Post von Kaminer

Mit „Russendisko“ wurde der gebürtige Moskauer Wladimir Kaminer ein richtig berühmter Autor. Jetzt schickt er Liebesgrüße aus Deutschland. Und wir freuen uns darüber.

Herr Kaminer betrachtet Deutschland gewissermaßen von außen, also als Ex-Russe, während er tatsächlich innen, nämlich in Berlin, lebt. Daraus ergibt sich eine ganz spezielle Sichtweise, die auch uns Österreichern neue Erkenntnisse über unseren liebsten Nachbarn beschert.

Gleich in der ersten Geschichte „neue Heimat“ erklärt uns Kaminer den „extremen“ Deutschen: „Ihre Leidenschaften bleiben immer Hobbys. Während andere sich an ihren Abenteuern verbrennen, wollen sich die Deutschen eigentlich nur bilden. Deswegen werden hier in den Reisebüros statt erholsamer Sauftouren gerne ,Bildungsreisen‘ angeboten. Die Menschen finden es toll, wenn man im Urlaub nebenbei noch irgendeinen Motorboot-Führerschein bekommen oder Spanisch lernen kann.“

Genau das ist das Schöne an den Geschichten des Wladimir Kaminer. Mit nur wenigen Sätzen schafft er es, etwas so zu beschreiben, dass man unwillkürlich mit dem Kopf nickt und sich wundert, noch nicht selbst darauf gekommen zu sein. Dazu kommt ein ausgesprochen hoher Amüsierfaktor, einem pointiert erzählten Witz nahe. Wie zum Beispiel in der Geschichte „Deutscher Staat“: „Ein Staat ist ein schwieriges Unternehmen. Um ihn gut zu führen, braucht es Erfindungsgeist. Zur Erleichterung der Verwaltung des öffentlichen Lebens erfanden die Amerikaner den Colt und den elektrischen Stuhl, die Russen das Destilliergerät und die Deutschen den Aktenordner.“ Mit einem Witz lassen sich jedoch auch ernste Themen abhandeln (und da meinen wir jetzt nicht die Männerwelt, der sich Kaminer immer wieder gerne widmete), z.B. in „Ausländer in Deutschland“: „Ausländer stellen in Deutschland ein ernstes Problem dar. Sie kommen freiwillig hierher, und viele bleiben ihr ganzes Leben lang. Da kann etwas nicht stimmen, die Einheimischen wittern schlechte Absichten.“ Eine Einstellung, die Kaminer auf mangelndes Selbstbewusstsein zurückführt – und das ist eigentlich eine bittere Pointe.

Leseprobe

“In den neuen Bundesländern, die so potent anfingen, verschwinden Männer schneller als Mücken im Winter. Allein mit der Auswanderung in den Westen, einer niedrigeren Lebenserwartung, Autounfällen und Geschlechtsumwandlungen lässt sich dieses Phänomen nicht erklären. Mein Freund, ein Sozialwissenschaftler, behauptete neulich, schuld daran sei die allgemeine Feminisierung der Gesellschaft, die zurzeit in allen industriell entwickelten Ländern grassiere. Die Männer in diesen Ländern wollen den Frauen alles nachmachen und verlieren dadurch ihre Männlichkeit. Frauen setzen in einer vom Konsum bestimmten Gesellschaft die Trends, weil sie einfach mehr Wünsche als Männer haben. Frauen wollen abnehmen, sie wollen Wellness, Yoga, Antistress-Massagen und Entspannungstherapien, und die Männer tun es ihnen nach. Doch was den einen gesund hält, ist des anderen Tod. Das wussten schon die alten Griechen. Männer sind keine Kaninchen, sie können sich nicht nur von Rucola ernähren und gleichzeitig Mann bleiben. Ein Mann braucht Stress, er braucht Herausforderungen, dann blüht er auf. Wenn er aber anfängt, linksgedrehte Joghurts zu essen, auf seine Figur zu achten und Termine beim Frisör langfristig zu vereinbaren, fällt er automatisch aus der Männerstatistik.”

 

Info

Wladimir Kaminer: Liebesgrüsse aus Deutschland / 18,50 Euro / www.randomhouse.de