Reise Tansania: Der Sound der Hippos im Osten Afrikas

Giraffen, Löwen, Nilpferde – und eine Warnung: „Verlasst in der Nacht auf keinen Fall eure Zelte.“ Das Reisedepartment von WIENER-ONLINE unterwegs in Tansania mit einem Mann namens „Liebe“ (und das ist wahrlich kein Grund zum Lachen)

AUSZUG AUS MEINEM WHATSAPP-CHAT:

Ich: Liebe Grüße aus Tansania (plus zwei Fotos)
– Unglaublich schön! Wünsche dir eine tolle Reise!!!
– Hakuna Matata!* (*Swahili: Alles in bester Ordnung)
– Wow toll! Ich träume jetzt von einer
Hängematte in der Sonne!
– … mit einem gut gekühlten Gin Tonic
– Genieß die „andere Welt“
– Ich beneid dich!! Aber genieß es trotzdem.
– Kann man dann wieder eine Story von dir lesen?

Mann kann. Und zwar jetzt.

„Wer möchte in die ‚River Suiten‘?“ Viele Arme schnellen in die Luft. Kein Wunder. Direkt am Fluss ist das rege Treiben, Schnaufen, Grollen und Knurren der Nilpferde – zu vergleichen mit einem wütenden Stier – besonders eindrucksvoll zu verfolgen. „Und wer möchte in die romantischen Unterkünfte am ‚Hippo Point‘? Die sind allerdings rund zwei Kilometer mit dem Auto entfernt.“ Noble Zurückhaltung. Schließlich melden sich zwei draufgängerische Männer freiwillig für das Abenteuer im tiefsten Busch. Lediglich per Funkgerät (dort unten gibt’s weder Internet- noch Handyempfang) sind sie mit der Außenwelt – dem Haupthaus – verbunden. Aus Sicherheitsgründen dürfen sie alleine keinen Schritt vor die Zeltplane der nicht umzäunten Lodge setzen. Wir anderen werden oben am Hügel in unmittelbarer Umgebung des Haupthauses, dem sogenannten Fort, in den „Eagle Hill Suiten“ mit traumhaftem Rundum- und Ausblick auf den Ruaha-Fluss untergebracht. Zur Rezeption – und somit auch zum WLAN! – sind es nur ein paar Meter, die wir untertags auch ohne Geleitschutz eines Guides bewältigen dürfen. Eine Lodge für uns alleine!

Wo sind wir eigentlich?

Zwei Stunden vorher. Von Dar es Salaam aus starten wir mit einer einmotorigen Cessna in Richtung Selous (sprich: Selu) Game Reserve im Süden von Tansania. Mit 55.000 km² ist es das größte Reservat in Ostafrika. Hier ist selbst die Großwildjagd noch erlaubt. Im Eiltempo lassen wir die Zivilisation hinter uns. Die markant blauen Wellblechdächer, die von oben wie Swimmingpools aussehen, verlieren sich rasch in immer dichter werdender Vegetation mit Bäumen, unter uns so klein wie Brokkoli-Röschen. Flüsse und ausgetrocknete Flussbette, die sich im Laufe der nächsten Tage und Monate mit Wasser füllen werden, schlängeln sich durch die Landschaft. Neben uns vorbeiziehende Regenschauer. Nach 50 Minuten Flugzeit taucht mitten im Busch vor uns eine große, grüne, baumlose Fläche auf – die Sumbazi-Landebahn, 120 km von der nächsten Stadt (Kisaki) entfernt. Der tansanische Pilot bringt den „Vogel“ erstaunlich sanft auf den Boden. Die Luken werden geöffnet. Luftfeuchtigkeit: 60 Prozent. Temperatur: 30 Grad. Strenger, zooähnlicher Tiergeruch aus allen Windrichtungen. Drei Landrover – zwei für uns, einer fürs Gepäck -, Welcome-Drinks und Cassava (Maniok)-Chips stehen für uns bereit. Am Boden ein Haufen drei Zentimeter große, eiförmige Bemmerl – Giraffen-Exkremente, wie uns unser künftiger Guide Pendaeli erklärt.

Auf der Pirsch

Die 30-minütige Offroad-Fahrt über Stock und Stein zu unserer Lodge erweist sich als erste erfolgreiche „Game-Drive“ (Pirschfahrt). Noch keine Minute im Allrad-Auto, kreuzt schon eine Giraffe unseren Weg. Diese in ihrer Größe und Anmut in freier Wildbahn zu bestaunen, lässt jeden Zoobesuch verblassen. Reflexartig werden die Kameras gezückt, bevor das gigantische Wesen – Bullen können bis zu 5,8 Meter groß und ihr Herz bis zu 25 kg schwer werden – im Galopp flüchtet. Trotz der Geschwindigkeit erscheinen die Bewegungen wie in Zeitlupe. Der lange Hals wippt vor und zurück – und schon ist sie im dichten, grünen Busch verschwunden. Welch beeindruckender Empfang! Auch „Impalas“ (Schwarzfersenantilopen) sowie Springböcke säumen unseren Weg. Zu Beginn noch freudig ausgerufen, finden sie bei späteren Game-Drives ob ihrer Häufigkeit nicht mal mehr Erwähnung.

INFOS: The Retreat

2007 von der Schweizer Ärztin Uma Grob gegründet, bietet die Lodge zwölf luxuriöse, mit Palmenblättern bedeckte, auf sechs Meter hohen Teakholzplattformen errichtete und mit Warmwasser, WC, Dusche, handgefertigter Badewanne, Hängematte und mit marokkanischen Möbeln ausgestattete Zelt-Suiten. Auch Steffi Graf und André Agassi genossen hier schon Aussicht und Tierwelt. Normalerweise schließt das „Retreat“ Anfang März wegen der dreimonatigen Regenzeit seine Pforten. Dann sind die Straßen nicht mehr ­passierbar. Ab Juni wieder geöffnet.

Hippo, nicht Hypo

Ein mächtiger Tierschädel markiert die „Einfahrt“ unserer Lodge „The Retreat“. Er stammt von einem Hippo. Mit 50 cm langen Stoßzähnen gefährlicher als der Weiße Hai. Attackiert wird, was zwischen ihn und sein Futter gerät. Trotz der kurzen Beine können Nilpferde eine Geschwindigkeit von bis zu 50 km/h und ihr Gebrüll 100 dB erreichen, vergleichbar mit einem Popkonzert.
„Wenn die Sonne untergeht, dürft ihr eure Zelte nicht mehr verlassen. Um sieben kommen die Hippos zum Grasen aus dem Wasser“, erklärt Lodge-Manager Kobi den Gästen der unteren Suiten am Fluss. Passiert sei hier noch nichts, sagt er. Aber vor Elefanten ist er schon davongelaufen. Auch Löwen gibt es in der Nähe des Camps, momentan sogar mit Jungen. „Wenn ich runter zu den River-Suiten gehe, schaue ich immer, auf welchen Baum ich mich retten könnte“, meint der Südafrikaner.

WHATSAPP-Wake Up bei Sonnenaufgang:
– Schon so früh auf den Beinen? Wie groß ist der Zeitunterschied? Ihr seid ja da in einem ganz tollen wilden Naturgebiet, hab’s gegoogelt! Wünsch dir einen eindrucksvollen Tag.
– In der wilden Natur beginnt der Tag mit der Sonne oder sogar noch früher, gell?
– Na, eh klar „der frühe Wurm kriegt den Vogel“ oder so ähnlich! Wunderschönen Tag euch allen!
Von Wien über Graz bis Tansania!

Zeitunterschied

Ja, hier in Tansania – mit nur einer Stunde Zeitunterschied während unserer Sommerzeit – stehen auch die Menschen mit der Sonne auf. Hab ich überhaupt geschlafen? Bei offenen Zeltplanen, nur von Moskitonetzen umgeben, und einer Natur, die in Afrika gefühlte fünfzigmal lauter ist als bei uns in Österreich. Spätestens um halb sechs gibt es einen Schichtwechsel in der Tierwelt. Ich krieche aus meinem Himmelbett, um diesen vom Balkon aus zu beobachten. Noch ist es finster. Die vorbeischwirrenden Fledermäuse verfehlen nur knapp meinen Kopf. Froschgequake, Grillengezirpe, hin und wieder ein Hippo-Schnauben und der Sound der anderen nachtaktiven Tiere, wie Löwen, Hyänen, und Leoparden (von mir nicht eindeutig zuordenbar) weichen langsam Vogelgezwitscher und Insektensurren. In unregelmäßigen Abständen ertönt ein Platsch – Platsch – Platsch. Es stammt von Hippos, die nach ihren nächtlichen, bis zu
20 km langen Futtersuch-Streifzügen vor Tagesanbruch nun wieder das kühle Nass und den Sonnenschutz des schlammigen Flusses aufsuchen.

Morgen-Safari

Noch vor dem eigentlichen Frühstücksbrunch – jedoch mit Kaffee und Muffins gestärkt – starten wir zur Morgen-Safari mit unserem Guide Pendaeli, was übersetzt „Liebe“ bedeutet. Der 26-Jährige stammt aus dem tansanischen Arusha und arbeitet seit 2008 als Busch-Führer, zunächst im Serengeti- und Ngorongoro-Nationalpark, als Bergführer am Kilimandscharo, dem höchsten Berg Afrikas und seit drei Jahren nun für „The Retreat“ im rauen und ursprünglichen Selous-Park. „Manchmal verbringe ich bis zu acht Stunden am Tag im Auto. In der Nacht kann ich oft nicht schlafen, weil ich überlege, wo sich die Tiere verstecken.“ Pendaeli kennt die Natur wie seine Westentasche, sieht an den Ausscheidungen, ob die Tiere gesund sind oder krank. Der Busch-Experte schaukelt uns im Landrover durch die neongrüne Landschaft, deren Farbintensität nur durch die vom Blitz abgestorbenen, knorrigen Baumstämme durchbrochen wird. Wir passieren riesige Termitenhügel, Baobab- und Whistling-Thorn-Bäume (Akazien-Baum mit sieben Zentimeter langen Dornen), deren Rinde und Blätter angeblich gegen Malaria helfen sollen. Pendaeli „umschifft“ die großen Wasserlöcher und nimmt die kleinen mit Schwung, stoppt hin und wieder, um sich aus dem Fenster zu beugen und Fährten zu lesen. Nach Warzenschweinen, Gnus und Gazellen entdecken wir schließlich Zebras im Gebüsch. Pendaeli reißt das Lenkrad herum, verlässt die befestigte Straße, folgt ihnen querfeldein über die Wiese und fährt Slalom durch die Bäume. Dann hält er erneut.
Die Zebras in sicherer Entfernung. „In der Serengeti sind die Tiere Autos gewöhnt, aber hier ist es sehr still“, erklärt der ausgebildete Führer den Respektabstand. Und dann vernehmen seine feinen Ohren ein Geräusch, das den unseren entgeht. „Hier in der Nähe müssen Büffel sein.“

INFOS: Reiseplanung

Die schnellste Verbindung von Wien nach Dar Es Salaam (Tansania) – über Zürich – wird täglich von der Swiss angeboten. Das österreichische Online-Reisebüro travel.at hat 37 Unterkünfte in Tansania im Programm. Flüge, Hotels oder ganze Arrangements buchbar. Das Servicebüro in Wien steht auch während der Reise – telefonisch und online – als Ansprechpartner zur Verfügung.

Querfeldein

Sagt’s und fährt los. Wieder querfeldein, seiner Intuition bzw. Erfahrung nach. Tatsächlich taucht vor uns eine riesige Herde mit Hunderten von Büffeln und ihren Jungen auf. Als wir uns nähern, flüchten sie, was unter ihren Hufen den ganzen Boden zum Erbeben bringt. Wenn die jetzt bloß nicht in die falsche Richtung stürmen! Pendaeli ruft per Funk seinen Kameraden Fidelis und beschreibt ihm und dem zweiten Teil unserer Reisegruppe den Standpunkt. Ein Rätsel, wie sie uns hier, weit abseits der Straße, finden sollen. Doch es dauert keine zehn Minuten, und wir hören ein Motorengeräusch. Auch unsere Kollegen haben das Glück, jene Tiere zu erleben, die neben Elefanten, Löwen, Leoparden und Nashörnern zu den Big Five zählen. Und dann? Ja, dann bleiben wir im üppig grünen, saftig-sumpfigen Gras stecken. Beim Versuch herauszukommen, graben sich die Reifen des Allradautos immer tiefer in die Erde. Mit vereinten Kräften und langen Ästen versuchen die Guides unser Fortbewegungsmittel aus der misslichen Lage zu befreien. Einmal geschafft, bleiben wir noch ein zweites und drittes Mal stecken, bevor wir schließlich den Heimweg antreten können. Die Regenzeit hat eingesetzt. Nun sollten wir Menschen den Busch verlassen.

Sansibar

Tun wir. Und zwar in Richtung Gewürzinsel Sansibar mit türkisblauem Wasser und puder­zuckerweißen Stränden. Meine Gruppe wünscht:

Und hier gehts zum Making Of: