Helnwein:Helnweins neue Heimatliebe

Dies ist die Geschichte einer ganz besonderen Rückkehr. Und sie nimmt ihren Anfang dort, wo alle guten Geschichten made in Austria beginnen: im Kaffeehaus.

Das Café Bräunerhof, in der Wiener Stallburggasse. Hier schlürften schon Hugo von Hoffmannsthal, Alfred Polgar und Thomas Bernhard ihre Melange. Und auch heute noch übt sich in dem abseits vom Touristenstrom gelegenen Kaffeehaus Künstler-Prominenz in Muße. Es ist 10 Uhr vormittags. Ganz hinten im Eck sitzt eine dunkle Gestalt, die so aussieht, als gehöre sie nicht hierher: Ganz in schwarz gekleidet, die kinnlangen Haare mit einem Stirnband gebändigt, die Augen hinter einer getönten Brille, wuchtige Silberringe an fast allen Fingern. Diese Gestalt ist Gottfried Helnwein.

Der Mann, der Österreich verlassen hat, weil ihm hier einfach alles zu eng geworden, weil er vor lauter Hass und Wut keine Luft mehr bekam. Noch heute sagt er: „Was andere von meiner Arbeit oder von mir halten, ist mir wirklich vollkommen egal. Was ich von mir selbst halte, ist mir nicht egal. Ohne Gegenwind könnte ich gar nicht mehr sein. Ich würde in eine Schockstarre verfallen, wenn mich plötzlich alle umarmen würden.“ Knallharte Sätze, die auffällig mit der nahezu sanften Stimme kontrastieren, mit der der einst als „Schockmaler“ zu Weltruhm gelangte Helnwein spricht. Und er überrascht im WIENER-Gespräch mit Bekenntnissen, die eine völlig neue Facette des Künstlers offenbaren. Es scheint, als hätte er seinen Frieden mit der Heimat gemacht. Einer Heimat, die ihm lange verabscheuungswürdig und fremd war.

Geboren als das älteste von vier Kindern, konnte der Rolling Stones Fan mit Österreich nichts anfangen, mit seiner Familie auch nicht. „Ich hab‘ mir schon als Kind gedacht, das ist der falsche Platz, da sollte ich eigentlich gar nicht sein. Die Leute waren mir alle fremd, auch meine Eltern. Das Lebensziel war Bravsein und nicht auffallen. Das hat mir nicht so direkt entsprochen.“ Vielleicht mit ein Grund, warum der Verächter jeglicher Autoritäten von mehreren Schulen flog, bevor er schließlich vier Jahre die Höhere Graphische Lehr- und Versuchsanstalt besuchte („das war die einzige, wo ich noch aufgenommen werden konnte“) und anschließend die Akademie der Bildenden Künste. Einer seiner früheren Schulkameraden und Leidensgenossen war übrigens Manfred Deix, mit dem er auch nach so vielen Jahren noch eine intensive Freundschaft pflegt. „Wir kommen beide aus derselben miserablen Situation, aus elendstem Hintlerweltlertum. Wir sind zusammen den steinigen Weg aus dieser Spießerhölle gegangen. Das verbindet.“

Als Jugendlicher wollte Helnwein Revolutionsführer werden. Und hat sich geschworen, sobald wie möglich selbst Kinder zu bekommen, um ihnen eine Welt voller Freiheiten bieten zu können. Zwanzig, wie er sich gewünscht hat, sind es zwar nicht, aber immerhin vier. Alles Künstler. Cyril (32) ist Fotograf, Mercedes (29) schreibt, malt und macht Videos, Ali Elvis (27) arbeitet als Komponist und Dirigent und hat 2006 das Traction Avenue Chamher Orchestra in Los Angeles gegründet und Wolfgang Amadeus (22) studiert in Irland und ist Schriftsteller. Gemanagt wird Helnwein von seiner Frau Renate. „Ursprünglich war sie psychatrische Krankenschwester. Das hilft ihr jetzt wahrscheinlich bei dem Zirkus, in dem sie da lebt.“

Info

GOTTFRIED HELNWEIN wurde am 8. Oktober 1948 als Sohn eines Postbeamten in Wien geboren. Er ist der älteste und einzig männliche von ursprünglich vier Geschwistern. Nach seinem Studium an der Höheren Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, sowie der Akademie der Bildenden Künste in Wien ging er für einige Jahre nach Deutschland, bevor er seinen Lebensmittelpunkt nach Irland und Los Angeles verlegte. Er zählt zu den bekanntesten und umstrittensten deutschsprachigen Künstlern und sorgte vor allem durch seine hyperrealistischen Bilder von verwundeten und bandagierten Kindern für Aufregung. Heinwein ist seit 32 Jahren mit Renate (56) verheiratet und hat vier Kinder.