Kurios: Milliardär schenkt Jugendlichen in Thailand ein Fußballstadion

Ein belgischer Milliardär schenkt jugendlichen in Thailand ein Fußballstadion um zwei Millionen. Das Chiangrai Hills Stadium. Warum er das gemacht hat?

Ursprünglich bin ich wegen einer Drogen-Story in den Norden Thailands gereist. Jahre, nachdem ich das erste Mal über das Kloster berichtet habe, in das Junkies aus aller Welt zum Entzug kommen, will ich sehen, was sich verändert hat.

Doch dann erzählt mir ein Kontaktmann eine Geschichte, die so abenteuerlich klingt, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich nicht gerade einen völlig abstrusen Trip erlebe: Ich höre von einem Fußballstadion, das im Niemandsland stehen soll. Brandneu soll es sein, einige Millionen Dollar gekostet haben und das schönste Stadion im Norden Thailands sein. Und trotzdem würde dort niemand Fußball spielen. Ein Milliardär aus Europa soll dieses Stadion gebaut haben.

„Euer Didi Mateschitz ist ein armer Würstelbrater im Vergleich zu diesem Typen“, sagt mein Kontaktmann. Klingt mysteriös. Klingt interessant. Ich leihe ein Moped und düse los.

Chiangrai Hills Stadium

Etwa 30 Kilometer vor der kambodschanischen Grenze verlasse ich die Hauptstraße, biege ein in eine schmale, mit Schlaglöchern übersäte Nebenstraße. Ich ziehe vorbei an kleinen Hütten mit windschiefen Zäunen. Hühner laufen frei rum, Hunde dösen am Straßenrand. Hin und wieder kommen mir Einheimische auf alten Mopeds entgegen, meist ohne Helm, dafür immer viel zu schnell.

Und dann, nach einer uneinsichtigen Linkskurve, lese ich die Worte „Chiangrai Hills Stadium„, eingemeißelt in eine meterhohe Steinmauer. Bäume säumen die Zufahrtsstraße zum Stadion. Unmittelbar vor mir ein großes offenes Eisentor. Ein Hund hetzt für einige Meter hinter mir her, und dann stehe ich mitten im Stadion. Moped abstellen, Helm runter, staunen.

Wie eine Oase mitten in der Wüste, ein Fußballstadion im Nirgendwo, ganz aus Naturstein gebaut. Haupt- und Nebenplatz sind vorhanden. Flutlichtanlage. Eine Längsseite des Stadions ist vollkommen überdacht. Ränge aus Naturstein laufen steil nach oben. Unter den Rängen zahlreiche Einbuchtungen und Durchgänge. Werbebanner zieren die Wände. Auf Höhe der Mitte des Spielfeldes protzt eine riesige Bühne, darüber eine monströse Videowall. Auch auf einer Querseite: vorne Stehplätze, dahinter steil aufsteigende Sitztribünen. Geschätzte 5.000 Menschen passen in dieses Stadion. Der Rasen fantastisch, die Linien frisch gezogen.

Luxus pur in Thailand

In der Mitte des Platzes stehen zwei Fußballtore. In den Katakomben: Umkleidekabinen, mehrere Mehrbettzimmer mit noch verpackten Bettdecken und Polstern. Ich entdecke einen VIP-Bereich: Zahlreiche weiße Ledercouches, davor kleine Tische aus Vollholz, aufgefüllte stylische Kühlschränke. Von hier aus hat man einen tollen Blick aufs Spielfeld – durch Einwegscheiben, versteht sich. Ich schnappe mir ein Softgetränk und laufe wie selbstverständlich im Stadion rum. Weit und breit keine Menschenseele. Alle Türen offen. Ein Geisterstadion.

Dank Smartphone weiß ich, dass der Besitzer „Count Gerald van der Straten Ponthoz“ genannt wird und Mitglied einer jener Familien ist, die die größte Brauerei der Welt kontrollieren. Der Bierriese heißt AB InBev. Budweiser, Beck’s, Löwenbräu, nahezu alle bekannten Biermarken gehören diesem Konzern. Jährlich produziert das Unternehmen an die 500 Millionen Hektoliter Bier. Das entspricht in etwa 920 Milliarden Krügerln. Der Jahresumsatz liegt bei über 40 Milliarden Dollar. Red Bulls Umsatz liegt übrigens bei vergleichsweise bescheidenen fünf Milliarden Dollar. Einheimische erzählen mir, dass Count Gerald van der Straten Ponthoz ein Anwesen, nur wenige hunderte Meter vom Stadion entfernt, besitzt.

Also knattere ich zu seinem von Mauern umschlossenen Anwesen und klopfe an der Tür. Genauer gesagt bimmle ich an einer mechanischen Glocke, und nach langem Warten und heftigen Diskussionen mit Angestellten heißt es zu meiner Überraschung: „Folgen Sie mir, Mr. Gerry erwartet sie“, und da bin ich dann still und folge der jungen Dame artig.

In der Einfahrt steht gleich einmal ein brandneuer Hummer, daneben ein Lamborghini. Das tausende Quadratmeter große, penibel gepflegte Gelände zieht sich einen Hügel hinauf, wo das im thailändischen Stil gehaltene, rund 600 Quadratmeter große Haupthaus über dem Anwesen thront. Auf einer überdachten Terrasse soll ich auf Mr. Gerry warten. Ein riesiger Ventilator an der Decke sorgt für Kühlung. Ich sehe englischen Rasen, kultivierte Sträucher, uralte Bäume, zahlreiche stilvolle Nebengebäude, dazwischen Swimmingpool, Biotop. In der Ferne liegt Thailand postkartentauglich zu meinen Füßen. Grünes hügeliges Land, am Horizont eine Bergkette. Und dann steht Mr. Gerry vor mir. Ein schlanker, feingliedriger Mann Mitte 40. Kurzhaarschnitt, auffallend gepflegte Haut. Er trägt legere Kleidung: knielange Cargopants, schwarzes T-Shirt, Flip-Flops. Er streckt mir seine Hand entgegen und sagt, dass ich ein Glückspilz sei, weil er fast nie hier sei und man Fremde sonst auch nie ohne Anmeldung ins Haus ließe. Er spricht englisch mit französischem Akzent. Er schaut mir direkt in die Augen und fragt: „Wie kann ich helfen? Was führt Sie her?“

Nach kurzer Vorstellung und einigem Herumdrucksen meinerseits steht die entscheidende Frage dann irgendwann klar im Raum. Wozu baut man ein Stadion im Nirgendwo?

Der Mann, dem all das hier gehört, schmunzelt, und dann erzählt er eine Geschichte, die viel verrät über Geld und Armut und Hoffnung und Menschlichkeit im Guten wie im Schlechten. „Angefangen hat alles mit einem Versprechen, das ich einer Gruppe mittelloser Jugendlicher gegeben habe“, beginnt Mr. Gerry. Die Burschen, alle aus den Bergen ringsum, spielten hier in der Gegend Fußball. Jeden Tag. Der Platz holprig, die Tore aus einfachen Bambusstangen, der Lederball eiförmig. Eines Tages baten sie den reichen Fremden, der sich vor Jahren in der Gegend angesiedelt hatte, um Unterstützung. Es ging um eine Bitte mit überschaubaren Folgen. Echte Tore mit Netzen, Lederbälle, vielleicht auch noch das Fußballfeld begrenzen, Meisterschaft wollten sie spielen.

Mr. Gerry lehnte ab, gab den Jugendlichen aber die Hoffnung, in einem halben Jahr wiederkommen zu dürfen. „Ich dachte, wenn sie ein halbes Jahr durchhalten, täglich trainieren, dann haben sie sich eine Unterstützung verdient“, gibt Gerry sein Lebenskredo „Leistung gehört belohnt“ wieder. Klar trainieren die Burschen wie wild und klar stehen sie ein halbes Jahr später wieder vor der Tür des Hoffnungsträgers. Und da beschließt Gerry, der Milliardär, der gewohnt ist, in großen Maßstäben zu denken, anstatt eines simplen Fußballplatzes gleich ein richtiges Stadion bauen zu lassen. Man kann sich vorstellen, wie die mittellosen Burschen begeistert von dieser Idee waren. Wie sie von Meisterschaftsspielen im eigenen Stadion träumten, von einer erfolgreichen Fußballkarriere. Wie sie ihr Glück kaum fassen konnten. Endlich eine faire Chance im Leben, endlich der Armut entkommen. Dem Fußball sei Dank, und Mr. Gerry.

Und so ähnlich sah das auch der Geldgeber, nüchterner wahrscheinlich und in einem wesentlichen Detail allerdings anders als die Fußballer. Sie sollten nicht mehr nur Fußball spielen und von unrealistischen Karrieren träumen, sondern in erster Linie die Geschäftsmöglichkeiten rund um die beliebteste Nebensache der Welt erkennen und sich somit selbst aus dem Schlamassel ziehen. Sie sollten das zur Verfügung gestellte Objekt als Chance erkennen. Musikfestivals veranstalten, Fußballcamps organisieren, Kontakte knüpfen und neue Geschäftsfelder entdecken, so wie Mr. Gerry, der Milliardär, das eben kann und gewohnt ist. „Alles, was ich die Burschen lehren kann, ist Geschäfte machen, Geld zu vermehren“, sagt Gerry, „ich bin kein Fußballtrainer, ich kenne nicht einmal die Regeln dieses Sports, und Sozialarbeiter bin ich auch keiner.“

Doch die meisten Kicker ließen sich nicht wirklich auf den Deal ein. Spielten nach kurzem Engagement bei dem Projekt wieder nur Fußball, träumten weiter von einer Fußballerkarriere oder von anderen irrealen Möglichkeiten, der Armut ein Schnippchen zu schlagen. Lediglich einige wenige nutzen die Chance. Kümmern sich um das Stadion, managen es mit der Unterstützung von Mr. Gerry, pflegen den Rasen, halten das Stadion sauber, versuchen zu lernen.

Das Projekt ist ihm ein Anliegen

Sie arbeiten hart jeden Tag, verdienen Geld und steigen gesellschaftlich auf. Einer eröffnet mit dem bereits verdienten Geld eigenständig ein Lokal, in welchem mittlerweile die gesamte Familie beschäftigt ist. Ein anderer kauft sich ein Motorrad, teurer wahrscheinlich als der gesamte Besitz seiner Eltern. „Man wirft mir vor, dass ich sie verziehe, weil ich sie sich schöne Dinge kaufen lasse anstatt immer alles zu teilen“, sagt Mr. Gerry. „Ich bin Kapitalist, und ich glaube daran, dass nur diese Denkensart der Armut Herr werden kann.“

Und ist er zufrieden mit dem Output? Millionen investiert und letztlich lediglich einer Handvoll Menschen zum Glück verholfen. Passt da die Rechnung für einen überzeugten Kapitalisten? Für Sekunden schaut Mr. Gerry ernsthaft ins Leere. Man merkt, dass ihm dieses Projekt ein echtes Anliegen ist. Dann beugt er seinen Oberkörper in meine Richtung und sagt: „Nein, natürlich nicht. Ich wollte den Menschen in der Umgebung etwas Gutes tun, ihnen einen Weg aus der Armut zeigen, und die meisten konnten oder wollten diesen scheinbar nicht gehen.“ Und dann erzählt Mr. Gerry von seinen Überlegungen, doch noch eine Mannschaft gründen zu wollen, vielleicht auch einen Trainer zu engagieren, für einen Meisterschaftsbetrieb zu sorgen. „Denn letztlich“, meint er, „wollte ich den Jungs Freude bereiten, und wenn dies nur durch simples Fußballspielen gelingt. Mein Gott – warum denn nicht.“

Ich verbringe einige Tage auf dem Anwesen von Gerry. Zumeist philosophieren wir darüber, wie man die Welt besser und gerechter machen könnte. Multidimensionalität und Vielschichtigkeit dieses Themas scheinen jedes noch so kostspielige Vorhaben zur bloß oberflächlichen Kosmetik zu degradieren. Da macht sich schnell eine gewisse Ohnmacht breit. Selbst dann, wenn man jährlich zig Millionen für Soziales zur Verfügung hat. Dass aber ein weiteres Fußballstadion eine eher suboptimale Aktion wäre, darüber sind wir uns letztlich einig.