Donald Ray Pollock: Prügel, Drogen und Sex mit Fisch- stäbchen

„Knockemstiff“: Lakonisch, hart und bald in Wien zu hören

Die Lektüre von Donald Ray Pollocks Geschichtensammlung deprimiert. Allerdings mit einer Sprache, die so skelettiert ist, dass man nie auf den Gedanken kommt, hier übertreibt der Autor. Mehr ist dazu nicht zu sagen, scheinen viele Sätze zu sagen. Und signalisieren so, dass man sich in Knockemstiff, Ohio über nichts mehr wundert. Die Chronik des Titel-gebenden Ortes springt zwischen den Jahrzehnten, es ändert sich aber praktisch nichts im ländlich-trostlosen Hinterland Amerikas.

Die Stories stellen eigentlich das Debüt des ehemaligen Lastwagenfahrers dar, werden aber erst nach dem Erfolg seines Romans „Das Handwerk des Teufels“ nachgereicht. Und das völlig zu Recht. Denn so fremd uns diese rückständigen Einöden bleiben, die Fluchtversuche daraus kann man nachvollziehen. Wer etwa den selbstzerstörerischen Bodybuilding-Kult der 1980er kennt, wird die entsprechende Story Pollocks wie ein Déjà vu empfinden. Es ist bei weitem nicht die einzige, in denen es um illegale Substanzen geht. Ähnlich wie bei Liebeskind-Verlagskollegen Daniel Woodrell, dem Autor des mit Oscar-Ehren verfilmten „Winter’s Bone“, das Crystal Meth im tief ländlichen Amerika die Frustrationen ertragen hilft, ehe es noch größere Wunden schlägt, erkauft man sich auch in Ohio lediglich einen Aufschub der Katastrophe.

Das geht auch mit Sex, der im Buch in bizarren Kombinationen – inzestuös, aber auch mit einem Mädchen, das Fischstäbchen in der Tasche trägt – akzeptiert wird. Zumal er nicht nur kurzes Vergessen gewährt, sondern auch Wärme, Drogen und teilweise Essen im Austausch für genitale Dienste einbringt. Trotz der kleinen Fluchten nehmen die Dinge im Ort immer noch eine schlimmere Wendung. Wo es nicht menschliche Gewalt ist, die zuschlägt (unvergesslich etwa in der ersten Story „Das richtige Leben“), zeigt plötzlich die Natur ihre Brutalität, der selbst Soldaten erliegen. Vielfach wurden musikalische Anleihen wie Springsteens „Town full of loosers“ bemüht, um die Atmosphäre von Pollocks Knockemstiff zu schildern. So genial der Song sein mag, die Lektüre-Erfahrung ersetzt er nicht.

Zum Vormerken: Am 17. September liest Karl Markovics im Rahmen der Wiener Kriminacht gemeinsam mit dem Autor aus D. R. Pollocks Büchern (Beginn: 20 h im Café Landtmann).

Donald Ray Pollock, „Knockemstiff“ (256 Seiten), erschienen bei Liebeskind, EUR 19,80, ISBN 978-3-935890-014-5