5/8erl in Ehr’n: “Wir appellieren an die Mündigkeit”.

5/8erl in Ehr’n-Sänger Bobby Slivovsky im Gespräch über künstlerische Autonomie, Wienerlied, Gastspiele in Kairo und vieles mehr.

Frei (und augenzwinkernd) nach Bobby Slivovksy: begonnen hat alles mit einer Affinität zur österreichischen Hochkultur unter Peter Alexander. 2006 hob man 5/8erl in Ehr’n aus der Taufe, eine wilde, im Dialekt gesungene Liedmelange – angeführt von der Doppelconference der beiden Sänger Max Gaier und Bobby Slivovsky. Jahre kontinuierlichen Livespielens, großartige Songs wie „Siasse Tschick“ oder „Leben wie Qualtinger, Sterben wie Heller“ und eine autonome, um nicht zu sagen DIY-Arbeitsethik, haben sich bezahlt gemacht: 2013 sind 5/8erl in Ehr’n, mittlerweile zweifach in der etwas schwammigen Kategorie „Jazz/World/Blues“ mit dem Amadeus ausgezeichnet, eine erfolgreiche, live höchst aktive Band, um die man nicht herumkommt. Im Interview mit dem Wiener Online erzählt Bobby Slivovsky unter anderem über die Entstehungsgeschichte und Aufbauarbeit der Band und warum es besser ist, alle Fäden in der eigenen Hand zu behalten.

Wiener Online: In den letzten Jahren kam ja vermehrt die etwas diffuse Bezeichnung „Modernes Wienerlied“ auf. Kannst du damit was anfangen?

Bobby Slivovsky: Wenn ein Wienerlied ein solches ist, weil von Leuten kommt, die in Wien Musik machen – dann lasse ich das so im Raum stehen. Aber rein harmonisch haben wir mit dem Wienerlied genau so wenig zu tun wie Österreich mit dem Fußballweltmeistertitel. Wenn wir sagen würden, wir machen Wienerlied: der Roland Neuwirth beispielsweise, der würde uns auslachen. Modernes Wienerlied, ich weiß nicht. Ich würde es eher darauf runterbrechen, dass es für die Leute einfach nur Musik aus Wien bedeutet. Ich lebe in Wien, ich schreibe in Wien und ich spiegle ja auch die Gesellschaft wieder, wenn ich Nummern schreibe – und das ganze passiert ja auch in Wien. Aber wie gesagt, rein harmonisch sind wir vom Wienerlied ganz weit weg: wir machen Popmusik, Soulmusik, wir machen die Musik die wir eben gerne machen – und inspiriert sind wir natürlich auch wie jeder von verschiedenen Sachen, bei uns war das eben Peter Alexander und Stevie Wonder, da ist einfach eine größere Brücke da. Vielleicht werden wir in hundert Jahren Wienerlied sein, das könnte ich mir noch am ehesten vorstellen.

Man bezeichnet euch ja gern als „Wiener Soul“.

Irgendwer meinte einmal, wir hätten das erfunden, und das ist natürlich eine nette Ansage. Vielleicht trifft es den Nagel eh auf den Kopf, aber ohne Genre-Denken geht es in der medialen Landschaft wohl nicht. Ich glaube nicht, dass eine Band darüber nachdenkt, in welches Genre sie passt. Wenn wir auf einer World Music Bühne stehen glaube ich funktioniert das ebenso. Genredenken: das machen eh die anderen, du selbst kannst dir das nicht aussuchen. Das wird fremdbestimmt. Ich würde eben sagen: Wiener Soul. Gibt es diese Musikrichtung? Ich würde sagen ja. Wieviele gibt es, die das machen? Vielleicht irgendwann mal auch eine zweite Band (lacht).

Erzähl ein wenig zur Entstehung von 5/8erl in Ehr’n.

Die Idee war in erster Linie von Max . Er hatte den Gedanken, eine unkonventionelle Band zu machen, die sowohl bei Heurigen als auch in einem normalen Konzertsaal spielen kann. Das Vorbild war da schon Peter Alexander, der singende Kellner: es sollte mobil bleiben. Beim ersten Album „Es Muss Was Wunderbares Sein“, das nicht so viele Leute kennen und das auch vergriffen ist, waren auch ein paar Operettenlieder drauf, zum Beispiel auch „Was kann der Slivovitz (Sigismund) dafür. Es war in den Anfängen schon eine Anlehnung an die Operettenecke – dann lernten wir uns als Band besser kennen, und wir sind eben 5/8erl und nicht nur „Zwei Sänger & Friends“.

Und dann hat sich das in Richtung Band entwickelt?

Hanibal und Max haben miteinander studiert, Hanibal kenne ich schon seit der Schule, seit gut 17 Jahren. Dann sind wir über Max’ Klavierlehrer auf Miki Liebermann gekommen, es hat sich eben so gefunden. Die Ausnahme an unserer Band ist, dass wir auch miteinander in den Urlaub fahren, wir eine Familie sind  – was auch nicht immer einfach ist. Aber es stehen alle dahinter, und alle entwickeln sich weiter. Nächsten Herbst wird es wohl das neue Album geben und ich kann dirnoch überhaupt nicht sagen, wohin das gehen wird. Es ist von 2006 bis jetzt einfach irrsinnig viel passiert.

Ihr gebt ja im ganzen Prozess nichts aus der Hand, vom Label bis zum Booking.

Das stimmt, von Anfang an. Es kamen schon Leute vorbei, die fragen ob man nicht unterschreiben will – aber ich muss jedem einfach raten, macht alles selbst. Wenn du davon leben willst, mach einfach alles selber: der CD-Verkauf ist bei dir, du erspielst das. Du hast völlig freie Hand, und das Publikum mag das, es honoriert das ja auch.Ich könnte nicht davon leben, wenn ich bei einem Majorlabel wäre.

Das bedeutet naturgemäß auch eine lange Aufbauarbeit.

Man muss einfach zäh bleiben, wie rohes Fleisch. Ein Tischler, der beschließt, eine eigene Firma zu machen, wird auch einige Jahre brauchen, bis er ein hochwertiges Produkt hat und das an den Mann bringt. Wenn man im Leben etwas machen will, das man auch machen muss, dann muss man eben beständig bleiben. Natürlich geht es mal bergauf und dann wieder bergab, aber es fällt dann ja nicht mehr auf Null runter, du bist dann ja kein One-Hit-Wonder, kein kurzer Hype.

Ihr tourt ja kontinuierlich.

Ja, wir touren sehr kontinuierlich. 80 Konzerte im Jahr, das ist schon eine Menge, mittlerweile auch im Ausland. Nächsten April spielen wir beispielsweise im Miami, da hat jemand angefragt. Das Kulturforum macht’s möglich.

Wie war die Erfahrung, in Kairo zu spielen?

Geil. Es war ein Festival, wo Bands aus verschiedenen Ländern spielten. Das Interessante war: wir leben natürlich schon auch wenig von unseren Conferencen, und die Leute dort haben kein Wort verstanden. Never ever gibt’s da die Chance, dass jemand den Text versteht – und so wird das dann plötzlich zur Musik, die Bilder malt – Klangmalerei. Weltmusik will ich nicht sagen, das macht vielleicht der Hubert von Goisern. Aber die Leute waren begeistert, sind total abgegangen. Wir haben vorher  jemanden gefragt, was „Schneid die Melone an“ auf Arabisch heißt, und ich schwöre dir: alle haben mitgesungen, soviele Stimmen habe ich noch nie gehabt auf einem Festival. Die Leute haben sich über die paar Worte gefreut, und haben die Musik eben als Musik gesehen. Das ist ein sehr nettes Kompliment, wenn Leuten die Musik gefällt, die kein Wort verstehen.

Aus welchen musikalischen Ecken kommt ihr?

Wir haben alle Jazz studiert. Clemens   macht ja auch die Jazzwerkstatt, hat sie mitbegründet. Hanibal, mit seinem Vater , der hat auch wohl schon immer Musik gemacht… unsere Gitarristin Miki Liebermann war beim Ostbahn Kurti, damals unter dem Namen Lilli Marschall. Ich war bei den Sängerknaben, habe eine klassische Ausbildung und habe dann auch Jazz studiert. Am Konservatorium haben wir uns dann alle getroffen.

Würdest du mir recht geben, wenn ich sage, dass ihr euch eure eigene Nische erschaffen habt?

Vermutlich, ja. In Wahrheit machen wir einfach nur das, was wir gerne machen. Wir machen nicht Musik, um erfolgreich zu sein, das wäre ein Katastrophenzugang. Ich glaube, dann ginge alles in die Hose. Dann müsstest du eine englische Nummer schreiben, die in irgendein Scheiß Formatradio gespielt werden kann. Musik macht man nicht, um erfolgreich zu sein. Wenn jemand sagt, wir haben den Wiener Soul erfunden, klingt das vielleicht speziell, aber das ist einfach Zufall. Wir machen eben so Musik, fertig, das ist es halt. Das spricht die Leute eben an, weil es ja auch subtil ist. Wir appellieren ja auch auf unserem letzten Album an die Mündigkeit – es passiert ja auch etwas. Ich sehe eine Aufbruchsstimmung, die spiegelt sich in unseren Texten wieder.

Erklär das mit der Aufbruchsstimmung ein wenig.

Ich halte sehr viel von Leuten, die etwas bewegen wollen. Ich glaube, dass die Leute danasch schreiebm, selbst mehr mitbestimmen zu dürfen, mündig zu sein. Deshalb war ich auch total enttäuscht, als das Demokratie-Volksbegehren schwächer war als das von den Motorrädern. Ich weiß nicht, wie siehst du das als Gegenfrage?

In musikalischer Sicht vielleicht: Hörgewohnheiten aufbrechen, Leute herausfordern, sich nicht alles auf dem Teller servieren lassen? Also das, wofür Viennese Soulfood steht… Oder meinst du das umfassender, weltpolitisch gesehen?

Nein, schon auf Wien bezogen. Viennese Soulfood, das stimmt, die durchbrechen Genres. Da geht es nicht darum, sich einen fetten Act zu holen, der Kohle bringt – sondern darum, die Leute einfach ein wenig zu reizen. Möglicherweise sogar zu provozieren, die Augen aufzumachen.

Würdest du sagen, dass die Wiener Musikszene in den letzten Jahren aufgeblüht ist?

Absolut, auf alle Fälle. Es gibt extrem viele neue Plattformen – und alle, die für sich so eine Plattform kreieren, erschaffen sich einen Boden, den ihnen niemand mehr wegziehen kann unter den Füßen. Das ist eine gewisse Sicherheit. Früher waren vielleicht eher die Ellenbögen gefragt in der Musiklandschaft, aber heute networken alle, das Netzwerk wird immer größer und alle halten mehr zusammen. Eben weil man gemerkt hat, dass man sich gegenseitig helfen muss, damit es allen besser geht. Dieser Austausch ist extrem interessant, das ist quasi konträr zur Bildungspolitik. Interessiert sein, rausgehen. In Wien kann ich Freitag und Samstag auf die geilsten Konzerte gehen, auch wenn ich es in den Zeitungen nicht lese, die berichten dann eher über ein Madonna-Konzert in Budapest, das nicht stattgefunden hat. Die reale Welt und die Medienlandschaft, in der der Großteil lebt: die haben miteinander nichts zu tun. Da wären wir dann beim Bildungsauftrag, der einfach nicht erfüllt wird.

Man merkt das ja bei den vielen wirklich tollen Indies in Österreich.

Absolut. Die Indie-Geschichten sind immer noch die Interessantesten, und selbst, wenn sie keinen Erfolg haben, sind sie immer noch nicht fremdbestimmt. Und da wären wir wieder beim Thema: alles selber machen, und vielleicht geht es sich aus.

Wie funktioniert das für euch in Deutschland?

Das ist dort etwas ganz anderes. Das klappt so gut, weil die Medienlandschaft so interessiert ist. Du spielst drüber, und eine Journalisten, die ich sehr schätze, hört sich das Konzetr an und meint „Ich bin vom bayrischen Rundfunk, ich würd euch gerne spielen“. Die hat eine Backgroundinformation, ist vorbereitet, hat deine CD sogar gehört – davon kannst du in Österreich nicht immer ausgehen. Dort gibt es auch ein bisschen eine Mundartwelle, die Österreich verschlaft. Im bayerischen Raum gibt’s in jeder Ecke ein Beisl wo eine Band spielt, und das Radio spielts auch. Man muss mit dem Wort „Identität“ ja aufpassen, dass kann man völlig falsch verstehen, aber: Die sehen, dass Musik passiert, mit der sich Leute identifizieren – und genau das wollen sie transportieren. In Österreich ist es erschreckend: wir waren immer ein Land, wo Musik irrsinnig wichtig war. Mit was identifiziert sich ein Österreicher: Mozart, Mahler, Falco… oder auch volkstümliche Musik, die ist auch nicht unwichtig. Ich red jetzt nicht vom Musikantenstadl natürlich. Da gibt es eben eine Identität, und das wird einfach ein wenig verschlafen. Es passiert gerade irrsinnig viel, wir haben ja vorher über Szenenvernetzung: und dann identifizieren sich die Leute nicht öffentlich damit, es ist medial unterdrückt. Es wäre aber auch wichtig, dass sich die Masse identifizieren könnte. Im Norden ist das wohl so wie bei den Schweizern, da kam mal jemand nach einem Konzert und meinte „Mir hat es sehr gefallen, aber ich hab nichts verstanden“.

Hat eigentlich André Heller euer Lied „Leben wie Qualtinger, Sterben wie Heller“ schon gehört?

Ich hab Herrn Heller noch nicht kennengelernt, obwohl ich ihn sehr schätze, ich find ihn großartig. Durch Zufall habe ich erfahren, dass in einer Sendung, wo er eingeladen war, wir auch auf der Playlist waren. Ich denke schon, dass er uns kennt. Das ist übrigens auch eine meiner Lieblingsnummern (singt).

Und ist das wirklich Didi Constantini auf „Der hat beim Happel g’lernt“?

Das ist wirklich Constantini. Wir waren mit dem Lied fertig, und als wir sie im Studio aufgenommen haben, war er schon nicht mehr Teamchef. Wir haben uns überlegt, ob das überhaupt noch Sinn macht, und dann haben wir uns das mit der Themenverfehlung einfallen lassen. Wir haben ihn angerufen und gefragt, ob er was sagen kann, damit das einen Sinn ergibt, und ob wir das mitschneiden dürfen. Er war total lieb und meinte „Jaja, klar, überhaupt kein Problem“. Und so sagt er dann „Burschen, das is eine Themenverfehlung“. (lacht)

Fotos (c) Rania Moslam.

Mehr Infos: www.5achterl.at