Sex

Dating im Zeitalter von #metoo

2018. Zeit des Online-Datings. Zeit von #metoo. Wie hängen die zwei Themen zusammen? Im Prinzip gar nicht. Wir klären, wieso.

Text: Charly Schamant

Das #metoo-Phänomen hat wie jedes „Kultthema“ das Problem, dass es eine unberechenbare Eigendynamik entwickelt. Wenn Formate wie James Bond abgesetzt werden sollen, weil sie angeblich zu frauenfeindlich sind, entfernt sich die Debatte vom eigentlich Wesentlichen. Die Debatte hat zur allgemeinen Verunsicherung in der Männerwelt geführt, die bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar ist. Plötzlich sind gängige Phrasen und Umgangsformen mit Frauen nicht mehr erlaubt. Jeder Versprecher, jede falsche Geste könnte den Schritt ins Unheil bedeuten. Ja, liebe Männer, ich verstehe euch. Da übt man sich besser in Zurückhaltung. Oder versucht zu denken, bevor man spricht. Meine Herren! Willkommen in der Welt der Frauen!

Man würde meinen, dass sich diese Verunsicherung im Dating-Verhalten des 21. Jahrhunderts wiederfinden würde. Aber die nächste Affäre ist für die meisten nur einen Fingerwisch entfernt. Die Wahrscheinlichkeit, dass man bei einem Blind-Date miteinander im Bett landet, steht dieser Tage bei 50:50. So eine Quote hätten sich viele in alten Zeiten gewünscht, als man den ganzen Abend noch an einer Bartheke verbrachte, versuchte cool zu wirken und die Augen auf Beutesuche durch den Raum glitten. Während man beim klassischen Aufriss mit direkter Zurückweisung umgehen musste, hat Online-Dating den Vorteil, dass man sich bereits vorher digital beschnuppert hat. Ergo kann man vom prinzipiellen Interesses des Gegenübers ausgehen, wenn man sich erstmals persönlich trifft. Also kein akuter Grund zur Verunsicherung. Das soll natürlich nicht heißen, dass die prinzipiellen Regeln der Höflichkeit und des Respekts ausgesetzt werden. Ob es dann schlussendlich zum Paarungsakt kommt oder nicht, ist wie immer eine Frage der Chemie.

Tindern in der Bar – noch schnell ein Date finden? Foto: (c) Getty Images

Sexuell belästigt habe ich mich an so einem Dating-Abend noch nie gefühlt. Das hat zwei Gründe:

Erstens: Ich date prinzipiell in meiner eigenen Bubble. Ich treffe urbane Männer, die ungefähr gleich alt sind (+/- fünf Jahre), aus der selben Bildungsschicht kommen und eine ähnliche, gesellschaftspolitische Einstellung haben. Sie vertreten ein recht offenes Weltbild, haben kein Problem mit Minderheiten, Hautfarben, diversen sexuellen Ausrichtungen oder der Gleichberechtigung von Frauen. Im Gegenteil. Einige der von mir gedateten Exemplare waren bekennende Feministen. Wenn Sie älter als 45 sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie sich darunter Weicheier oder Hippies vorstellen. Sollte dem so sein, sagt das übrigens mehr über Sie aus als über besagte Männer.

Mein Beuteschema lässt sich mit einer Phrase aus der #metoo-Bewegung auf den Punkt bringen: „Men of quality do not fear equality“. Fun fact: Dieser Satz wurde während der Women’s Marches in Washington und Los Angeles von heterosexuellen, männlichen Feministen etabliert. Noch nie waren Männer so sexy wie in diesem Augenblick der Erkenntnis!

Das Thema der sexuellen Belästigung tritt beim Daten also so gut wie nie ans Tageslicht, da „meine“ Männer nicht nur über Hausverstand verfügen, sondern ihrem Gegenüber mit Respekt begegnen und mit einer eventuellen Zurückweisung wie Gentlemen umgehen.

Der zweite, viel wichtigere Grund: Sex ist Sex. Bei #metoo geht es um etwas ganz anderes! Nur weil Frauen das Selbstbewusstsein gefunden haben, Missstände aufzuzeigen und es sich einfach nicht mehr gefallen lassen, am Arbeitsplatz wie Beutetiere behandelt zu werden, heißt das nicht, dass sie prüde sind. Die zwei Themen haben schlichtweg nichts miteinander zu tun. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner ist blöderweise Sex. Und deswegen werden sie ständig miteinander in Verbindung gebracht.

Ich möchte, dass damit ein für allemal Schluss ist.

Ich könnte Sie jetzt mit den Lowlights meiner eigenen #metoo-Vergangenheit langweilen. Ich könnte Ihnen davon erzählen, wie Vorgesetzte ihre Sorge kundtaten, meine Oberweite könne kleiner werden, weil ich zuviel joggen war. Oder von Kollegen, die auf Weihnachtsfeiern Sex mit mir einforderten. Oder wie ein Facility-Mitarbeiter in einem Archivraum des Bürogebäudes versucht hat, sich an mir zu vergreifen. Oder wie oft mir im Arbeitsumfeld mangelnde Sanftmut vorgeworfen wird. Ich verstehe das schon: Ein Mann, der Kritik äußert, ist ein cooler, tougher Hund. Er ist durchsetzungsfähig. Als Frau ist man eher in der Ecke Nörglerin, wird als aggressiv bezeichnet und macht sich unbeliebt.

Nach zehn intensiven Jahren im beruflichen Männerumfeld hat man sich daran gewöhnt. Aber genau das ist das Problem. Muss man als Frau ständig einen Popularitätswettbewerb gewinnen? Muss man den Männern gefallen wollen?

Nein.

Die amerikanische Jobbörse CareerBuilder hat in einer neuen Umfrage festgestellt, dass die Anzahl an Büroaffären durch die #metoo-Bewegung ein 10-Jahres-Tief erreicht hat. Und das ist gut so. Wem ich gefallen will, ist noch immer meine Entscheidung. Am Arbeitsplatz ist es mir im Zweifelsfall lieber, wenn ich nicht gefalle. Ich habe ohnehin immer das englische Sprichwort „Don’t shit where you eat“ gelebt, hatte also nie Affären oder Beziehungen am Arbeitsplatz.

Ja, alles ist unfassbar kompliziert geworden.

Die positive Seite der Medaille? Online-Dating ist so einfach. Männlein mag Weiblein, Weiblein mag Männlein. Männlein und Weiblein kommunizieren das einander mit einer einfachen Wischgeste. Männlein und Weiblein treffen aufeinander. Männlein und Weiblein mögen einander und vögeln – oder mögen einander nicht und vögeln trotzdem.

Das ist wahrer Zeitgeist. Simpel, ja fast banal. So mögen Sie das doch, liebe Herren! Was für ein Glück, dass wir zumindest auf Tinder noch gefallen!