Chemie: So giftig ist das technische Klumpert, mit dem wir uns umgeben

Viele Kunststoffteile von Kabeln, Tastaturen, Kopfhörern oder Computermäusen sind kontaminiert und sind gesundheitlich bedenklich. Das hat ein Test der Zeitschrift „c´t“ ergeben.

Wenn eine Handyhülle wie eine Tankstelle riecht, sollten beim Käufer die Alarmglocken schrillen. Denn ungewöhnliche Gerüche können bei technischen Zubehör ein Hinweis auf Schadstoffe sein. Allerdings macht sich nicht jedes Gift so deutlich bemerkbar.

Kopfhörerkabel, Handyschalen oder PC-Tastaturen kommen täglich in Kontakt mit der Haut. Umso wichtiger ist daher, dass sie keine gesundheitsschädlichen Chemikalien enthalten. Dass das keineswegs selbstverständlich ist, zeigt ein Test der Computerzeitschrift „c’t“ (Ausgabe 5/2014): Viele Kunststoffteile der dabei überprüften Handyhüllen, Kabel, Mäuse, Ohrhörer oder Tastaturen sind mit bedenklichen und verbotenen Substanzen belastet.

Unübersichtliche Lage

„Die Situation bei Giftstoffen in solchen Gegenständen ist unübersichtlich“, sagt Johanna Wurbs vom deutschen Umweltbundesamt. Das Problem sei unter anderem, dass Messungen relativ teuer sind, besonders bei sehr hochpreisigen Produkten. Die Marktaufsicht in Deutschland prüfe daher nur auf verbotene Stoffe. Nach Substanzen, die lediglich umstritten sind, wird dagegen höchstens punktuell gefahndet.

Was genau in einem Gegenstand aus Kunststoff enthalten ist, kann man also in der Regel nicht wissen. „Ausnahmen sind beispielsweise Lebensmittelkontaktmaterialien“, sagt Ralph Pirow vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Unter den Begriff fallen zum Beispiel Verpackungen für Lebensmittel, Besteck und Geschirr und bestimmte Küchengeräte. In solchen Produkten dürfen die Hersteller nur zugelassene und damit geprüfte Inhaltsstoffe verwenden. Ähnlich ist es bei Kosmetika, denn über die Haut, das Essen und die Atmung können Gifte in den Körper gelangen.

Wenig strenge Vorgaben

Bei Technik, darunter auch die von der „c’t“ getesteten Produkte, sind die Vorgaben weniger streng. Dabei kommen sie, etwa im Falle von Kopfhörerkabeln, oft stundenlang mit der Haut in Kontakt – und zwar nicht nur am Kopf, sondern manchmal auch an der Brust, wie die „c’t“ zu Bedenken gibt. In 8 der 21 getesteten Produkte fand das von der Zeitschrift beauftragte Labor Bureau Veritas verbotene Stoffe. 5 Produkte enthielten erlaubte, aber bedenkliche Substanzen, nur 8 Kandidaten wurden als unbedenklich oder eher unbedenklich eingestuft. Besonders gut schnitten die Mäuse ab, besonders schlecht die Kabel.

Getestet wurde auf drei Chemikalien, darunter Polyzyklische Kohlenwasserstoffe (PAK). Das sind Verunreinigungen, die bei der Gummiherstellung oder beim Färben mit Ruß in die Produkte gelangen. „PAK sind ganz klar krebserregend“, sagt Johanna Wurbs. Ab Dezember 2015 gilt deshalb für acht dieser Substanzen ein Grenzwert von einem Milligram pro Kilogramm Produktgewicht.

Womit kommen wir in Berührung?

Das betrifft aber nur Produkte mit direktem längerem oder wiederholtem Hautkontakt. Im „c’t“-Test überschritten die Gummifüße einer Tastatur den Grenzwert zwar um das 534-fache. Vermutlich kommen die meisten Nutzer damit aber nur selten in Berührung. „Die einer Substanz innewohnende Gefährlichkeit zusammen mit der durch die Haut aufgenommenen Menge bestimmt das gesundheitliche Risiko“, erklärt Ralph Pirow.

Was keinen Hautkontakt hat, ist deswegen aber nicht automatisch unproblematisch. Schließlich haben die belasteten Produkte auch einen langfristigen Einfluss, erklärt Johanna Wurbs, und gelangen so zum Beispiel in die Nahrungskette. Mittlerweile werden zum Beispiel überall in der Umwelt Phthalate nachgewiesen. Als sogenannter Weichmacher sind sie in manchen Kunststoffen mit Anteilen von bis zu 40 Prozent enthalten, auch in den getesteten Produkten. Einige Phthalate wirken wie Hormone, sie können zu Unfruchtbarkeit und Frühgeburten führen.

Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Quecksilber verbietet die deutsche Elektrostoffverordnung schon jetzt. Und ein weiteres Regelwerk, die POP-Konvention (Persistent Organic Pollutants – persistente organische Schadstoffe) behandelt unter anderem kurzkettige Chlorparaffine (SCCP), die auch in Elektrogeräten eingesetzt werden. SCCP sind Kunststoffen als Weichmacher und Flammschutzmittel zugesetzt und können krebserregend sein. Obwohl sie seit 2013 verboten sind, enthielten 9 der getesteten Produkte SCCP.

Neue Verordnung

Weitere Beschränkungen für Chemikalien bringt die europäische REACH-Verordnung (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals). Zurzeit müssen Hersteller und Importeure die Chemikalien, die sie benutzen, laut REACH registrieren. In einem mehrstufigen Verfahren werden sie dann gescannt und bei Gefährlichkeit zulassungspflichtig oder verboten. Dazu gibt es ein Auskunftsrecht für Verbraucher: Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin dürfen sie Informationen über alle besorgniserregenden Stoffe einfordern, deren Anteil in einem Produkt über 0,1 Prozent liegt.

Es sind also einige Regelwerke in Kraft, die Verbraucher vor gefährlichen Stoffen schützen sollen. Wie der Test der „c’t“ zeigt, halten sich aber nicht alle Hersteller daran. Manchmal können Verbraucher wenigstens am Geruch erkennen, ob ein Produkt gefährliche Stoffe enthält: „PAK haben manchmal einen Tankstellengeruch, Phthalate können sogar fruchtig riechen“, sagt Johanna Wurbs. Schwermetalle seien dagegen geruchlos.

Je teurer, desto besser

Hilfreich kann es außerdem sein, sich beim Kauf auf Markenprodukte zu beschränken. „Namhafte Firmen haben einen Ruf zu verlieren“, erklärt die Expertin. „Und je größer eine Firma ist, desto größer sind die Umweltabteilung und das Know-how. Man hat eher eine Sicherheit.“ Vollständig sei diese aber nicht: Schließlich könne auch ein Zulieferer verbotene Substanzen in den Produktionsprozess bringen.