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Michel Reimon – Last Man Standing

Es fällt schwer, Michel Reimon einzuordnen. Der 46-jährige Burgenländer ist Autor, Kommunikationsberater, studierter Organisationsmanager und Journalist. Die Headline da oben bezieht sich allerdings vor allem auf seine Tätigkeit als EU-Parlamentarier der Grünen – noch.

Text: Franz J. Sauer / Fotos: Maximilian Lottmann

Zur aktuellen Lage. „10 Jahre war ich ohne Prozess und Klage in der Politik. Aber Strache tritt jetzt nach – weil ich sein Verhalten als zuständiges Regierungsmitglied im Sigi Maurer-Prozess satirisch kritisiere.“ So Michel Reimon aktuell. Die satirische Kritik: In einem Protest gegen das Maurer-Urteil benannte er sich auf Twitter in „HC Strache“ um, nebst Foto des Vizekanzlers. Sein Text dazu: „Selbstverständlich muss eine seriös arbeitende Justiz echte Männer davor schützen, dass man mit billigen Tricks ihre Identität mißbraucht“, gepostet deutlich, wenn auch vielleicht erst auf zweiten Blick, erkennbar auf seinem Twitterprofil @michelreimon. Eine unkonventionelle Reaktion, jedenfalls anders als die anderer Politiker. Das und sein formidabler Umgang mit Social Media, für den andere Politiker Scharen an Beratern brauchen, sind die Kerneigenschaften, die ihn hervorheben. Nun klagt ihn der Vizekanzler, wegen Urheberrechtsverletzung. Eine weitere, unkonventionelle Reaktion Reimons, diesfalls auf Anfrage des Standard, ließ nicht lange auf sich warten: „Ich könnte mir jetzt natürlich den Spaß machen und behaupten, dass jemand anders an meinem Computer war. Nur ist das Thema für belästigte und bedrohte Frauen zu ernst, um so damit umzugehen“  …

Zur Person. Michel Reimon ist seit dem desast­rösen Abschneiden der Bundespartei bei der letzten Nationalratswahl das letzte Bundesvorstands­mitglied der Grünen, das ein internationales ­Mandat führt. Last Man Standing eben. „Der Zeitpunkt, für die Grünen im EU-Parlament zu sitzen, ist allerdings nicht der schlechteste“, vermittelt Reimon ernst zu nehmenden Optimismus, der ziemlich viel mit dem EU-Ratsvorsitz Österreichs im vergangenen Herbst zu tun hatte. „Es standen, während Österreich den Vorsitz hat, einige wichtige Richtungsentscheidungen an. Insbesondere im Bereich der Verschärfung von Steuerfluchtgesetzen. Der Vorsitz verhandelt mit dem Rat, wir verhandeln mit dem Ratsvorsitz. Und den hat im zweiten Halbjahr 2018 eben die österreichische Bundesregierung (gehabt). Auf diese Weise können wir durchaus auch innenpolitischen Druck aufbauen, was die Position der Grünen ­insgesamt stärken wird.“

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(c) Maximilian Lottmann

Generell sieht es Reimon als seine vornehmlichste Aufgabe, Druck aufzubauen. Die Mittel seiner Wahl reichen dabei von exzessiver Social-Media-Arbeit bis zur Live-Berichterstattung aus dem Kriegsgebiet im Nordirak, als dort die Jesiden verfolgt wurden und sein Vlogbericht aus einem Hilfstransport-Hubschrauber von zahlreichen internationalen Medien übernommen wurde. Seine jüngste Aktion ähnlicher Art: eine Reise nach Syrien, in die von den Kurden gehaltenen Gebieten, in denen stündlich mit einem Einmarsch türkischer Truppen gerechnet wird. Dagegen waren die Aufgaben des vergangenen Herbstes von fast schlafwandlerisch ruhiger Natur, wiewohl inhaltlich mehr als brisant.

Es geht dabei um das fixfertige Konzept einer neuen, gerechteren Steuergesetzgebung auf EU-Ebene, das derzeit noch keine Mehrheit findet und unter anderem auch von der österreichischen Regierung boykottiert wird. Und genau hier sah Reimon seinen Kampfgeist gefragt, nicht unerfolgreich. Bis dahin waren das erfolgreiche Ankämpfen gegen Freihandelsabkommen wie TTIP oder auch die Abschaffung der Roaminggebühren als erfolgreiche Meilensteine seiner EU-Arbeit zu verbuchen, als essenziell bezeichnet Reimon selbst die Mitarbeit in den Untersuchungsausschüssen zu den Affären der Panama- und Paradise-Papers.

Die nächsten EU-Wahlen stehen im Mai 2019 an. Ein Erfolg der Grünen auf europäischer Ebene würde auch der Bundespartei wieder entsprechenden Aufwind geben. Allerdings tritt Reimon hier nicht mehr als Spitzenkandidat an und wird von Grünen-Urgestein Werner Kogler abgelöst. Über die genauen Gründe hierfür lässt sich nur mutmaßen, vor ziemlich genau einem Jahr stellte Reimon im WIENER klar, nur dann für eine Wiederkandidatur zur Verfügung zu stehen, wenn sich die Grünen klar zu einem scharfen linken Kurs gegen den Konzernlobbyismus bekennen. „Sonst bin ich weg.“

Ist die Bundespolitik eine Option? „Ich fühl mich wohl im EP, da möcht ich bleiben“, so Reimon im Frühjahr 2017.

Michel Reimon (46)
ist Autor, Blogger, Journalist, PR-Profi, Social-Media-Phänomen und EU-Politiker, Reihenfolge irrelevant. Wenn der gebürtige Burgenländer seine bisherigen Lebensstationen verortet, nennt er „Siegendorf – Wien – Brüssel“. Die mittlere davon ist durchaus mit dem WIENER verquickt, dessen Redaktion Reimon einst angehörte, auch als Chef vom Dienst. Der Vater einer Tochter pendelt derzeit noch zwischen Wien und Brüssel.