Stermann: Angstsuppe

WIENER-Kolumnist Dirk Stermann über Albträume, die ihn an der Dichtheit seines Körpers zweifeln ließen

Mein Bett tropfte. Schweißgebadet wachte ich auf. Ich schwamm in meiner Angstsuppe. Albträume sind ein Albtraum für mich. Es kann keinen Gott geben, wenn man solche Dinge träumt, dachte ich und trat noch vor dem Frühstück aus der Kirche aus. Ich gurgelte beim Zähneputzen ein letztes Mal mit Weihwasser, das ich aus Lourdes gemopst hatte und spuckte die Zahnpasta ins Taufbecken, das ich am Jordan geklaut hab‘, wo Jesus von Johannes dem Täufer so nass gemacht worden war, wie ich nach dem Aufwachen war. Angst is not a Weltanschauung, aber sie wirkt. Deshalb schüttete der Körper kübelweise Schweiß aus. Ganz dicht ist mein Körper auch nicht, bemerkte ich und zog mich an, damit ich meinen Körper nicht mehr sehen musste.

Ich hatte am Vorabend steirischen Käse gegessen und mich vorm Einschlafen mehrmals übergeben. Wenn ich mich richtig erinnere, etwa 45 Mal. Aus meinen Ohren kamen leise Geräusche, wie das verzweifelte Schnarchen eines sterbenden Asthmatikers. Das machte mich müde und ich kuschelte mich unter meine Decke aus glücklichen, grünwählenden Hühnerfedern. Fair Trade, no na. Die Hühner kriegen pro Feder 5 Euro.

Ich erinnere mich, kurz bevor ich einschlief, sah ich ein Foto von Josef Pröll, der neben Nina Proll stand, vielleicht war es auch umgekehrt. Ich schloss die Augen mithilfe eines Augenschließers, den ich am Naschmarkt günstig von illegalen Inländern gekauft hatte. Der Käse gärte in mir, die Bakterienkulturen verbreiteten sich in meinem Körper wie Schlamm. Mir war schnell klar: diese Nacht wird unangenehm wie ein Zungenkuss mit Baumeister Richard Lugner. Wegen dieser Erkenntnis wahrscheinlich träumte ich, ich säße kerzengerade vorm Fernseher und sähe „Chili“, was wir im ORF ja intern nur noch „Mitten im Vierten“ nennen. Zwei nicht unbekannte ORF-Größen wurden an den Nasenhaaren zusammengebunden und ich dachte noch: hübsche Idee. Dann aber zwang mich Jan Demner von Demner & Merlicek, Werbetexter zu werden. Ihm hatte nämlich, im Traum, mein Slogan: „Toyota – nichts ist unmöglich, außer bremsen“ so gut gefallen. Für den neuen Werbekunden, ein Jesuiteninternat in Deutschland, sollte ich von Direct Mailing bis Corporate Design alles checken. „Das pfeift“, sagte Demner, als er meinen ersten Werbespruch las. „Je Suiter, desto geiler! School of Lust!“ Die Padres wollten mir als Dankeschön ein Wellness-Wochenende zusammen mit ihnen in einer katholischen Herrensauna schenken und obwohl ich ablehnte, sah ich mich im Traum auf einer Geox-Holzbank sitzen, neben nackten Jesuiten.

Vielleicht, fantasierte ich im Traum, wussten sie, dass ich das Taufbecken ihres Chefs ge–klaut hatte und jetzt müsste ich mich nach der Seife bücken und werde anschließend in der Sauna zurückgelassen. Sie sperren ab und drehen die Temperatur auf „Fegefeuer“ hoch. Mir fiel im Traum ein, dass es Wissenschaftlern gelungen war, in einem amerikanischen Teilchenbeschleuniger die höchste Temperatur zu erzeugen, die es jemals gab. 4 Billionen Grad Celsius, 250.000 Mal heißer als im Zentrum der Sonne. Plötzlich begannen die Jesuiten Englisch zu sprechen. Ich schnappte auf „We will send him across the Jordan“. Sie hatten furchtbaren Mundgeruch und Jan Demner erschien in der Saunatür, chic gekleidet und sagte: „Stermann, können Sie Mundgeruch verkulten? Schaffen Sie es, eine Kampagne zu entwerfen, so dass jeder Mensch auf diesem Scheiß-Planeten gerne Mundgeruch haben will?“ Ich schüttelte den Kopf, und er lächelte und schloss die Saunatür. Bis zu 3 Millionen Grad Celsius hielt ich mich ganz gut, dann begann ich zu schreien und wachte davon auf. Und lag in einem Night-Meer of Angst.