Wein-Exoten in Österreich: Wachstum der Zwerge

Wein wird in allen Bundesländern Österreichs produziert. Der Wiener besuchte die Winzer-Exoten und kostete sich durch Chardonnay aus dem Strudengau.

Vom „Weinkompetenz-Zentrum Oberösterreich“ aus sieht man alles Mögliche – das Donautal, die „Gurkerlbude“, ein heimliches Wahrzeichen des Bezirks Perg, selbst das durch den Luftg’selchten Pfarrer bekannte St. Th omas am Blasenstein. Vieles sieht man also, aber definitiv keine Berge. Doch auf den Flaschen von Leo Gmeiner, dem Winzer aus dem Machland, muss als Herkunftsbezeichnung „Bergland“ stehen. So will es das Gesetz, nachdem selbst die arrivierten Weinbauern in Wien, der Steiermark, dem Burgenland und Niederösterreich zugeben mussten, dass „Der Rest von Österreich“ auf Etiketten ein bisserl eigen klingt.

Das „Bergland“ war also eine Art

Verlegenheitsbezeichnung, hinter der sich mittlerweile gleich fünf Bundesländer verbergen könnten. Den meisten Konsumenten ist das aber ohnehin egal. Denn westösterreichische Weingärten wie der hoch über dem Rhein von Vorarlbergs Ski-Ikone Anita Wachter angelegte oder die Benefizabfüllung aus den Paris Lodron-Rieden der Stadt Salzburg galten als vernachlässigbare Größe, als Kuriosum eben. Auch die Tiroler Einzelkämpfer kamen über lokale Bedeutung bislang nicht hinaus. Die Plätze, die der „fünften Kolonne“ des heimischen Weinbaus im bundesweiten Qualitätswettbewerb SALON theoretisch zustanden (schließlich zahlen auch diese Winzer Marketingbeiträge dafür), blieben demnach jahrelang leer.

Fläche verzwanzigfacht

Doch das Prestige des Weins, die Wiederaufnahme alter Anbau-Traditionen und natürlich der Klimawandel haben immer mehr (kleine) Betriebe entstehen lassen. Als im Vorjahr zwei Kärntner Rotweine von der Kostjury ins Finale gebeten wurden, war die Freude bei den bisherigen Underdogs entsprechend groß. Geht es nach dem Obmann der Kärntner Winzer, dann geht sogar noch mehr. Denn für den Krumpendorfer Horst Wild liegt das Potenzial eher bei den Weißweinen aus dem südlichsten Bundesland. Der Präsident bezeichnet sich selbst zwar als „Hobbywinzer“, die Entwicklung des Weinbauverbands Kärnten erfüllt ihn aber mit deutlichem Stolz: „Von den derzeit ca. 200 Mitgliedern haben 85 bis 90 das Ziel, staatlich geprüften Qualitätswein herzustellen.“

Damit steht man an der Spitze der „Wein-Zwerge“, was die Zahl der Betrieb betrifft. Lässt man sich die Rebflächen-Statistik vorlegen, wird die steile Entwicklung noch deutlicher: Aus bescheidenen vier Hektar wurden in den letzten zehn Jahren 85 Hektar im Ertrag stehende Kärntner Rebfläche. So groß sind in Niederösterreich manche Einzelbetriebe, und auch das ist im internationalen Vergleich klein, doch „ein Ende des Wachstums“, sagt Wild, „ist derzeit nicht zu erkennen“. Zumal der Krumpendorfer die im Vorjahr landesweit produzierten 170.000 Flaschen Wein lediglich nur als Etappenziel ansieht. Seine Vision: „Bis 2020 sollte die jährlich produzierte Menge auf 750.000 Flaschen steigen und Wein aus Kärnten das touristische Leitgetränk sein.“

Die Wörthersee-Winzer

Welche Voraussetzungen Hobbyweine von einem wirklich guten Tropfen aus dem Süden unterscheiden, erläutert der Klagenfurter Dr. Erwin Jäger: „Bei entsprechend gutem Mikroklima und Lage, dazu Qualitätskontrolle und Mengenbeschränkung der Trauben gelingen hervorragende Beispiele.“ Sein Traditionsgeschäft „Delikatessen Jäger“(www.delijaeger.com) fungiert – mangels einer Gebietsvinothek – seit langem als Anlaufstelle für Kärntner Weinfreunde. „Vor zwanzig Jahren wurde in unserer Vinothek der Weinbauverein Kärnten gegründet“, erinnert sich Jäger. Damit wurde der erste Schritt zur Renaissance des Weins gesetzt. Eine entsprechend rechtliche Ordnung folgte den ersten Rebpflanzungen der Pioniere.

Die Anlage eines 1,5 Hektar großen Weingartens der Landeshauptstadt hat dem einst exotischen Thema weiteren Schwung verliehen. Denn damit wurde auch das lokale Konsumenten-Interesse an den Weinen beflügelt. Die acht „Stadtwinzer“, die sich den Garten teilen und zu denen auch Horst Wild zählt, können bei den Führungen durch die Rebzeilen zwischen Strandbad und Hotel Wörthersee 500 Besucher begrüßen. Das Etikett „Bergland“ stört den Kärntner Weinbau-Präsidenten dabei übrigens nicht, es sei vielmehr eine zusätzliche Motivation, Qualitätswein zu produzieren, „damit irgendwann auch Kärnten auf die Flaschen geschrieben werden darf“. Wenige Kilometer entfernt sieht es einer der flächenmäßig größten Player, Georg Michael Lexer vom Weingut Karnburg, noch pragmatischer: „Unser Betrieb erstreckt sich auf bis zu 640 Meter Seehöhe, daher können wir uns gut mit dem Begriff ,Bergland‘ identifizieren.“

Small is beautiful

„Ob hohe Berge oder kleinere, ist eigentlich egal“, lässt die Etiketten-Frage auch Hubert Vittori, der mit seiner roten Cuvée Virunum 2013 die SALON-Jury (ebenso wie der Lavanttaler Erwin Gartner mit seinem Pinot Noir) überraschte, kalt. Mehr Sorgen bereitet dem momentanen Aushängeschild des Kärntner Weinbaus, dass nunmehr auch große Investoren in die bisherige Nische drängen. Er selbst hat wie viele Kollegen zuerst mit einem Hobby-Weingarten begonnen, nach vier Jahren wagte Vittori dann den Sprung zum Profi-Winzer. Da die gesamte Anbaufläche einem Landeskontingent unterliegt, nehmen Großbetriebe mit dem an sich zu begrüßenden Einstieg mehreren kleineren die Chance auf eigenen Weinbau. „In Kärnten war und ist die Entwicklung des Weinbaus sehr, sehr schnell, was eigentlich den Winzern nicht so gut bekommt“, sieht der Gurktaler Winzer bereits Schattenseiten des Erfolgs.

Dass die Szene der Bergland-Weine trotz des Aufschwungs immer noch überschaubar ist, beweist ein Besuch in Weinzirl bei Leo Gmeiner. Hier hängen, ungewöhnlich genug, die Porträtfotos seiner Winzerkollegen an der Wand. Wohlgemerkt aus dem ganzen Bundesland, denn mehr als 30 Mitglieder zählt der oberösterreichische Weinbauverband nicht, nur rund zehn davon produzieren überhaupt Flaschenabfüllungen in nennenswerter Menge. Wobei das -angesichts der 5.000 Flaschen, die Gmeiners Hof verlassen -auch wieder relativ ist. Insgesamt ein Hektar teilen sich die Rebsorten Bouvier, Chardonnay, Roesler und Zweigelt bei ihm, 30 werden es momentan im ganzen Land, bis hinauf ins Innviertel, sein.

Weine statt Schweine

Mit dem Wein hat der 33-Jährige als Sohn aus einem gemischten Landwirtschaftsbetrieb (bis heute werden Kukuruz, Senf und Soja angebaut) begonnen, als die Schweine-Gehege umgebaut werden sollten. „Das wollte ich nicht, aber Wein hat mir immer schon gefallen, schon mit 16 Jahren bin ich mit dem Zug als Lesehelfer zu Hannes Steurer nach Jois gefahren.“ Auch die Starthilfe in Form der ersten Reben, die 2003 in Weinzirl ankamen, stammte aus dem Burgenland. Vier Jahre später konnten die ersten Flaschen abgefüllt werden. Im Gegensatz zu einigen Kollegen, bei denen der Wein eine Erweiterung des Most-Angebots im Heurigenschank darstellte, widmet man sich in Perg ausschließlich den Reben. Der Perger Ortsteil trägt den Namen schließlich nicht zufällig, wie Gmeiner penibel recherchierte: „Schon im 9. Jahrhundert wird der Weinbau entlang der Naarn erwähnt.“

Bis Mitte des 18. Jahrhunderts findet man ihn in den vorgedruckten Abgabenlisten für Bauernprodukte, überzeugte ihn eine Recherche im oberösterreichischen Landesarchiv, „dass es ihn zumindest kurz zuvor noch gegeben haben muss“. Somit lebt mit dem auch für Verkostungen gerne gebuchten „Weinkompetenz-Zentrum“ eigentlich eine Tradition wieder auf. Leo, der hauptberuflich im Solaranlagenbau tätige blonde Sonnyboy, fasst das wirtschaftliche Abenteuer Winzerei so zusammen: „Es geht uns besser als geglaubt, es ist aber auch weit mehr Arbeit, als wir geglaubt haben.“ Damit wiederum dürfte er etlichen seiner „Bergland“-Kollegen aus der Seele sprechen.