Harry Lucas: Der Mentalist

Uri Geller nannte ihn einen der unglaublichsten Mentalisten, wir baten Harry Lucas zum Gespräch.

Uri Geller nannte ihn „einen der modernsten, ausgefeiltesten und unglaublichsten Mentalisten“ und attestierte ihm eine „unglaubliche Art, Menschen in Staunen zu versetzen“, auch sonst hagelt es Kritiker- und Publikumslob für Harry Lucas. Was aber genau ist ein Mentalist? Showmann, Zauberkünstler, Praktizierer des Paranormalen und Übernatürlichen, Psychologe oder Trickser? Und wie genau kann man sich die Arbeit in diesem sehr weitgefächerten Themengebiet eigentlich vorstellen? Um darüber und über einiges mehr zu plaudern, treffe ich mich mit dem Entertainer und Mentalisten zum Kaffee.

Verzeih mir, aber meine erste Frage ist eine sehr rudimentäre: Wie wird man Mentalist?

(lacht). Das war ein durchaus interessanter Weg. Ich habe sehr früh, mit fünf Jahren, begonnen, mich für die Zauberkunst zu interessieren und die ersten Schritte zu machen, klassisch mit Zauberkasten. Ich habe bald gemerkt, dass ich mich mehr für den psychologischen Aspekt zu interessieren beginne – warum Menschen in gewissen Situationen auf eine bestimme Art, nach gewissen Mustern, reagieren. Das hat mich immer mehr fasziniert, als irgendwelche Sachen verschwinden zu lassen, wie man das aus der klassischen Zauberei kennt. Es sind einfach sehr viele Einflüsse, die da zusammenspielen – und mich hat eben diese menschliche Komponente am meisten interessiert. Ich habe irgendwann ein Buch von einem Vordenker dieses Genres gelesen, der in den Sechziger Jahren sehr groß gewesen ist, David Berglas, der schrieb eine Biographie, die mich noch mehr dazu brachte, in diese Richtung zu denken. Das war damals ein Held von mir, den ich kürzlich kennengelernt habe – einer, der sich schon in den Sechzigern überlegt hat, wie man Hypnose einbinden kann, wie man Dinge integrieren kann, die mystisch für die Leute, aber dennoch keine Zaubertricks sind. Etwas, das nur in dem Moment passieren kann – und das war der Anstoß, mich mehr damit beschäftigen.

Wie beschäftigt man sich innerhalb dieses Themengebiets? Mit Büchern?

Ja, ich habe sehr viele Bücher gelesen. Wenn man sich mehr damit auseinandersetzt, trifft man Kollegen, mit denen man Gedankenaustausch betreibt – das Kontaktaufnehmen ist heute durch das Internet natürlich viel leichter als zu der Zeit, in der ich begonnen habe. Das war etwas ganz besonders, an diese Leute heranzukommen und mit ihnen zu sprechen, das war eine tolle Entwicklung.

Also bist du, learning by doing, autodidaktisch reingewachsen.

Total autodidaktisch, ja. In der Kunst, und als solche sehe ich meinen Bereich, muss man eben erst einmal herausfinden, was einem gefällt. Bei der Musik ist das so, dass sich der eine entscheidet, in die klassische Richtung zu gehen, der andere in die Rock-Richtung, und ein anderer entscheidet sich für Techno. Man muss herausfinden was einem liegt, probiert vieles aus und kommt irgendwann zu dem Bereich, wo man weiß, dass es das ist, was machen machen möchte. Und dann vertieft man sich eben immer mehr darin.

Ich stelle mir das als riesiges, umfangreiches Feld vor.

Ja, und das ist auch das schöne daran. Eben, dass es ein breites Feld ist, und man in alle verschiedenen Richtungen schauen kann. Es ist sehr viel Psychologie enthalten, man arbeitet und spielt mit gewissen Mustern und Erwartungshaltungen, es ist jedesmal etwas neues. Das macht es so spannend.

In gewissen Hinsichten ist es ja auch wissenschaftliches Entertainment, oder?

Kann man durchaus so sehen, ja. Ich präsentiere es nicht in diese Richtung, aber es kommen durchaus wissenschaftliche Einflüsse vor. Es ist spannend: mit Gedanken ist es mittlerweile schon möglich, Prothesen zu bedienen, Nervenenden so anzusprechen, dass sich eben beispielsweise ein Finger bewegt. Das ist sensationell. Es war in der Zauberkunst oft so, dass Leute, die Vorreiter waren, die auf dem neuesten Stand der Wissenschaft waren. Das war im Kino genauso: die ersten Leute, die sich mit bewegten Bildern beschäftigt haben, waren Zauberer. Das ist aufregend: wenn du am Anfang einer Revolution stehst und es nicht weißt. Aber das Spiel mit den Möglichkeiten und immer auf dem neuesten Stand zu bleiben: das macht schon großen Spaß.

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Lass uns über Hypnose sprechen. Hattest du schon Leute im Publikum, die total resistent dagegen waren?

Klar, absolut. Hypnose ist ein ganz spezielles Thema, weil man immer noch nicht weiß, was da abläuft. Seit Jahrhunderten versucht man herauszufinden, was es genau ist, aber um den Finger ganz genau drauf zu haben, brauchen die Wissenschafter noch. Es ist immer ein Mysterium, aber in Wirklichkeit ist es ein ganz normaler Zustand, den wir täglich beim Einschlafen erreichen. Ein Zustand, der uns einfach hilft, den Alltag zu verarbeiten und uns somit einen evolutionären Vorteil gibt. Sagen wir beispielsweise vor zwei, dreitausend Jahren: Wenn du schonmal im Kopf durchgehst was passiert, wenn dir ein Säbelzahntiger entgegenkommt und wie du reagierst, dann bringt dir das einen evolutionären Vorteil (lacht).

(lacht) Da hast du Recht.

Es gibt eine Theorie, dass die Hypnose ein traumähnlicher Zustand ist: irgendein Realitätsfaktor sagt dir, das ist jetzt echt. Selbst wenn du deinen Namen vergisst oder du dir denkst, du bist jetzt auf einer Riesenbühne und singst.

Also ein Bereich, der beim Träumen genutzt wird, der aber im Alltag jederzeit abrufbar ist.

Ja, nur dass die meisten Menschen ihn nicht abrufen können. Deswegen ist es etwas besonderes. Das ist das spannendste: es ist nichts, dass ich mache – sondern etwas, zu dem jeder in der Lage ist. Jeder, der schon einmal völlig in Musik aufgegangen, ein Buch las und ihm Welten auftauchten oder total in einen Film eingetaucht ist, kann das. Die Frage ist, ob du es in einem speziellen Moment kannst und gewillt bist, dich in diesen Zustand zu versetzen.

Ein Moment der totalen Präsenz, wo alles andere ausgeblendet ist.

Genau. Die volle Konzentration auf den Moment. Wir nennen es Hypnose, die Buddhisten nennen es vielleicht den Moment des totalen seins. Diesen Zustand gibt es seit es die Menschen gibt, es gibt einfach verschiedene Arten, diesen Zustand zu beschreiben.

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