per Vespa 125 GTS auf Spurensuche.

Redaktion: Franz J. Sauer / Fotos: Eryk Kepski

Eifrige WIENER-Leser wissen es ja sowieso schon längst: Die Vespa wurde vor wenigen Monaten hochoffiziell und international verbrieft zum Kunstwerk ernannt. Zum Industrial-Design-Kunstwerk genau genommen. Hintergrund der Story ist, dass ein chinesischer Fahrzeughersteller die Vespa frech kopierte und auch in deren Heimatland unter dem Namen „Ves“ unter die Leute bringen wollte. Das ging zu weit. Und um wirksam gegen derlei Dreistigkeit vorzugehen, beschied ein Turiner Gericht allen Vespa-Varianten seit 1948 den Kunstwerk-Status, der so was wie Denkmalschutz mit sich bringt. Wie heißt „Ätsch“ noch mal auf Italienisch?

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Vespa GTS 125 i.e. Super Sport ABS: das jüngste Sportmodell des Piaggio-Kunstwerks leistet 12,5 PS und hat mit USB-Anschluss, ABS-Bremsen und Start/Stoppautomatik alle wichtigen Features für den Großstadtbetrieb an Bord. Ab 5.699 Euro.

So trifft erstmals im Bereich der motorisierten Fahrzeugwelt Kult auf Kultur, jeder, der mehr als eines der von Piaggio gefertigten Motorinsekten sein Eigen nennt, darf sich ab sofort mit Fug und Recht Kunstsammler nennen, was uns in ziemlich direkter Linie zu Herrn Alex Kristan führt. Jener gottvolle Comedian, der den deutschen Sprachraum in der Disziplin Parodie nachhaltig und unwidersprochen beherrscht, wohnt nicht nur ziemlich südlich am Weg gen Italien von Wien aus gesehen (Mödling), sondern ist auch höchstselbst ein großer Freund der Italianità. Und bei ein paar gemütlichen Espressi nebst Grappa und Montepulciano-Begleitung zuvor entstand irgendwann zuletzt die hitzige Diskussion, ob nicht alles, was der Italiener stilkundig veredelt, letztlich als Kunstwerk zu betrachten wäre. Beispiele hierfür gäbe es genug: Autogrill versus Rosenberger, Kimbo-Espresso versus Jacobs Monarch, Prada-Bock versus Salamander oder das Strandcafé in Riccione versus der Hafenbar zu Rijeka, Kroatien.

Schweizertor: italienische Bildhauer waren in der Monarchie der Renaissance vor allem als Architekten gefragt. Neben dem Schloss Neugebäude baute und bemalte Pietro Ferrabosco auch das Schweizertor in der Hofburg.

Jener beschwipste Talk endete vorderhand ergebnislos und letztlich mit dem Vorhaben, sich der italienischen Kunst empirisch zu nähern – was einem besonders in Wien verblüffend leichtfällt. Wien hat punkto Kunstgeschichte mehr italienische Plätze, als man glaubt, auch wenn man das erst auf den zweiten oder dritten Blick oder aber nach eindringlicher Wikipedia-Recherche bemerkt. Wussten Sie etwa, dass das Schweizertor in der Hofburg, also jenes wunderbare, bräunlich-rot gefärbelte Portal, das in den Schweizerhof und somit in den ältesten Teil der Hofburg führt, ebenso wie der gesamte Nordtrakt dahinter vom Comer Bildhauer Pietro Ferrabosco erbaut wurde? Und das in den Jahren 1551-53, gleich nach der ersten Vorregulierung der Donau und dem Entwurf des Schloss Neugebäude?

Alex Kristan vor dem Musikverein: er war nicht nur Mozarts „Mörder“ bei Milos Forman und Paul Shaffer, sondern auch ein hochangesehener Förderer der Musikpädagogie. In dieser Funktion begründete Antonio Salieri 1823 das Konservatorium
der Gesellschaft der Musikfreunde mit, die noch heute den Musikverein bespielen.

Oder der Wiener Musikverein: Die Gründung des „Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde“ erfolgte anno 1823 hauptsächlich auf Initiative von Antonio Salieri, der zwar als Wiener Hofkapellmeister nicht nur von Kaiserin Maria Theresia eher als Österreicher denn als Italiener angesehen wurde, durch das In-den-Himmel-Heben der italienischen Opernkunst aber nicht nur einen gewissen Mozart rechtschaffen gegen sich aufbrachte.

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Antonio Vivaldi: der zunächst in seiner italienischen Heimat gefeierte, dann aber beim Publikum in Ungnade gefallene Komponist und Musiker suchte im Wien des 18. Jahrhunderts den Nährboden für eine zweite Karriere und scheiterte. An Vivaldis Massengrab am „Spitaller Gottsacker“ errinnert eine Tafel am Hauptgebäude der Technischen Universität am Karlsplatz.

Antonio Vivaldi suchte, nachdem in Italien beim Publikum in Ungnade gefallen, bei Kaiser Karl nach Anstellung, weil dieser aber kurz darauf verschied, ereilte Vivaldi das gleiche Schicksal im Juli 1741. Anders als der Kaiser musste der mittellose Komponist allerdings am „Spitaller Gottsacker“ in einem Massengrab beigesetzt werden, just dort, wo heute das Hauptgebäude der Technischen Universität vis-à-vis der Karlskirche steht.

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Minoritenkirche: seit 1784 gilt die Minoritenkirche unter ihrem neuen Namen „Maria Schnee“ (Santa Maria Maggiore) als italienische Nationalkirche in Wien.

Unter Joseph II. ging das Eigentum der im 13. Jahrhundert erbauten Minoritenkirche an die Italienische Kongregation über, seit 1784 ist das Bauwerk gleich hinterm Bundeskanzleramt als italienische Nationalkirche „Santa Maria Maggiore“ patronisiert. Und die goldene Kugel am Dach des Bürgerlichen Zeughauses Am Hof Nr. 10, hoch über der Haupt­feuerwache Wiens, wird von zwei Figuren des ­italienischen Bildhauers Lorenzo Mattielli, die Beharrlichkeit und Stärke darstellen, gehalten.

Am Hof: hoch droben am „Bürgerlichen Zeughaus“ der Hauptfeuerwache Wien prangt eine massive goldene Kugel, gehalten von zwei Figuren, die „Stärke und Beharrlichkeit“ symbolisieren. Geschaffen wurden diese von Lorenzo Mattielli anno 1732.

Zahlreiche weitere Bauwerke fielen uns noch ein, wenn man den italienischen Einfluss auf den Wiener Altbaubestand untersuchen müsste, aber dazu ist es uns dann doch zu heiß. Zeit also, den Einfluss der italienischen Kulinarik auf die Wiener Gastrokultur zu erkunden, und damit ist jetzt nicht der nächste Pizzadienst gemeint.

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Barenoteca da Lucio: klein, charmant, chaotisch und mitten im Siebten – so präsentiert sich die kleine Bar-Enoteca von Lucio Manzo, in der der Espresso nicht nur hervorragend schmeckt, sondern, so wie in der Heimat drunten, auch nur 1,50 Euro kostet.

Die Barenoteca da Lucio zum Beispiel, im siebten Bezirk, bringt Kaffee, Brötchen, Artischocken und sonstige Spezereien des Südens in italophiler Umgebung. In der Ristro-Gastronomia O’Sfizio am Hernalser Kalvarienberg erklärt uns Architekt Antonio Leonte wortgewandt den Zusammenhang von erntefrischer Ware aus Napoli und einer entsprechenden Innenarchitektur – die ­Paccheri waren jedenfalls grandios.

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O'Sfizio: Risto-Gastronomia heißt nichts anderes als die Kombination von schneller Küche für den Mittagstisch mit hochwertigen Zutaten aus der regionalen italienischen Küche. Diesem Motto wird auch die freundliche, offene Innengestaltung des Lokals von Mag. Antonio Leonte gerecht.

Und als letzte Station des Tages zeigen uns die Brüder Luca und Dario ­Formisano in ihrem Conceptstore Negozio „Monte Ofelio“ am Augartenspitz, was der Mittelitaliener unter einer Greißlerei versteht. Die Vespa bleibt vorm Türl stehen. Zu süffig war der Weißwein …