CD Kritik: Kanye West -Yeezus

Pop bleibt die Versprechung, nicht die Einlösung: Kanye Wests neues, größenwahnsinniges Album „Yeezus“.

An Megalomanie und Sendungsbewusstsein hat es Kanye West noch nie gemangelt. „Yeezus“, das ein klein wenig größenwahnsinnig nach seinem Spitznamen „Jeezy“ und dem vermeintlichen Sohn Gottes aus Nazareth benannt ist, für den er sich vielleicht auch wirklich ein bisschen hält, erschien angekündigt wie die Apokalypse, und siehe da: die Kinderlein kommen auch in Heerscharen zu Kanye, dessen Ambitionen hoch wie der babylonische Turm sind, den es zu stürzen gilt. Ye, der seinen Sohn übrigens North genannt hat (und der nun also North West heißt) macht keine Alben, Kanye macht schwarze Sgt. Peppers, vermeintlich. Ein großes Werk hat sich angekündigt, what about the Einlösung?

Früher war es Jesus walks, jetzt nach sechs Alben marschiert Ye also selbst als gewohnt nachlässig rappender Jesus ganz nach vorne, dieser Marsch ist auf „Jeezus“ konsequenterweise kein Sommerspaziergang und die Bretter des Kreuzes auch kein billiges Sperrholz. Verzerrte Tanzflächen-Synths und ein Beatgebilde der heiliggesprochenen Daft Punk eröffnen „On Sight“, und weil Gottes Sohn wieder im Haus ist, kündigt sich dieser auch mit Lyrics wie „Soon as I pull up and park the Benz / We get this bitch shaking like Parkinsons“ an. Und so lange es beim textlichen Hedonismus und beim Eier herzeigen (und Kanyes Eier sind zweifellos mindestens aus Platin), dann ist das zwar nicht die Speerspitze der durchdachten lyrischen Subtilität aber noch erträglich,  nur leider greift West auch mal profunder in die Villeroy & Boch-Kloschüssel, und auf die Spitze treibt es „I’m In it“, in dem West wieder mal die „bitches“ sexuell beglückt: „Put my first in her like a civil rights sign“ heißt es da nämlich. Vielleicht dann doch etwas würdelos, das Zeichen der Civil Rights-Bewegung als Vergleich für einen Fistfuck herzunehmen. Die Hook des selbigen Songs singt er übrigens wieder mit Justin Vernon von Bon Iver.

Der musikalische Motor, der oft skizzenhaft und sprunghaft, aber immer in Hochgeschwindigkeit und dennoch auf Hochglanz läuft, ist sicher nicht die Krux von „Jeezus“. Das will alles ganz viel, verspricht, wenn schon kein Erlösungen so doch wahrscheinlich Bewunderungsentgrenzungen und Bewunderungsorgasmen, kann das aber naturgemäß am Ende nicht ganz einhalten. Ob das jetzt das Versäumnis einer Apokalypse oder nur, wenn auch oft nicht symphatisches, ganz grandios-größenwahnsinniges Scheitern ist, sei dahingestellt.

Er mag sich für die Inkarnation aller großen amerikanischen Köpfe von Henry Ford bis Steve Jobs halten, und wir folgen ihm nach Golgotha, und sind uns schon bewusst, dass er da oben am Kreuz am Ende schon streckenweise auch ganz großen Unsinn erzählt, über Frauen und Geschlechtsteile und Swagger und Egos und so. Unstillbares Sendungsbewusstsein, messianische Gelüste, musikalischer Größenwahn und die große Ankündigung:

Pop bleibt eben die Versprechung, nicht die Einlösung.