Interview zum neuen Album: TRAVIS sind zurück

„Where You Stand“ heißt das siebente Studioalbum der Glasgower Band Travis, das erste Album nach fünfjähriger Pause. Wir sprachen mit Schlagzeuger und Gründungsmitglied Neil Primrose.

Travis sind zurück.

Where You Stand“ heißt das mittlerweile siebente Studioalbum der Glasgower Band Travis, das am 17. August erscheint. Es ist still um die Band geworden, die mit den Alben „The Man Who“ und „The Invisible Band“ sowie Singles wie „Why Does It Always Rain On Me“ oder „Sing“ riesige Erfolge feierte – fünf Jahre ist das letzte Album, „Ode To J. Smith“, her. Für eine Vielzahl von nachkommenden britischen Bands, allen voran Coldplay, waren Travis maßgeblich, Coldplay-Sänger Chris Martin bezeichnete sich einst sogar als „a poor man’s Fran Healy“. Markus Brandstetter sprach mit Schlagzeuger und Gründungsmitglied Neil Primrose.

Fünf Jahre zwischen zwei Alben ist eine lange Zeit – was ist dazwischen passiert?

Neil Primrose: Nun, in erster Linie haben wir Zeit mit unseren Familien verbracht, haben einfach unsere Leben gelebt, andere musikalische Projekte verwirklicht, die wir immer schon mal machen wollten. Fran hat eine eigene Platte gemacht, auch Doug, Andy und ich waren in Sachen involviert, ich habe beispielsweise viel Session-Arbeit gemacht, mit diversen Leuten hier und da gespielt. Wir haben einfach eine Pause gebraucht. Wenn du dir eine Auszeit nimmst, kommst du dann einfach wieder frischer, mit mehr Energie zurück, außerdem braucht es auch Zeit, etwas zu erleben, über das man dann Songs schreiben kann.

Also brauchtet ihr einfach Distanz.

Ja, das ist als Band einfach wichtig: dass man mal Abstand hat, etwas anderes, neues macht. Das hält das ganze frisch. Wir haben das ja eine lange Zeit am Stück gemacht, waren dauernd unterwegs und sind somit ja ständig aufeinander geklebt. Die letzten zwei, drei Jahre haben wir dann intensiv an dieser Platte gearbeitet. Es hat einfach lange gebraucht, wir haben 20, 30 Songs geschrieben um die bestmögliche Selektion an Liedern zu bekommen, hoffentlich ist das jetzt die, die du auf der Platte vor dir hast. Du schreibst nicht einfach zwölf großartige Songs, du musst viel probieren und viel wieder wegschmeißen. Es hat einfach ein wenig gedauert.

Insgesamt haben die Arbeiten am neuen Album ja zwei Jahre gedauert, oder?

Ja, die ganzen rough recordings haben wir vor zwei Jahren begonnen, der wirkliche Prozess des Aufnehmens begann letzten Oktober in Norwegen.

Ihr habt im Ocean Sound in Norwegen und im Hansa Studio in Berlin aufgenommen, auch in London wart ihr im Studio. Erzähl ein wenig darüber.

Es war aufregend: das meiste haben wir im Ocean Sound in Norwegen aufgenommen, ich würde sagen fast zwei Drittel. Das ist eine wunderschöne Location, egal ob du schreibst, malst oder Musik machst. Der Norden Norwegens ist wundervoll, die Leute, die das Studio betreiben waren unglaublich nett, wir haben uns immer willkommen gefühlt. Es gab tolles Essen und was auch wichtig war: nicht so viel Ablenkung. Wenn du in einer Stadt aufnimmst, kommst du leicht in Versuchung auszugehen und nicht viel weiterzubekommen. Dass wir ins Hansa gegangen sind war eigentlich eher überraschend, wir wollten nur kurz mal vorbeischauen, haben dann aber ganze sechs Nummern dort aufgenommen. Das sind wirklich energetische Aufnahmen geworden, hat das ganze auf das nächste Level gebracht. Es fühlte sich gut an, in Berlin zu sein – Michael, der fast die ganze Platte gemacht hat – wohnt dort. Berlin und Norwegen waren die Schlüsselorte für dieses Album.

Fran hat ja auch viele Jahre in Berlin gewohnt, oder?

Er lebt immer noch dort. Was aber auch ein Grund war, dass wir ins Hansa Studio gegangen sind, war dass einfach viele großartige Alben dort entstanden sind, die Aufnahmeräume haben einen ganz speziellen Sound, eine ureigene Atmosphäre – und das Equipment ist auch toll. Weißt du, manche Studios fühlen sich einfach irgendwie leer und uninspirierend an, und manche wiederum ganz aufregend, so wie das Hansa. Man will einfach soviel wie möglich aufnehmen.

Dieses Mal hat ja Michael Ilbert produziert – in der Vergangenheit habt ihr mit großen Produzenten wie Nigel Goldrich, Steve Lillywhite oder auch Brian Eno gearbeitet. Welche Rolle spielt bei Euch der Produzent im Schaffensprozess?

In vielen Stationen unserer Karriere waren unsere Produzenten dafür verantwortlich, dass unser Sound eine Stringenz und auch eine Simplizität bekam, eine Einfachheit, in der aber auch viel Komplexität steckt. Auch wenn sich für den Hörer oft sehr leichtfüßig anhört, wir haben oft hart daran gearbeitet, die richtige Richtung zu finden. Dafür brauchst du einen Produzenten, einfach um das zusammenzufügen und zu komplettieren. Michael ist großartig, er stresst sich nicht und kriegt einfach in kurzer Zeit eine Menge fertig, er ist ein toller Engineer, weiß genau, was er tut. Außerdem weiß er, wie man Oldschool-Equipment benutzt, Michael war ein guter Fang für die Band.

Ist bei euch der Produzent eher wie ein Bandmitglied oder ein Supervisor?

Beides eigentlich. Jemand, den man um Rat fragt, aber auch jemand, der alles überblickt. Manchmal will man einfach Takes über Takes aufnehmen, und da brauchst du jemanden, der sagt: das war jetzt gut, oder machen wir es so oder so.

Seit den Anfängen von Travis, damals als Glass Onion bis jetzt, ist eine Menge Zeit vergangen. Wie glaubst du, hat sich einerseits die Dynamik der Band und andererseits die Rezeption des Publikums geändert?

Ich glaube, dass wir einfach zusammen gewachsen sind. Wir kennen uns schon ewig, seit den späten Achtzigern. Der Gedanke, dass wir nicht mit einander spielen, wäre undenkbar, es ist einfach wie eine Ehe. Wir sind einfach ein verschworenes Team, lachen viel miteinander. Es ist eine sehr familiäre Situation – diese Dynamik ist ganz stark, und manchmal müssen wir halt eine Pause voneinander nehmen. Travis ist aber das, was wir tun und immer tun wollen. Die jüngere Generation sieht uns wohl schon als ältere Band, unsere Fanbase ist aber immer noch fantastisch, wir können auf der ganzen Welt spielen, auch kommen immer jüngere nach. Wir überlegen uns eigentlich nicht, als was wir gelten – Trends ändern sich rasend schnell, was heute hip ist, ist es morgen nicht mehr. Mir ist das alles nicht wichtig. Was wichtig ist, ist Qualität – das hat dann bleibenden Wert.

Ihr seid ja für viele Bands eine Art Wegbereiter gewesen, Leute wie Coldplay bezeichnen euch als einen ihrer wichtigsten Einflüsse.

Viele Leute sagen uns das, sogar die Leute von Coldplay zitieren uns immer. Wir sind ihnen sehr dankbar und froh, dass wir sie beinflusst haben und vielleicht die eine oder andere Tür geöffnet. Es freut mich, dass wir was bewirken konnten – aber du kannst auch nicht in der Vergangenheit leben, dich auf deinen Lorbeeren ausruhen. Du musst immer weiter nach vorne.