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Der vergiftete Kelch – Oscar für Gary Oldman?

Ein Oscar? Läuft unter „Krönung einer Karriere“. Und Gary Oldman hat lange gewartet. Dank Winston Churchill könnte es nun so weit sein. Er ist nominiert. Ausgerechnet heuer …

Zu seinen Utensilien am Filmset gehört auch eine kleine Box, die er „pain bag“ nennt. Ein Schmerzsackerl mit Erinnerungen an seinen Vater. Darin wühlt er, wenn die Rolle nach rotem Nebel verlangt – durchdrehen, auszucken, brutale Gewalt und so weiter. Bei den Rollen, die Gary Oldman (59) im Lauf seiner 35-jährigen Filmkarriere spielte, war der pain bag äußerst nützlich. Nenn einen wirklich durchgedrehten Typen, und Oldman hat ihn gespielt: Lee Harvey Oswald, den Mörder von John F. Kennedy; Punkrocker Sid Vicious (Sex Pistols), der im Drogenrausch seine Frau und dann sich selbst umbrachte; Graf Dracula? Aber selbstverständlich, nämlich den gruseligsten aller Zeiten.

Nichtraucher Oldman als Zigarren-Freak Churchill. (c) Universal Pictures

Uma Thurman über Exgatten Gary Oldman: ”Es bedarf einer speziellen Frau, um Gary langfristig auszuhalten.” Foto: (c) Francois Durand / Getty Images

Oldman wuchs in New Cross, South East London, auf, einem der härtesten Pflaster der Metropole. Sein Vater Leonard war ein Schweißer und Alkoholiker, der früh an Leberversagen starb. Alkoholsucht war auch Oldman nicht fremd, die 90er-Jahre sahen ihn wiederholt auf Rehab. „Es war, als ­ginge ich in den Schuhen meines Vaters herum“, meinte er einmal. Und dann waren da noch die Beziehungen, aus denen immerhin fünf Eheschließungen wurden. Eine der Exgattinnen – Uma Thurman – meinte einmal: „Es bedarf einer ganz besonderen Frau, um Gary langfristig auszuhalten.“ Oldman, seit zwei Jahren mit Kunstkura­torin Gisele Schmidt liiert, sieht sich eher ­geläutert: „Ich bin jetzt fast sechzig und glaube, dass ich nun endlich zu Hause bin.“

Sechzig Jahre, das ist auch ein Alter, in dem ein Schauspieler, der auf sich hält, eine Oscar-Statue am hauseigenen Fenstersims stehen sehen will. Eine Trophäe, die er laut Meinung vieler Filmkritiker schon lange verdient hätte. Etwa für seine Rolle als Polizeidetektiv James Gordon in ­Christopher Nolans Batman-Trilogie. Was Oldman selbst etwas anders sieht: „Immer nur am Tatort zu erscheinen, wenn Batman den Fall schon gelöst hat, war verdammt unbefriedigend.“ Aber mit seiner Verkörperung von Winston Churchill (Die dunkelste Stunde) würde nun endlich alles passen. Dumm nur, dass derzeit kaum ein männlicher Star so richtig Bock auf die Trophäe hat. Die Nachwehen, you know.

Fix ist, dass heuer jeder männliche Sieger unter die #MeToo-inspirierte Lupe kommt. Und der Keller von Gary Oldman ist nicht frei von Leichen. Da wäre etwa Exgattin Donya Fiorentino, die ihn wegen Gewalt­tätigkeit vor Gericht zitierte (Urteil: Freispruch). Oder seine Unterstützung für Mel Gibson, als man Mel Gibson nicht unterstützen konnte. Oldman hat sich oft aus dem Fenster gelehnt. Andere Favoriten, wie James Franco, wurden gar nicht erst eingeladen, Vorjahresgewinner Casey ­Affleck von den Feierlichkeiten ausgeladen. Wie dem auch sei: Sein Triumph als bester Darsteller bei den Baftas vor zwei Wochen verlief ohne Vorkommnisse. Der Scherz von Überreicherin Salma Hayek bei der Ansage war tatsächlich nur ein Scherz. Und vielleicht bleibt Oldman der Gang zum Podest ohnehin erspart. Immerhin wurde auch Denzel Washington nominiert. Ein Mann Marke makellos, seit 35 Jahren mit derselben Frau glücklich. Prädikat siegerverdächtig. Denn eins ist klar: 2018 wird nicht notwendigerweise der beste Schauspieler die Trophäe einheimsen.

Info: Die 90th Academy Awards alias Oscar-Nacht findet am 4.3.2018 statt.

Foto – Header: (c) Universal Pictures