Wir verändern die Welt

Im Netzwerk des Guten – wie österreichische Unternehmer ihre soziale Verantwortung entdecken und warum das 21. Jahrhundert zum Zeitalter der Menschlichkeit werden könnte.

Nachdem Martin Essl mehrere Nächte schlecht geschlafen hatte, beschloss er eines Morgens dem Tod nicht länger das Feld zu überlassen. Ein verzweifelter Hilferuf hatte ihn über Umwege erreicht und ihm die Ruhe geraubt: „Wir haben kein Geld, um die Minen wegzuräumen!“, klagten die Bewohner von Karlovac. Fünf Jahre später war die kroatische Stadt frei von den versteckten, lebensbedrohenden Relikten des langen, blutigen Balkankrieges. Was in dieser Zeit geschehen war, umschreibt der bauMax-Chef so: „Wir haben mit Hilfe vieler Freunde und Geschäftspartner von bauMax, internationaler Hilfsfonds und durch die Einbeziehung der Politik eine Hebelwirkung erzielt …“

Martin Essl sitzt in seinem Büro in der bauMax-Zentrale in Klosterneuburg. Seine Sätze formuliert er mit Bedacht, zurückgelehnt, mit offenem Blick. Der vierfache Familienvater erzählt, dass er jeden Tag um fünf Uhr früh aufsteht, um in der Bibel zu lesen; und er sagt, dass ihm seine persönliche Beziehung zu Gott wichtig ist. Weil Gott „mich durchträgt, durch schöne, aber auch durch schwierige Zeiten“. Wenn Essl über Gott spricht, lässt die Klarheit seiner Aussagen keinen Spielraum für Interpretationen. Wenn er über „die Einbeziehung der Politik spricht“, klingen manche seiner Sätze so, als hätte er zuvor im Handbuch für fortgeschrittene Diplomatie nachgeschlagen.

Was in Kroatien tatsächlich passiert ist, will Essl im Detail nicht erzählt wissen. Diese Geschichte handelt von martialisch auftretenden Geschäftsleuten; seltsamen Gestalten, für die mit der Krise in Karlovac Goldgräberzeiten angebrochen schienen, und einer sehr, sehr intensiven Beschäftigung mit dem Thema Entminung. Denn: „Nach dem ersten Fund Raising-Event mussten wir feststellen, dass die bisherigen Entminungsaktivitäten unprofessionell und überteuert umgesetzt wurden“, sagt Essl. Tatsächlich spricht der bauMax-Chef über Kroatien nur, weil er erklären will, wodurch eine der einschneidendsten Änderungen seines Lebens ausgelöst wurde. Kroatien war der Anlassfall für einen Beschluss, den Essl ganz und gar undiplomatisch formuliert: „Meine Frau und ich haben vor fünf Jahren die Entscheidung getroffen, einen wesentlichen Teil unseres bisher erarbeiteten Vermögens der Gesellschaft zurückzugeben.“

Das Prinzip Empathie
Warum aber, und diese Frage ist bisher nicht beantwortet, kann jemand nicht schlafen, wenn es Menschen, die in einer hunderte Kilometer entfernten, knapp 60.000 Einwohner zählenden Stadt leben, schlecht geht? „Das ist im Prinzip ein normales Verhalten von uns Menschen“, sagt Essl, „nämlich das Prinzip der Nächstenliebe. Mir ist es nicht egal, wenn es anderen nicht gut geht.“ Was Essl als „Prinzip der Nächstenliebe“ beschreibt, scheint – nicht zwingend vom göttlichen Funken erfasst – als „Prinzip Empathie“ zum Trend-Thema des 21. Jahrhunderts zu werden.
In einem WIENER-Interview (Ausgabe 355) sagte der deutsche Rock-Star Herbert Grönemeyer: „Wenn man die Welt als seine Familie betrachtet, dann müssen die, denen es gut geht, für die sorgen, denen es schlecht geht. … Ich denke, wir rücken langsam näher zusammen.“

 

“Glück wird erst erfahrbar, wenn man sich um andere kümmert. Wenn das jeder so verstehen würde, würde es uns besser gehen.”

Felix Thun-Hohenstein