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Ronnie O’Sullivan: Snookers großer Magier

Manfred Sax

Roger Federer, Lionel Messi, Michael Jordan: die großen Unsterblichen ihres Metiers. Und auch Snooker hat so ein von den Göttern geküsstes Genie: Ronnie O’Sullivan alias Mister 147.

Text: Manfred Sax

Ronnie O’Sullivan by DerHexer, Lizenz: CC-by-sa 4.0

Bekanntlich ist die Welt flach und in Wahrheit verdammt klein: ein 3556mm mal 1778mm großer, mit grünem Kammgarn-Tuch überzogener Billard-Tisch mit anfangs 15 roten und 6 andersfarbigen, ”colours“ genannten Kugeln drauf – die letztlich per weißer Kugel in die zum Zwecke hinein gestanzten Löcher entsorgt werden müssen. Das wäre also die Welt des Snooker; ein Sport, der ursprünglich nur in Großbritannien populär war, heute aber weltweit und vor allem in Asien Abermillionen Fans vor den TV-Schirm lockt.

Wie jeder Sport hat auch Snooker seine Stars, aber einer steht im Status eines Halbgotts: Ronnie O’Sullivan, 42 Jahre alt, in Essex aufgewachsener Brite, seit dem siebenten Lebensjahr in der Welt des Snooker wohnhaft, „dank“ Vater John O’Sullivan eine schillernde Figur im öffentlichen Augenmerk. Vater John, ein Besitzer von Sex-shops in Soho, verbrachte wegen Mordes 18 Jahre im Knast, und Sohn Ronnie betrachtete es bereits in Teenagerjahren als seine Pflicht, den Vater durch seine – im Gefängnis übertragenen – Snooker-Auftritte bei Laune zu Halten. Gewann Ronnie ein Turnier, war Vater John ein ”happy chappie“, zumal der Sohn den Siegerpokal habituell seinem Vater widmete. Ein Drama, für das ihn ganz England liebte.

Eine Konsequenz aus dieser Schicksals-Konstellation war auch, dass Ronnie eine Meisterschaft mit dem Queue entwickelte, die weniger einem Sport, mehr einer Kunstform glich. Im Snooker gibt es eine magische Zahl, nämlich 147. Die du erreichst, wenn du in einem Gang (”clearance“) sämtliche Kugeln entsorgst, und zwar nach Schema: Mit Einlochen einer roten Kugel (1 Punkt) erwirbt der Snooker-Spieler das Recht, eine ”colour“ zu entsorgen (die mehr Punkte bringt: gelb 2, grün 3, braun 4, blau 5, pink 6, schwarz 7). Die ”colour“ kommt wieder zurück auf den Tisch und so weiter. Wenn du also 15 mal rot mit schwarz abservierst, und dann von unten nach oben die verbleibenden ”colours“, dann erreichst du 147. Den Zenit. Das Maximum. Das Non-plus-Ultra. Müßig zu erwähnen, dass ein Snooker-Profi dieses Maximum in einem Wettbewerb kaum jemals schafft. Bis auf einen – von dem man es fast schon erwartet, kaum hat er mal die erste Rot-schwarz-rot-schwarz-rot-schwarz-Sequenz erledigt. Dann wird es mäuschenstill im Snooker-Saal, und der Kommentar des TV-Reporters mutiert zu einem Raunen. Warum? Weil die weiße Kugel genau das macht, was O’Sullivan von ihr will.

14mal ist dem Snooker-Gott dieses Kunststück bislang gelungen, ihm nahe (mit 11) kam nur der Schotte Stephen Hendry, der Star der 80er und frühen 90er Jahre. Der Rest ist Abteilung „unter ferner liefen“.

Damit nicht genug, hält O’Sullivan auch den Weltrekord für das schnellste absolvierte Maximum: 5 Minuten und 20 Sekunden. Snooker-Fans wissen: Sowas geht nur, wenn sich der Spieler zwischen den Stößen keinerlei Zeit für Konzentration oder Durchatmen gönnt. Sowas geht nur, wenn du ein Genie bist.

In diesem Sinne: Dieses Wochenende (Sonntag, Montag) findet in Sheffield, UK, das Finale der diesjährigen Snooker-WM statt, ein Best of 35 Frames (Tipp: Eurosport). O’Sullivan, gemütsmäßig sichtlich nicht in bester Verfassung angetreten, ist leider in der zweiten Runde ausgeschieden. Aber für den Genuss seines Rekord-Maximums ist immer Zeit – und jedenfalls die Investition von 5+ Minuten wert. ENJOY!

Coverfoto: Global Panorama, Lizenz: CC BY-SA 2.0