Amanda Palmer: Das Amanda Palmer Paradox

Vor ihrem Konzert in der Arena trafen wir Amanda Palmer zum Gespräch.

Über Amanda Palmer gibt es eine Menge zu sagen. Dass ihre Musik eine großartige Mischung aus dem Spirit von Weill, Brecht, Rock’n’Roll, Theater, Variete und vielem mehr ist. Ein Zirkus, eine Zusammenkunft. Dass ihr Schaffen auf künstlerischer Integrität basiert und dass sie, die sich nicht im geringsten darum schert, ein Rockstar zu sein, ihr Publikum einlädt, Teil ihres Kabarettszu sein. Und dann gibt es auch, bekannterweise, die Geschäftsseite von Amanda Palmer (Mittelname: fuckin’). Ihre Geschäftsphilosophie, ihre Geschichte mit Kickstarter, ihre eigene Art, die Dinge zu machen. Speziell bei letzterem erwartet man Antworten von Amanda Palmer. Antworten über die Zukunft der Musikindustrie, Plattenverkäufe, Strategien. Anzunehmen, dass sie über diese Dinge schon öfters sprechen musste, als sie sich das jemals vorgestellt hat.

Amanda Palmer in einer Festivalsituation zu sehen ist ganz anders, als die Künstlerin – bekannt als eloquente und offene Gesprächspartnerin – in einem intimeren Club-Rahmen zu sehen. Ich treffe sie zwei Tage vor ihrer Show in der Arena, gemeinsam mit Calexico, Jamie N Commons und Depedro. Festivals zu spielen, erzählt sie mir später, ist wie als Gast in einem fremden Haus zu sein – ein paar Tage zuvor spielte sie am Glastonbury Festival – nichts desto trotz scheinen Palmer und ihr Grand Theft Orchestra die Show genau so wie das Publikum genossen zu haben. Sie eröffnete solo, mit Ukulele, auf deutsch – ehe die Band mit „Smile (Pictures Or It Didn’t Happen)“ und einem Set aus ihrem eigenen Schaffen sowie festivalerprobten Nummern wie „Common People“ oder dem Closer „Creep“ von Radiohead, solo auf der Ukulele, loslegte. Später kam sie bei Calexico für Zugaben auf die Bühne und spielte Xylophon. Bald hat Wien sie wieder: im Herbst kommt sie für eine Club-Show zurück.

Amanda Palmer im Gespräch mit Markus Brandstetter.

Wiener Online: Ich fand deinen TED-Talk toll, aber was mir aufgefallen ist: bei all den interessanten Dingen, die du sagtest, gab es bei einer speziellen Stelle den meisten Applaus, nämlich als…

Amanda Palmer: Es um’s Geld ging. Natürlich, das waren eine Menge reicher Leute. Ich weiß ja nicht, ob du über TED Bescheid weißt, es ist ein kulturelles Phänomen, aber es sind eben Millionäre.

War es schwierig vor einem Publikum zu sprechen, das ganz anders ist wie – nun, eben dein Publikum?

Ja, das war natürlich schwierig. Ich meine, das waren ja nicht meine Fans. Ich habe mich auf diese Rede intensiv vorbereited. Sie hat auch genau getimed sein müssen, es durfte nicht länger dauern als…

Fünfzehn Minuten?

Zwölf Minuten, um genau zu sein. Aber ich habe überzogen (lacht). Jedenfalls sind sie traditionellerweise sehr streng bezüglich des Timings.

„Theatre Is Evil“ ist ein großartiges Album, und trotzdem wollen derzeit alle mit dir über Geschäftsstrategien, Crowdfunding und so weiter sprechen. Langweilt dich das nicht schon?

Ja, es ist schon langweilig. Nicht toal langweilig, weil ich die Geschäftsseite ja interessant finde, aber es wird langweilig wenn Leute exkludieren, warum ich in dem Geschäft überhaupt bin: nämlich der Kunst wegen. Ich habe nicht entschieden, Kunst zu machen wegen dem Geschäft, das Geschäftliche mache ich, um mich als Künstlerin über Wasser zu halten. Ich bin eine sehr kommunikative Person und mag es, meine Gedanken mit den Leuten zu teilen – aber da ich eben eine derjenigen Künstlerinnen bin, die gerne darüber reden, glaube ich dass ich da in einer Ecke festsitze wo alle nur über das Business reden.

Das verstehe ich, darf ich dich trotzdem was darüber fragen?

(lacht) Klar, das ist in Ordnung.

Vor einiger Zeit habe ich auf einer Konferenz über die Zukunft vom Musikgeschäft mit Peter Jenner (früherer Manager von Pink Floyd, The Clash, T-Rex u.v.m.) gesprochen, der meinte, dass er für eine Flat Tax ist.

Ich glaube, dass das eine gute Idee ist. Wir müssen Musik ja irgendwie monetisieren. Ich mag es, was sie in Holland gemacht haben mit Videostreaming: sie verlangen generelle Steuern, basierend auf der Annahme dass diese Services ohnehin fast jeder nützt. Circa so, als wenn wir für Straßen Steuern fordern, auch wenn du selbst nicht fährst: man kann annehmen, dass die meisten das tun oder es zumindest für eine gute Idee halten, dass es Straßen gibt. Das ist, glaube ich, keine schlechte Richtung, zusätzlich dazu, dass Künstler zurück zu persönlicheren Formen mit dem Publikum finden werden müssen und sie um Geld bitten. Ich glaube, es wird eine Kombination aus verschiedenen Dingen sein, weil keine Lösung vom Himmel fallen wird und uns alle rettet. Content ist gratis, und deswegen wird die Frage sein, wir wir das vergüten. Was mich stört, ist wenn Leute glauben, dass es nur eine Antwort gibt. Es gibt eine vielzahl an Antworten, Steuern, Verbindung zum Publikum, Kickstarter und eine Million anderer Dinge. Die Kunst verändert sich und der Kommerz verändert sich, aber hoffentlich werden die Künstler und das Publikum diesen Wechsel lenken. Das wird keine „cooperate agenda“ sein. Mich macht es manchmal ein wenig traurig, wenn ich mir Youtube, Spotify und dergleichen ansehe, sogar Apple. Man will ja hoffen, dass das alles wohlmeinende Mächte sind, die weiterhin eine Ökostruktur, ein Ökosystem der Musik schaffen. So schlimm die Majorlabels auch waren: zumindest haben sie Geld zurück in den Kreislauf des Musikschaffens gebracht, Apple, Spotify und Youtube tun das nicht wirklich, und sie zahlen wirklich wenig.

Ein großes Problem wird auch die Verteilung dieses Geldes.

Ja, ich weiß es nicht – man müsste das organisieren. Ich weiß es nicht, und bin okay damit. Jeder Künstler wird das selbst rausfinden müssen leider. Man hilft sich gegenseitig. Ich bin auch eine spezielle Generation, irgendwie in der Mitte. Da oben hast du Morrissey, Bono, die Leute, die mit einem sehr spezifischen System aufwuchsen: Platten, Geld, Promotion, Plattenläden, Geld. Und alles war recht einfach – vielleicht nicht, wenn du einen miesen Deal hattest, aber du konntest es mehr oder weniger kalkulieren: wenn wir zehn Millionen Platten verkaufen, so und so viel touren, Radiopromo haben und MTV – auch wenn das ein mieserables Scheißsystem war: wenn du gewonnen hast, hast du gewonnen. Und wenn du einen gewissen Grad an Erfolg erreichen konntest, dann war dir ein gewisses Einkommen auch garantiert. Deswegen fürchten sich diese Leute auchzu Tode, weil sie erwartet haben, dass sie dieses System bis zur Rente hält und sie erhält. Und jetzt schauen sie den Verkaufszahlen beim Fallen zu, was soviel bedeutet dass die Gewinnkurve und das Geld, das sie sich bis ins Alter erwartet haben, verschwindet. Das ist natürlich schlimm. Hätte ich Kinder, diesen Lifestyle und Plan und jemand käme und meinte „Hey! Nichts von dem wird passieren ! Aber schau mal, Kickstarter!“… Ich bin eben in der Mitte, ich liebe Artefakte, ich libe Vinyl, ich liebe Alben, ich liebe es, einem Künstler ein ganzes Album treu zu sein. Als ich „Theatre Is Evil“ gemacht habe, wollte ich wirklich ein Album machen. Ich dachte nicht an Singles, Itunes, ich dachte nicht an irgendwas außer daran, ein schönes Album von Anfang bis Ende zu machen, genau so, wie ich gerne Alben höre. Es ist für mich immer noch schwer zu akzeptieren, dass manche Teenager nur vier ihrer Lieblingstracks runterladen und die dann in einer beliebigen Reihenfolge anhören. Ich kann aber nicht bestimmen, wie Leute ihre Kunst komsumieren wollen.

Deine Fanbase ist da eh anders, schätze ich.

Die meisten sind toll, gute Zuhörer. Aber der Markt wird immer mehr Single-bestimmt, das ist er schon.

Also glaubst du, dass das Albumformat veraltet ist?

Es ist am Aussterben, das glaube ich, ja.

Trotzdem, auch wenn Leute wie Radiohead oft darüber gesprochen haben, keine ganzen Alben mehr machen zu wollen, tun sie es trotzdem.

Naja, wir mögen es eben. Außerdem kann ein Album auch wie eine Kollektion betrachtet werden, wie eben ein Künstler eine Kollektion an Bildern malt, die jemand dann in seiner Galerie aufhängt. Es gibt dir Fokus. Schon komisch, wenn du darüber nachdenkst: wie wir über Songs denken, dass sie so und so lang, 3,4,5 Minuten sein müssen. Das ist irgendwie sehr willkürlich, auch wenn viele über die menschliche Aufmerksamkeitsspanne reden. Wenn man sich das anschaut ist das aber schon irgendwie albern, man denkt sich „das ist einfach nur ein tradtionelles Scheißformat, wer bestimmt das?“. Aber wir finden auch Trost in dem, was wir kennen. Wir alle tun das.

Lass uns über die Tour sprechen: how’s the road treating you so far?

Sie hat gerade erst angefangen, wir haben bisher drei Shows gespielt. Eine in den USA, dann Glastonbury und gestern in Tschechien auf einem Festival. Wir haben also noch keine echte Show gespielt, wie ich das nenne, in unserer eigentlichen Umgebunbg. Festivals sind okay, aber es fühlt sich an, als ob man in einem fremden Haus ist.

Was kommt als nächstes bei Amanda Palmer?

Ich glaube, ich möchte Barkeeperin werden. (lacht)

Hahaha, das klingt wie eine Bob Dylan-Antwort.

Das ist keine Lüge. Eine Weile habe ich daran gedacht, meine eigene Bar aufzumachen, aber das saugt dann wieder die Freude aus der Arbeit. Vielleicht also nur Barkeeperin. Ich brauche mal definitiv eine Pause vom Touren, das habe ich gelernt, was ich tun werde weiß ich nicht (überlegt). Eigentlich ist das Bullshit, ich weiß, was ich machen werde: ich werde ein Buch schreiben, ich habe einen Vertrag unterschrieben. Also muss ich ein Buch schreiben. Ich muss einen Gang zurück schalten, werde aber ein Buch über die selben Themen wie beim TED Talk schreiben. Aber mehr über die Kunst, übers Fragen und über die Kollision von Geld und Kunst, darüber, wie schwierig es ist. Es ist wird Teil Memoir, Teil Crowdfunding Manifest werden. Das wird ziemlichen Spaß machen denke ich, ich liebe es ja zu schreiben, ich blogge ja. Für was ich nie bezahlt wurde. Aber um zuschreiben, muss ich mal runterkommen, weil’s unmöglich ist, unterwegs zu arbeiten. Ich muss einfach einen geeigneten Ort finden.

Also keine Musik in der nahen Zukunft?

Das stimmt so auch nicht. Ich werde weiterhin Musik veröffentlichen, aber einen ganz neuen Weg finden, das zu tun. Es ist sehr aufregend für mich, Musik genau dann zu veröffentlichen, wenn ich es will – dann, wann ich sie geschaffen habe – und nicht im Promo-Album-Tour Zyklus festzustecken, weil das immer weniger Sinn macht gegenüber dem, wie ich arbeite: ebe die Musik im Moment zu machen, ich will keine sechzehn Monate warten um sie zu teilen. Ich möchte sie am nächsten Tag veröffentlichen, und Kanäle wie das Internet benützen. Es ist ja möglich. Es fühlt sich sehr artifiziell an, etwas zuschreiben, anderthalb Jahre zu warten, es mit einer Band einzuspielen und erst dann zu veröffentlichen. Auch wenn das nicht der effektivste Weg ist, es zu tun – im Sinne davon, das meiste Geld verdienen – glaube ich, dass es für Künstler am Befriedigendsten ist. Und das ist das Paradox der Amanda Pamer: auch wenn du glaubst, ich hab alles irgendwie begriffen, hab ichs vielleicht nur in einer Art und Weise begriffen, die kein Geld bringt (lacht). Aber es macht mich glücklich, und das ist ein ganz anderes Level vom Begreifen. Vielleicht bin ich auch ein Beispiel für viele Künstler wenn es darum geht, einerseits dein Geschäft so effizient wie möglich zu gestalten und andererseits so zufrieden wie möglich zu sein. Die zwei Dinge sind nicht zwingend dasselbe, und hoffentlich kann man die Balance zwischen den beiden Dingen finden.