Discover Napoli: Am Friedhof der „auffrisierten“ Vespas

Neapels unterirdisches Leben birgt manche Ãœberraschung.

Vermutlich hat es mit dem Lärm und dem Chaos Neapels zu tun, dass man sich hier gerne unter die Stadt zurückgezogen hat. „Bis heute sucht man in den Katakomben bestattete Tote auf und erbittet Vergebung von den Knochen und Totenschädeln“, erklärt Tina Cannon, die mit “Discover Napoli” (www.discovernapolidestinations.com) Themenwanderungen anbietet. Eine echte Parallelwelt entwickelte sich unter der Stadt, die Jahrhunderte lang ein Eigenleben führte. Neben der Krypta, in der Alchimisten-Fürst Raimondo San Severo Leichen konservierte (www.museosansevero.it), gilt der „Tunnel borbonico“ als zweite zugängliche Sehenswürdigkeit des anderen, des unterirdischen Neapels.

Seit drei Jahren betreut ihn der Geologe Gianluca Minin, der den ehemaligen Fluchtweg König Ferdinand II. gepachtet hat. Der König wollte im Falle einer Revolte fliehen können, doch das Herz des zeitweilig ganz vergessenen Stollens erinnert an eine unseligere Zeit. Während des Zweiten Weltkriegs diente der Tunnel als Luftschutzkeller, als späte Rache für den Schrecken, den die Faschisten über die Stadt brachten, lagern die Trümmer ihrer Monumentalstatuen hier. Wenige Schritte trennen hier zwei Welten voneinander: Das Parkhaus in der Via Giovanni Morelli, Außenposten der Großstadt, und den mystisch-stillen Raum im Berginneren, die 35 Meter hohe „Kathedrale“ im unterirdischen Neapel.

Selbst die Zeugnisse der unmenschlichen Geschwindigkeit „oben“ strahlen hier eine friedliche Ruhe aus. Reihenweise flankieren korrodierte Autos, darunter ein Opel Kapitän und jede Menge Vespas („alles auffrisierte Modelle, die die Polizei in den 1970ern beschlagnahmte“) die Gänge in den Berg. Im zweiten Untergeschoss wird es wirklich abenteuerlich, auf einem kleinen Ponton kann man über die Wasserfläche im Berg, einen ehemaligen Eisenbahntunnel entlang, schippern. Vor allem da aus dem Jahr 600 n. Chr. Stammende Viadukt lässt sich so hautnah erleben – klaustrophobisch darf man nur nicht sein.

Und auch kulturell ließ sich Minins Verein etwas einfallen für das Juwel im Berg: Dort, wo früher Zisternenwächter unter Einsatz ihres Lebens die Wasserbecken reinigten, spielt man heute auch Mozartkonzerte für 150 Zuhörer, schwärmt Minin und lacht auf: „Ich bin ein Verrückter“. Der allerdings einen echten Zufluchtsort aus der lärmenden Stadt am Vesuv geschaffen hat.

Info: Der bequemere Tunneleingang erfolgt über die Parkgarage in der Via Domenico Morelli, geöffnet ist FR, SA und SO ab 10 Uhr, www.tunnelborbonico.it.