Samuel L. Jackson im Wiener-Interview: „Snowden ist ein Verräter“

Spätestens seit „Pulp Fiction“ zählt er zu den ganz großen Hollywood-Stars: Der WIENER traf Samuel L. Jackson in London zu einem höchst aufschlussreichen Gespräch.

Samuel L. Jackson braucht niemandem mehr etwas zu beweisen: Spätestens seit seinem Durchbruch mit Pulp Fiction“ gilt der US-amerikanische Darsteller als Schauspielikone. Was motiviert den großgewachsenen Mann mit den überraschend weichen Gesichtszügen, im Alter von 65 Jahren und mit etlichen Millionen auf dem Konto immer neue Rollen zu verkörpern? Der WIENER traf den Schauspieler in London und sprach mit ihm über seine größten Rollen, über den NSA-Skandal und über Edward Snowden

WIENER: Sie haben eine beachtliche Karriere hinter sich. Was empfinden Sie, wenn Sie auf Ihre schauspielerische Laufbahn zurückblicken?

Ich erinnere mich an den Tod von Sir Laurence Olivier. Ich saß vor dem Fernseher und sah diesen Nachruf, bei dem die vielen Gesichter Oliviers in den verschiedensten Rollen seines Lebens nacheinander geschnitten wurden. Da dachte ich mir: Das ist die Art Karriere, die ich mir wünsche, so sollte einen das Publikum erinnern. Wenn sie dein Gesicht sehen, erinnern sie sich an diesen einen Film oder diese bestimmte Figur – das war es, was ich damals zu meinem beruflichen Ziel erklärte.

Sie sind ein ziemlich wandelbarer Darsteller.

Ich wollte mich transformieren und habe diese ganzen Kostüme, Perücken und so weiter getragen, schließlich kann ich jederzeit so wie ich selbst aussehen. Ich hatte das Glück, mit Regisseuren zusammenzuarbeiten, die mir große Freiheiten boten. Das war es, was ich mir damals erhofft hatte: Am Ende meiner Karriere genügend Filme zu haben, so dass jeder, der mein Gesicht sieht, sagen kann, dass er wenigsten zwei Filme, in denen ich mitspielte, mochte (lacht). Zwei Figuren, die er sieht und sich denkt: „Dieser Typ ist cool“.

Haben Sie einen Lieblingsfilm?

Long Kiss Goodnight. Ich hatte damals eine großartige Zeit. Es hat einfach Spaß gemacht

Und wenn Leute Sie auf der Straße sehen – auf welchen Film werden Sie dann am ehesten…

(fällt ins Wort) Pulp Fiction.

Immer noch?

Das Interessante an dem Film ist, dass es jedes Jahr eine neue Generation von Kindern gibt, die alt genug werden, um den Film sehen zu dürfen. Also gibt’s auf einen Schlag zwei Millionen neue Kinder, die 16 oder 17 werden oder wann auch immer ihre Eltern sagen „Hier: Pulp Fiction!“ – und dann gehen die Kids komplett drauf ab und glauben, sie seien die Ersten, die den Film je gesehen haben (lacht). Alles hip, alles cool, immer wieder aufs Neue: „You know what they call a quarter pounder with cheese in France?“ …

Werden Sie regelmäßig auf der Straße erkannt?

Nun, ich sorge selbst dafür, da ich sicherstelle, dass jeder Film wenigstens 1000 Dollar Einnahmen macht, indem ich selbst die Tickets in der Höhe kaufe und sie dann an meine Kirche verteile (lacht)… Ansonsten haben sich die Zeiten geändert, niemand kommt mehr zu einem und bittet dich um ein Foto, die Leute sitzen eher mit ihrem Handy da, tun als würden sie telefonieren und schießen heimlich ein Bild (lacht)

Ihr neuster Film, „Captain America 2: The Winter Soldier„, ist eine Comicverfilmung. Haben Sie als Kind gern Comics gelesen?

Ich gehe sogar jetzt noch ein- bis zweimal im Monat ins Comic-Geschäft. Ich lese eine Menge verschiedenster Graphic Novels. Es war in einem Comic-Geschäft, als ich begriffen habe, dass Nick Fury „ich“ bin – wann habe ich jemandem die Erlaubnis gegeben, eine Comic-Figur nach meinem Vorbild zu erschaffen? (lacht). Als Kind rennt man herum mit einem Handtuch um die Schultern und tut so, als hätte man ein Cape – und jetzt bin ich tatsächlich selbst in dieser Welt, in den Marvel-Comic-Verfilmungen. Das ist schon großartig.

Wie fühlen Sie sich mit all den durchtrainierten, jungen Schauspielern und Superheldenkörpern um Sie herum?

Bringt Sie das dazu, selbst ins Fitnessstudio zu rennen? Nein. (Lacht) Nein. Eher lass ich mir ein Shirt anfertigen, das falsche Muskeln eingebaut hat.

„Captain America 2: The Winter Soldier“ ist überraschend politisch für eine kommerzielle Comic-Verfilmung.

Das stimmt. Vermutlich ist das das letzte, was die Zuschauer bei solch einem Film erwarten würden: Ein subversiver Plot, der die reale Tatsache reflektiert, dass uns die Regierung ausspioniert und die Bedeutung von „Freiheit“ sich sehr schnell und stark verändert. Genauso wie im Film: Die Waffen sind auf die Feinde gerichtet, aber sie zielen genauso auf die Leute, die sie beschützen sollen.

Der Trailer zu Captain America 2: The Winter Soldier

Würden Sie sagen, dass das, was Captain America im Film macht, zu vergleichen ist mit den Enthüllungen durch Edward Snowden? Betrachten Sie Snowden gleichermaßen als Held – oder sehen Sie ihn als Verräter?

Nun, er ist ein Verräter. Er hatte einen Job, den hat er nicht erfüllt.

Also ist Captain America auch ein Verräter?

Nein. Das sind zwei verschiedene Dinge. Captain Americas Job ist es nicht, sensible Informationen zu bewahren, er hat keine Verträge unterschrieben, mit denen er sich verpflichtet, diese Geheimnisse zu bewahren. Wissen Sie, es ist die eine Sache … ach, lassen wir das. Jedenfalls: Wer ernsthaft denkt, dass die Regierung ihn nicht ausspäht, ist kindisch und auf gewisse Weise auch dumm. (Lacht.) Aber gut, das ist jetzt nur meine Meinung, ich bin ja auch ein Produkt der Sixties, ich war es ohnehin immer gewohnt, dass die Regierung ganz genau auf das schaut, was ich tue.

Hatten Sie gar keine Angst davor, dass Ihre Geräte abgehört werden, als Sie von den umfassenden Überwachungsaktionen der US-Regierung erfuhren?

Ja klar, das hat doch jeder. Aber wie gesagt, das weiß doch jeder, der ein Handy hat, dass man zum Beispiel bestimmte Worte nicht übers Handy sagen kann, Sie können nicht „Bombe“ oder „Sprengstoff“ sagen, ohne dass sich automatisch jemand in Ihre Leitung hineinschaltet. Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass das nicht passiert. Wenn Sie über die Straße laufen, dann werden Sie 99 Prozent der Zeit von Videokameras überwacht. Es gab mal eine Zeit, da war das noch nicht möglich. Heute geht das ganz einfach. Allein die Tatsache, dass Sie ein Handy haben, reicht schon, damit man jederzeit checken kann, wo Sie sich befinden. Für mich ist das jetzt keine große Sache. Es ist eigentlich nur schlecht für Leute, die schlechte Dinge vorhaben.