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Wortwahl – Heidi Lists Kolumne im WIENER #W428

Wortqual: Was für die einen im Sprachgebrauch als normal gilt, empfinden andere als beleidigend. Aber was macht sexistische und rassistische Wortwahl mit uns? Ein Erfahrungsbericht und ein Aufklärungsversuch von Heidi List.

Es war einmal eine kleine Heidi, die interviewte einen älteren Herrn. Es war ein Gespräch über ein wertvolles Kulturgut, mit dem er sich in seinen Funktionen über Jahrzehnte beschäftigt hatte und über das es zu berichten galt. Ist jetzt egal, welches genau. In diesem Zusammenhang erzählte der ältere Herr – wir reden hier von einem interessanten, klugen, übrigens auch sehr witzigen Menschen mit unendlich vielen Preisen für seine Errungenschaften –, also er antwortete auf die Frage, wie denn die Medien im Laufe der Jahrzehnte über dieses kostbare Kulturgut so berichteten: „Das interessierte damals niemanden. Da hätte schon ein Neger eine blonde Miss Austria drauf vergewaltigen müssen, dass das wen gekratzt hätte.“ Ich stutzte und eierte irgendwas daher von wegen „Hihi, äh, also, so kann man das heute nicht mehr sagen. So kann ich das nicht drucken lassen.“ Der ältere Herr staunte: „Aber wieso denn nicht?“ – „Ja, das kann man heute nicht mehr so sagen, und sogar wenn es damals ein gängiger Scherz gewesen ist und alle hätten gewusst, dass das lediglich bedeutet, dass das öffentliche Interesse einfach nicht ­besonders groß war an diesem Kulturgut, würde man diesen Satz heute so verstehen: Sie, Herr honoriger, ­verdienstvoller Mensch, verwenden ­Vergleiche, die rassistisch und ­frauenfeindlich sind. Daher ist das dann nicht witzig, sondern mies.“

Er war fassungslos. „Nein, so macht mir das aber keinen Spaß. Das ist doch selbstverständlich, wie ich das meine.“ Da saß ich vor ihm, mich gerade noch suhlend in dem Wohlgefühl, einem so unbändig sympathischen und interessanten Menschen gegenüberzusitzen, und plötzlich so völlig ohne Plan, ihm das Ausmaß zu vermitteln, wie sehr man so etwas nicht mehr sagt. Es war vergeblich. Innerhalb weniger Minuten wurde ich in seinen Augen – und in meinen irgendwie auch – zu einer humorlosen Trulla. Und das Interview wurde dann recht trocken. Und sehr viel kürzer als gedacht.

Am nächsten Tag hatte ich einen Kaffeehaustermin mit einer älteren Bekannten, der ich das erzählte. Sie räusperte sich und dann ging es los: „Was hätte er denn sagen sollen, um da irgendwie ein wenig eloquenter daherzukommen? Wortwitz braucht es beim Interview. Wenn er sagt, kein Schwein hat sich für das Kulturgut interessiert, weil Schwein darf man ja gottlob noch sagen, dann merkt sich das doch kein Schwein, was man gottlob noch sagen darf. Die vom Neger vergewaltigte Miss Austria merkt sich jeder, daher ist das bildend, dieser plakative Wortwitz, die Leser merken sich, dass das mediale Interesse an dem Kulturgut nicht groß war. Das ist wichtig, das was hängen bleibt. Pisa, sag ich nur, man muss überzeichnen dürfen, Neger hat man immer gesagt, ob man die mochte oder nicht. Sowieso alles völlig verblödet, Neger sag ich nicht, Zigeuner sag ich nicht, Mohr sag ich nicht. Was sag ich denn noch zu einem Neger, der in Österreich ­geboren ist? Nix mehr sag ich.“

Müde trottete ich nach Hause. Im Aufzug traf ich eine ältere Nachbarin, die mich freundlich nach dem Grund für meine hängende Nase fragte. Ich ­erzählte ihr von meiner vergeblichen Mühe, Menschen aus einer anderen ­Generation darzulegen, dass es halt nicht in Ordnung ist, Sexismen oder Rassismen in der Sprache einzubauen, weil das macht was mit den Menschen.

Da schnaubte sie: „Wissen Sie, was das Erste war, was mein Mann selig zu mir gesagt hat? Er sagte: Na, Madel, hast du Lust auf einen Onkel Popoklatsch? Du siehst aus, als würd’ dir das taugen. Ich war empört. Natürlich habe ich ihn dann besonders lange warten lassen, bis ich mit ihm irgendwann doch zum Heurigen gegangen bin. Er war dann der beste Ehemann und liebste Vater. Er wollt halt ein bisserl aufdrehen. Heute bei dem ganzen #MeToo hätte er wahrscheinlich nichts zu mir gesagt. Und ich hätte ihn nicht bemerkt.“

Erschüttert ging ich an diesem Abend ins Bett. Irgendwas ist mir nicht eingefallen, was ich entgegnen hätte sollen. Dem Honorigen, der Bekannten, der Nachbarin. Am nächsten Tag bin ich aufgewacht und wusste, was das war: Wir sind intelligent. Wir können ja etwas anderes sagen. Und aus.

 

 

Fotos – Header: (c) Pamela Russmann