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„Mich kriegen die nicht klein“ – Grün-Politikerin Sigrid Maurer im großen WIENER-Interview

Österreichs Boulevardzeitungen mögen sie nicht, ihr ist es wurscht. Die Grün-Politikerin Sigrid Maurer hat gelernt zu kämpfen und duckt sich nicht weg: Weder am Gehsteig, wo ihr Männer den Weg verstellen, noch im Internet, wo sie mit Hasspostings zugeschüttet wird. Beim sehr unterhaltsamen Nachmittagstalk im Café Weidinger beweist sie, dass neben Kampfeslust auch Witz und Humor zu ihren Stärken gehören.

Datum: 14. Juni 2018 / Ort: Wien-Ottakring
Interview: Manfred Rebhandl / Fotos: Maximilian Lottmann

Frau Maurer, gleich fängt die ­Fußball-WM an, sind Sie Fan?
Nein, überhaupt nicht.

Na geh. Nie ein Match angeschaut?
Also Moment, das allererste und fast einzige Match, dem ich beigewohnt habe, war, als Tirol Meister geworden ist. Alle Fans sind auf den Platz gestürmt, manche hatten Eisensagerl mit und haben das Tor abmontiert. Ich habe mir wie viele andere auch mit dem Feuerzeug einen 1 Quadratmeter großen Fetzen aus dem Tornetz herausgeholt, weil ich mir gedacht habe, das macht man halt so, und hab ihn für meine Mitschülerinnen mitgenommen …

Für Ihre Mitschüler und Mitschülerinnen? Binnen-I?
Nein, nur Mitschülerinnen!

Verstehe.
Da war ich 15 oder 16, das muss irgendwann Mitte der 90er-Jahre gewesen sein, und das Tivoli Stadion sollte danach abgerissen werden. Als es dann doch nicht abgerissen wurde, war das eine riesengroße Geschichte wegen Vandalismus. Meine Eltern haben mich gezwungen, den Tiroler-Tageszeitungs-­Artikel darüber in meiner Geld­tasche mitzuführen, um mich an mein schlechtes Verhalten zu ­erinnern – dass das nämlich ­überhaupt nicht geht, ein Stadion ­aus­einanderzunehmen. Der ganze Platz ­hatte überall Löcher, die ­haben alles mitgenommen.

Wer war der Gegner?
Keine Ahnung! Wacker ist Meister geworden, das weiß ich. Aber was das bedeutet hat, gegen wen die ­gespielt haben – null Ahnung. ­Irgendjemand aus der Klasse hatte halt Karten für dieses Spiel gehabt, und ich bin mitgegangen.

Wahrscheinlich waren Sie verliebt in den Irgendjemand?
Na, überhaupt nicht, wir waren da mit unserer Mädchenklasse! Ich glaube, ab der fünften Minute war ich komplett nass, mit Bier voll­geschüttet …

Wer in Sigi Maurer eine verbiesterte und humorlose Aktivistin sieht, liegt völlig falsch: Nicht nur als sie mit Wiener-­Autor Manfred Rebhandl über die Macken der Boulevardjournalisten redete, zerkugelten sie sich vor Lachen. Auch über klischeehafte Schwierigkeiten im Mann-Frau-Verhältnis kann sie herzlich lachen. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Apropos Bier, apropos Männer … da war doch was. „Giesinger ­Lemon Triple“ oder „Naked“ – ­sagen Ihnen diese Begriffe etwas?
Na.

Das sind Craft-Beer-Sorten.
Ah, okay.

Richtig beschäftigt haben Sie sich scheinbar nicht mit dem Thema. Das ist enttäuschend für eine Grüne aus dem 7. Bezirk.
Ich trinke gerne Craft Beer, aber ich bin definitiv keine Fetischistin, die alle Namen auswendig kennt.

Es gehört zum Lifestyle im 7. Bezirk?
Eigentlich trinke ich lieber weißen Spritzer.

Der Mann und das Bier, gehört das irgendwie zusammen?
Was ist denn das für eine blöde Frage? Die Frau und das Bier ­ge­hören dann nicht zusammen?

Sagen Sie es mir.
Es gibt genug Statistiken zum ­Bierkonsum und natürlich sind da massenhaft Frauen darunter. Das ist definitiv kein Geschlechtsmerkmal, ob man Bier trinkt.

Für den klassischen Gösser-Trinker hier in der Vorstadt ist Craft Beer vielleicht der definitive Beweis dafür, dass alles in die falsche Richtung läuft, können Sie das verstehen?
Nein, wieso? Craft Beer heißt ja nur, dass das Bier aus einer kleinen, ­unabhängigen Brauerei kommt. Das kann man bei der extremen Konzentration der Bierproduktion auf einige wenige Konzerne nur begrüßen.

Das wäre der wirtschaftliche Aspekt. Aber sie geben auch Geschmacksnoten wie Wacholder, Nuss oder was weiß ich was dazu. Ich meine also mit dem klassischen Gösser-Trinker den abgehängten, weißen Mann. Den Problemboy, der in Amerika Trump gewählt hat.
Der trinkt dann aber sicher kein Gösser, der trinkt Budweiser.

„Porno ist ja nicht etwas an sich Verur­teilenswertes. Vielleicht ­sollte es staatliche Auf­klärungspornos geben.“

Na gut, wir werden schon noch ein Thema finden, wo wir uns auf gemeinsamem Terrain bewegen. Wollen Sie darüber eigentlich noch reden?
(lacht) Über Bier?

Nein! Über den Craft-Beer-Menschen, der – wie sagen wir das jetzt? – einen Computer in seinem Lokal stehen hat, von dem aus Ihnen diese unfassbare FB-Nachricht geschickt wurde (Anm. d. Red.: „Hallo du bist heute bei mir beim Geschäft vorbeigegangen und hast auf meinen Schwanz geguckt als wolltest du ihn essen. Bitte wenn du nächstes Mal vorbeikommst darfst ihn ohne Wort in ­deinen Mund nehmen und ihm (sic!) bis zum letzten Tropfen aussaugen, zahle auch 3 Euro mehr wenn du nix verschwendest!!! Dein fetter Arsch turned mich ab, aber da du prominent bist, ficke ich dich gerne in deinen fetten Arsch, dass dir einer abgeht du kleine dreckige bitch!!!“) Wie ist es, vorbeizugehen an einer Gruppe von Männern, die sich vor einem Craft-Beer-Lokal breitmacht?
Ich bin grundsätzlich keine ängstliche Person, darum weiche ich auch nicht aus. Der Gehsteig gehört allen, und deswegen gehe ich durch so eine Gruppe auch durch, da können sie herummackern, so viel sie wollen.

Tun sie das?
Ja. Als Frau merkt man das, glaube ich, stärker als ein Mann. Es ist ja in einer Großstadt im Verkehr ­immer ein unterbewusster Aushandlungsprozess, wer weicht aus, wer geht geradeaus. Das wären halt normale Alltagssituationen, dass man, wenn man auf einem Gehsteig steht, schaut, dass PassantInnen auch vorbeikommen. Und das sind halt Leute, die immer besonders spät Platz machen.

Da steckt mehr dahinter?
Es ist schon ein Mackergehabe. Aber es ist vor allem unsolidarisch.

Ach, kommen Sie, es ist ausschließlich Mackergehabe.
Es ist natürlich auffällig, dass sich mehrheitlich Männer so verhalten. Das ist das Gleiche mit den Typen, die in der U-Bahn eineinhalb Sitzplätze brauchen, weil sie unnötigerweise breitbeinig dasitzen. Das ist die Selbstverständlichkeit, mit der sich bestimmte Männer öffentlichen Raum nehmen.

Ist das auch Natur des Mannes?
Nein, das glaube ich nicht.

Ich glaube schon.
Nein! Was soll daran „die Natur“ sein? Das ist eine Frage von Sozialisation und wie sich Menschen verhalten im Umgang miteinander. Das ist gesellschaftlich geformt und nicht von der Natur bestimmt.

 

Sigrid Maurer braucht eigentlich keine Mauer, an die sie sich anlehnen kann. Sie steht aufrecht im Wind, auch wenn es stürmisch wird. Foto: (c) Maximilian Lottmann

Gibt es für Sie eine Wertung in diesem Posting: „der fette Arsch“ tut mehr weh als „bis zum letzten Tropfen“?
Grundsätzlich tut das alles nicht weh, das ist mir vollkommen wurscht, ich habe nie Angst gehabt. Ich bin das gewohnt seit fast zehn Jahren, seit 2009 der erste Artikel über mich im Standard erschienen ist. Gut, früher waren vielleicht nicht so viele Vergewaltigungsdrohungen dabei, aber halt klassische Beschimpfungen von Standard-Postern wie: „Sie mit Ihrem Gucci- Schal!“ (der vom 1-Euro-Shop war). In der Beschreibung von Gewalt- und Machtfantasien hat sich eindeutig etwas gedreht seit Beginn der Flüchtlingskrise, das häufigste Posting, das ich kriege, lautet: „Du sollst von 20 Afghanen vergewaltigt werden!“ Absurderweise, und das finde ich lustig, ist das zweithäufigste: „Du schaust ja gar nicht aus wie eine Frau!“ Das scheint viele zu beschäftigen, dass ich im Jahr 2018 eine Kurzhaarfrisur trage. Man merkt dann richtig, wie sich manche denken, es würde mich extrem hart treffen, wenn sie schreiben: „Wer ist überhaupt dieser Bub?“

Sind die Standard-Poster die schlimmsten?
Nein, die Krone ist viel schlimmer. Nachdem ich meinen Hasspostern den Stinkefinger gezeigt habe, ­wurde ich erst recht geflutet mit Hass­nachrichten. Mein Posting wurde in einer Riesenkampagne von Krone und ­Österreich als Abschied von mir an die WählerInnen umgedeutet.

Was stört die so an Ihnen?
Dass ich mich nicht wie das klassische Opfer verhalte, das würden sie erwarten: Ich bedränge dich, ich bedrohe dich, ich beschimpfe dich für deine unweibliche Pose des Stinkefingers, und dann erwarte ich von dir, dass du dich in die Ecke verkriechst und dort bitterlich weinst. Natürlich wird einem kurz anders, wenn die Krone dich auf der Titelseite bringt: „Stinkefinger-Grüne will fürs Nichtstun kassieren!“ (lacht sich schief) Aber die kriegen mich nicht klein.

Die Herren dort wissen vielleicht nicht recht, wie Sie mit Ihnen umgehen sollen? Klassische männliche Verunsicherung.
Ich bin goschert, ich hab kurze Haare, ich bin standfest. Das entspricht alles nicht deren klischeehafter Erwartung an eine Frau.

„Stinkefinger-Grüne“ hat auch ein bisschen Spaß daran?
Na ja, Spaß … Die Stinkefinger-­Grüne-Artikel haben Strache und Felix Baumgartner geteilt und dann habe ich mein Handy abdrehen müssen, weil das quasi explodiert ist. Zwei Millionen FB-Nutzer, das ist die Reichweite, die Strache und Baumgartner gemeinsam haben, das ist kein Spaß.

„Dass der Verfasser ein erbärmliches Würstchen ist, ist klar. Aber es geht hier nicht um Sex, Sex ist Spaß. Hier geht es um Gewalt.“

Der Baumgartner ist aber schon ein lustiger Typ, oder?
Also im WIENER kommt der sicher total gut an.

Weil er nicht nur gut ­ausschaut, sondern auch hoch­intelligent ist.
Intellektuell ist das Wort, das Sie benutzen wollten. Aber im Ernst: Es muss einem doch auch ein ­bisserl peinlich sein, wenn man so klischeehafte Vorstellungen von der Welt hat.

Wie ich?
(lacht) Auch!

Wenn der Österreicher nicht gerade Weltkriege anführt, lebt er nach dem Motto: Beim Reden kommen die Leut’ z’amm. Auch Ihnen wurde vorgeschlagen, dass Sie mit dem Craft-Beer-Typen reden sollten.
Dass ich jetzt quasi seinen Läuterungsprozess moderieren soll, ja. Aber das ist eine absolut perverse Vorstellung, dass ich mich freiwillig und womöglich noch alleine in ein Lokal begebe, wo mich jemand sexuell belästigt und mir mit ­Vergewaltigung droht.

 

Das Posting spricht die Sprache des Pornos, suggeriert dadurch eine Stärke und Potenz, die der Verfasser in realo womöglich vermissen lässt.
Dass der Verfasser ein erbärmliches Würstchen ist, das ist ja eh klar. Aber man darf nicht vergessen, es geht hier nicht um Sex, Sex ist Spaß. Hier geht es um Gewalt, um Erniedrigung, um Demütigung, um Beleidigung, um eine Macht­demonstration.

Wie stehen Sie zu Pornos? Meist kniet am Ende die Frau und wird angespritzt.
Nur weil im Porno wie überall sonst auch alles vom Patriarchat und den damit einhergehenden Machtfanta­sien getrieben wird, ist Porno ja nicht etwas an sich Verurteilens­wertes. Dass 90 Prozent absoluter Schrott sind, ist eine andere Geschichte, und gerade bei Jugend­lichen finde ich es problematisch: Die Mädchen lernen Unterwerfungs­gesten, die Burschen haben einen irren Druck, „performen“ zu müssen. Vielleicht sollte es staatliche Aufklärungspornos geben …

Eine eigene, in die ÖIAG einge­gliederte staatliche Pornofilm­produktionsfirma? Vielleicht ein ­eigenes Pornoministerium?
Das wird es unter dieser Regierung wohl eher nicht spielen …

Heute wird die Fußball-WM im sehr problematischen Gastgeberland Russland mit dem Spiel ­Russland vs. Saudi-Arabien eröffnen, zwei Länder mit einem ebenso ­problematischen wie lächerlichen Männerbild: Der breitbeinige, starke Mann mit nacktem Oberkörper, der so etwas wie Menschen- oder Minderheitenrechte nicht sehr schätzt. Wie können wir, was wir uns in 200 Jahren Aufklärung erarbeitet haben, verteidigen, ohne dabei so belehrend und besserwisserisch ­rüberzukommen wie die Grünen?
Ich glaube, das hat ganz stark mit einer grundsätzlichen ökonomischen Unsicherheit zu tun, mit dem ­Gefühl, „unsere Kinder werden es nicht mehr besser haben“. Natürlich ­haben wir gerade einen starken Backlash – wenig verwunderlich mit einer rechten Mehrheit im Land –, aber gleichzeitig merke ich z. B. in meiner aktuellen Causa eine sehr große Solidarität auch von Männern, und die Zahl der Menschen, die da jetzt noch nachschießen gegen mich oder den Craft-Beer-Typen ­unterstützen, ist vergleichsweise ­gering. Ich sehe jetzt also nicht, dass alle Errungenschaften der letzten Jahrzehnte am Ende wären.

Haben die grünen Warmduscher mit ihren Wollpullovern auch ein wenig dazu beigetragen, dass man unser liberales, diskussionsfreudiges ­System hinterfragt und wieder ­einfache Lösungen möchte?
Ehrlich gesagt, das sind einfach komplett blödsinnige Kategorien: Warmduscher gegen Starker Mann.

Na gut, dann reden wir halt über einen Ihrer Spezialfreunde. Wenn Sie das Wort Sexist umschreiben müssten, würden Sie „Peter Pilz“ sagen?
Ich bedaure das Ausscheiden von Peter Pilz bei den Grünen aus vielerlei verschiedenen Gründen nicht. Er ist im Gegenteil auf sehr vielen verschiedenen Ebenen ein gutes Beispiel für jemanden, der glaubt, mit allem durchzukommen, sei es mit sexueller Belästigung, sei es mit behaupteten Riesenstorys über den erneut größten Skandal der Zweiten Republik …

Eurofighter?
Wurscht! Der Peter hat alle zwei Wochen den größten Korruptionsskandal der Zweiten Republik ­verkündet, und zwei Stunden ­später war allen klar, da ist nichts. Der hat ein völlig übersteuertes, narzisstisches Ego, das dann auch in komplette Zerstörungswut verfällt, wie wir ja jetzt gerade mit seiner neuen ­Liste Pilz beobachten können. Stronach war da harmlos dagegen.

Schon Grönemeyer fragte: Wann ist ein Mann ein Mann?
Wenn er so sein kann, wie er sein will. Genauso wie jeder andere Mensch. Aber ein Mann ist in dieser Gesellschaft auch mit einem Haufen Privilegien ausgestattet, die ihn, wenn wir sie ihm runterräumen …

… ziemlich nackt dastehen lassen?
Nein, nicht nackt. Nur mit den gleichen Möglichkeiten wie jeder andere auch. Allerdings verstehe ich Ihr dringendes Bedürfnis nicht, definieren zu wollen, was männlich sein soll, haben Sie da ein Problem?

„Grundsätzlich tut das alles nicht weh, das ist mir vollkommen wurscht, ich habe nie Angst gehabt. Gut, früher waren weniger Vergewaltigungsdrohungen dabei. “

Weiß nicht. Anderes Thema: ­Studieren war nicht Ihre Stärke?
Was soll das jetzt heißen? Ich habe mein Soziologiestudium abgeschlossen und mache gerade meinen Master. Ich bin seit meinem 16. Lebensjahr erwerbstätig und habe mit Arbeit mein Studium finanziert. Das unterscheidet mich zum ­Beispiel vom Herrn Kanzler.

Wie hat es der gemacht?
Gehackelt hat er während seines Studiums jedenfalls nichts, und ­abgeschlossen hat er bekanntlich auch nicht …

Wie gefällt Ihnen der neue Kanzler?
Na, das ist der Orban-Verschnitt schlechthin.

Und als Mann?
Was? Sie wollen mir jetzt hoffentlich nicht erzählen, die ­Leser Ihrer Zeitschrift seien so blöd, dass es sie interessiert, wer mir gefällt? Ist der WIENER nicht ein qualitativ hochwertiges Männermagazin?

Ja, schon. Aber mit Qualität alleine kommt man auch nicht immer sehr weit, wie man exemplarisch an den Grünen sieht.
Ich bin hier, um ein politisches ­Interview zu führen, da finde ich es ehrlich gesagt völlig lächerlich, mich zu fragen, wie mir der Kurz gefällt.

Na gut, dann reden wir über ­Männer und Geld …
… Entschuldigung, jetzt wird es richtig absurd: Männer und Geld. Männer und Bier. Männer und was weiß ich. Haben Sie mich schon ­gefragt: Männer und Pflanzen? ­Männer und Pferde? Fällt Ihnen nichts anderes ein? Ich sehe Männer scheinbar ein wenig differenzierter als Sie.

Sie leben auch im 7. Bezirk und ich im 15. Hier leben andere Männer.
Also, ich komme aus dem Stubaital. Und ich war lange genug in der Politik, um eine Ahnung von Männern zu haben. Ich weiß nicht, was Sie sich von mir erwarten?

Eine Antwort auf die Frage, ob Ihnen der neue Kanzler gefällt.
Oh mein Gott.

Was könnte die Frau tun, damit „der Mann“ sich ändert?
Also ich finde wirklich nicht, dass das auch noch unser Job ist. Was sollen wir denn noch alles machen?

Vielleicht könnt ihr uns die Angst vor euch nehmen?
Ja, eh. Aber ich wehre mich immer noch gegen Ihre Vorstellung, dass es da so klare Trennungen gibt. Maggie Thatcher war die Weg­bereiterin des Neoliberalismus schlechthin …

Eine unfassbar widerliche Figur.
Ja, eine Frau!

Ja. Aber sehr männlich!
Vielleicht sollten Sie Ihr Männlichkeitsbild mal in einer Therapie ­aufarbeiten?

Na gut, dann andere Frage: Wie sind Frauen?
Geprägt von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und davon, wie sie erzogen werden, so wie die Männer auch. Beobachten Sie mal auf einem Spielplatz die Väter, wie sie den kleinen Mädchen nach­laufen, weil die ja irgendwo runterfallen könnten. Bei den Buben, die gleich alt sind, ist das völlig wurscht. Das sind Dinge, die prägen. Wenn Männer von klein auf dazu erzogen werden, zu glauben, sie sind immer gemeint, weil es das generische Maskulinum gibt, dann prägt das.

Sie meinen jetzt: „Gehen wir zum Bäcker“?
Ich meine: „Alle Schüler gehen jetzt auf die Wiese“. Muss man sich als Schülerin schon fragen: Bin ich auch gemeint?

Jetzt sind wir beim Sargnagel der Grünen, beim Binnen-I.
Sie können eh wieder sagen, das sei völliger Bullshit, aber ich gebe Antworten auf Ihre Fragen. Das sind Sichtbarkeitsfragen. Die Unsicht­barmachung der Frauen durch ­Verschleierung ist bei Männern ein ganz großes Thema, aber in der Sprache ist ihnen das völlig egal oder sie behaupten, das mache keinen ­Unterschied. Wenn ich von Krankenschwestern rede, kommt auch in I­hrem Denken sicher kein Mann vor. Für die Männer hat man einfach ­einen eigenen Begriff erfunden …

Krankenbrüder?
Nein, Krankenpfleger! In dem Moment, wo Männer in einen Beruf eintreten, gibt es immer einen ­eigenen Begriff dafür: Putzfrau – Putzkraft. Umgekehrt aber nicht.

Wie wichtig wäre Witz im Umgang der Geschlechter?
Humor ist superwichtig. Aber das, was Männer oft unter Witz ver­stehen, hat mit Humor natürlich überhaupt nichts zu tun.

Sie meinen jetzt den klassischen Männerwitz?
Ja, der ist doch nicht lustig!

Aber warum nicht?
Weil er nur auf Abwertung aus ist. Statt mit Klischees zu spielen und sie zu brechen, verstärkt er sie!

Und der Villacher Fasching?
Der ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Einschwörung der Bevölkerung auf rassistische und sexistische ­Vorurteile funktioniert. Ich bin mir sicher, wenn man den analysieren würde im Verlauf der letzten Jahrzehnte, dass es da einen eindeutigen Backlash gibt. Das ist kein Humor, das ist Verhetzung.

Es geht aber witzemäßig auch ­vo­ran. Mein liebster Kabarettist/meine liebste Kabarettistin in ­Österreich z.B. ist eine Frau.
Sehr witzig. „Liebste Kabarettistin“ hätte schon gereicht, aber gut: Wer?

Lisa Eckhart.
Kenn ich nicht.

Also die hat eine Goschn. Und die ist unglaublich gescheit. Und extrem gut ausschaun tut sie obendrein auch.
Das ist jetzt besonders wichtig, dass sie extrem gut ausschaut, weil sonst wäre sie ja nicht lustig, oder?

Na ja.
Die ganzen männlichen Kabaret­tisten in Österreich sind übrigens auch die reinen Schönheiten, darf ich Ihnen verraten.

Schon, oder?
Ausnahmslos alle.

Tut fast weh, wie gut die ausschaun?
Genau!

Ich wollte Sie provozieren. Habe ich Sie eigentlich schon gefragt, ob Ihnen der neue Kanzler gefällt?
Oh mein Gott.

Na gut, machen wir halt ein paar Fotos. Wir haben uns gedacht: eines von Ihnen mit Bier?
Super Idee! Wirklich super Idee!

 

Sigrid Maurer
studierte Musikwissenschaften und Politikwissenschaft an der Uni Innsbruck, es folgte ein Bachelorabschluss im Fach Soziologie in Wien. Ab 2005 engagierte sie sich in der Österreichischen Hochschülerschaft, zwei Jahre lang war sie deren Vorsitzende. Von dort kam sie zu den Grünen, für die sie ab 2013 bis zu deren Ausscheiden im Jahr 2017 im Parlament saß. Maurer ist immer wieder Ziel von Angriffen und Gewaltandrohungen im Internet, an ihre „Hater“ richtete sie letztes Jahr einen Stinkefinger. Vor einigen Wochen wurde ihr von einem Computer, der in einem Craft-Beer-Lokal im 8. Bezirk steht, ein FB-Posting geschickt, in dem ihr sexuelle Gewalt angedroht wurde, sie machte es öffentlich. Der Craft-Beer-­Lokalbesitzer bestreitet, das Posting selbst verfasst zu haben, und verklagte Maurer auf Kreditschädigung.