Im Gespräch: Calexico

Wir trafen Calexico-Sänger Joey Burns zum Gespräch.

Es ist kurz nach drei Uhr nachmittags, als ich Calexico-Mastermind Joey Burns zum Gespräch in der Arena treffe. Draußen macht gerade Amanda Palmer mit ihrem Grand Theft Orchestra Soundcheck, gut zwei Stunden bevor  die Arena ihre Pforten zum Harvest Of Art-Warm Up öffnet, wo Calexico als Headliner die nicht ganz ausverkaufte Open Air Arena mit einem gut zweistündigen Set quer durch ihr Schaffen (gefehlt hat leider das grandiose “Sunken Waltz”) begeistern.

Als “Desert Noir” wird die Musik von Calexico gerne betitelt, was zwar nett klingt, dem bunten, lebensbejahenden Melting Pot quer durch die Kulturen und Stile der Band aber nicht einmal ansatzweise gerecht wird. Bei Calexico geht es um Grenzen und Grenzüberschreitungen, um melancholischen Folk, Mariachi-Trompeten und Tex Mex, trocken wie Tucson, Arizona und Hemisphären verbindend wie New Orleans, wo die Band ihr 2012 erschienenes Album “Algiers” aufgenommen hat.

Calexico-Sänger Joey Burns im Gespräch mit Markus Brandstetter.

Wiener Online: Ich habe einen schönen Satz von dir gelesen: du sagtest, “Desert Noir” – wie euer Stil gerne bezeichnet wird – ist für die Leute wohl das, was für dich deine Idee von Musik für Flughäfen und Highways ist.

Joey Burns: Hahaha, ja.

Reisen scheint für dich eine der wichtigsten Inspirationsquelle zu sein.

Auf alle Fälle, das Reisen an sich, genau so wie Flughäfen und all die verschiedenen Länder.

Wie schafft man es bei all dem Touren, von den einzelnen Orten auch wirklich etwas mitzubekommen?

Nun, wenn man lange genug tourt, gibt es immer die Möglichkeit einen Day Off einzulegen, oder einfach mehr Zeit in der Stadt zu verbringen. So wie heute in Wien: wir sind um elf Uhr früh angekommen, sind direkt zum Soundcheck, anschließend gebe ich ein paar Interviews und danach haben wir ein wenig Zeit, um Freunde, die ein wenig außerhalb Wiens wohnen, zum Essen zu treffen. Wir haben da schon eine Balance: du kommst in eine neue Stadt, und nimmst dir einfach die Extra-Zeit, das alles zu erkunden. Das ist schon machbar.

Ihr wart ja schon desöfteren in Wien, habt letztes Jahr hier auch eine Show mit dem Radio-Symphonieorchester gespielt. Welche Erinnerungen, gute oder schlechte, hast du an Wien?

Wenn es um Wien geht, habe ich ehrlich nur gute Erinnerungen. Ich liebe diese Stadt. Einfach hier rumzulaufen, in ein paar Cafés zu gehen, im Hotel Fürstenhof zu Gast zu sein. Es gibt auch so viele großartige Winzer hier in der Region: das ist für mich aufregend, weil immer mehr Weinliebhaber werde, je älter ich werde. Der Neffe von John Convertino lebt hier und studiert Cello, also haben wir hier auch Familie. Das Konzert mit dem Radio-Symphonieorchester war wirklich großartig, wir haben zum ersten Mal in Europa mit einem Orchester gespielt. In Amerika haben wir das schon einmal gemacht. Auch dass wir das aufgenommen haben, diese Art zu arbeiten, und noch dazu mit einem so phantastischen Orchester. Da gibt’s auch ganz tolle Schwarz-Weiß Fotos, die wir für das Artwork verwendet haben. Wien hat wundervolle Theater und ein extrem schönes Konzerthaus.

Als Appetizer für die Tour habt ihr vor kurzem die “Maybe on Monday” EP veröffentlicht, die neben einer Neubearbeitung des Titelsongs auch einige Cover-Versionen beinhaltet. Wie kam es dazu?

Die Idee kam auch vom selben Typen, der uns vorschlug, dass wir mit dem Radiosinfonie Orchester etwas machen: Christof Ellinghaus von City Slang in Berlin. Er meinte: „Warum nehmt ihr nicht etwas extra für den Sommer auf, was für die Fans. Er schlug vor „Maybe On Monday“ neu aufzunehmen, weil er ihn live gehört hatte und die neue Richtung, wie wir ihn spielten, ihm gut gefiel. Wir fanden das interessant, und haben angefangen, uns über B-Seiten Gedanken zu machen. John schlug 80er Jahre-Songs vor, und wir hatten ein paar Ideen, nahmen ein paar auf und konzentrierten uns dann auf eine Handvoll, die am besten passten. Als wir das getan haben, meinte unser Bassist, der das alles aufnahm und mischte – ein talentierter junger Bursche – warum wir nicht auch die Demo-Version von „Maybe on Monday“ inkludieren. Es beginnt also mit der neuen, Alternate Version und endet mit der Demo-Version. Das hat eine Menge Spaß gemacht. Soll ich ein wenig über die Auswahl erzählen?

Klar, bitte!

Nun, als erstes haben wir uns The Cure vorgeknüpft, haben dann auch einen Kraftwerk-Song probiert. Ich glaub, wir haben auch einen Peter Gabriel Song probiert, auch einen Elvis Costello Song vom Album „Imperial Bedroom“, das war damals ein Lieblingsalbum von mir. Der Song von Costello passt einfach perfekt zu uns, er beginnt in Moll, hat tolle Lyrics, einen tollen Piano-Part. So als wäre es die Brücke zwischen Costello und Calixeco. Über „Unsatisfied“ von The Replacements bin ich eher zufällig gestoßen, ich kannte den Song noch von der Highschool… beinahe schon ein Mantra. Es klang einfach gut, ich liebe einfach diesen fragenden Ausdruck des Songs. Irgendwie passte es auch zu. Wir haben ja auch die Tradition, immer Tour-Alben rauszubringen.

Für euer letztes Album “Algiers” seid ihr ja nach New Orleans gegangen, ein New Orleans-Album ist es aber dennoch nicht geworden.

Ja, es klingt nicht wie ein Second Line feat. New Orleans Artists Album, es sollte schon ein Calexico-Album sein. Wir haben ein paar Tracks im Wave Lab aufgenommen, und nahmen ein paar Ideen in die New Orleans Nachbarschaft mit. Nach Algiers, nachdem auch das Album benannt ist. Wir arbeiteten in einem wunderbaren Tonstudio, das früher eine alte Holzkirche war. Im Wave Lab in Tucson haben wir einen Betonboden, Rafters, ein sehr spezieller, trockener Sound. Das Living Room Studio ist gänzlich aus Holz – das Studio hat einen ganz anderen Ton, der sowohl mit Johns Drums als auch mit allem anderen gut funktioniert hatten. New Orleans war einfach ein toller Ort zum Aufnehmen und Schreiben. Wir sind hingegangen in der Hoffnung, dass uns was gutes einfällt – das weißt du natürlich nie. In dieser alten Kirche zu sitzen und aus dem Fenster zu schauen, durch Algiers und New Orleans zu laufen: das war alles sehr inspirierend. Auch weil es so nah zur Grenze zwischen Cuba, dem Golf von Mexico und dergleichen ist. Speziell New Orleans ist so eine wichtige Stadt, die sowohl den northern, als auch den southern Spirit einschließt. Geschichtlich, musikalisch, die afrikanischen und kubanischen Einflüsse. So wichtig nicht nur für den Jazz sondern für alles, was in unserer Hemisphäre musikalisch passiert. Einfach das schönste Beispiel für diese Verbindung der nördlichen Hemisphäre und den spirit des Südens verbinden. Tucson ist da nicht anders, aber auf der Landkarte eben nicht so wiedererkennbar. New Orleans is big.

Was hat dich eigentlich 1993 nach Tucson, Arizona verschlagen?

Weißt du, in erster Linie, dass es eine kleine Stadt war. Ich habe damals in Los Angeles gewohnt, Tucson war einfach überschaubarer, die Downtown Scene war noch nicht so entwickelt, die Mieten waren billig, es passierte viel Musik, keiner versuchte Teil einer Entertainmentindustrie oder eines Trends zu sein. Damit konnte ich mich identifizieren. Es gab auch einen tollen Laden, den Chicago Music Store, wo John Convertino und ich jede Menge Instrumente herhaben. Es fühlte sich einfach gut an, und der Umzug war essenziell, um uns auf unsere Musik zu konzentrieren.

Geographisches ist in eurem Schaffen ja ein Hauptthema.

Ja, das stimmt – dich hat es eben geprägt, dass du aus Wien bist, mich, dass ich aus Südkalifornien stamme. Was bei mir noch dazukommt, ist der Einfluss von mexikanischer Kultur. Meine Mutter hat meine Schwester und mich nach Mexiko mitgenommen, wo sie half, Englisch zu unterrichten. Sie spielte Klavier, lernte Spanisch und hat uns spanische und mexikanische Volkslieder vorgesungen – das ist einfach schön, wenn du früh mitbekommst: Hey, es gibt andere Kulturen, andere Sprachen, das Leben besteht mehr als das, was hier passiert. Das habe ich seit meiner Kindheit mitgenommen, das war immer wichtig.

Was steht für Euch als nächstes an?

Nun, wir fangen bald mit den Arbeiten an einem neuen Album an. Wir haben uns in Tucson einen kleinen Studioraum eingerichtet. Ich bin schon aufgeregt, nach Hause zu kommen und mit dem Schreiben zu beginnen.

Danke für das Interview!

Ich sag danke!

 

Foto (c) Calexico