Mando Diao: „Wir haben keinen einheitlichen Stil“

Am 2. Mai 2014 erscheint „Aelita“, das neue Album von Mando Diao. Der WIENER traf Frontmann Björn Dixgard zum Interview und sprach mit ihm über Stilfragen, Entstehungsweisen und die Arbeit mit Synthie-Star Jan Hammer.

Sie galten lange als schwedische Interpretation des Brit-Popp, veröffentlichten zuletzt ein Album auf schwedisch und haben eine treue Fanschar, nicht zuletzt aufgrund ihrer ausgeprägten Live-Talente. Anfang Mai erscheint nun ihr siebtes Studioalbum namens „Aelita“ und bringt eine stilistische Sound-Odyssey mitten in die Achtziger-Jahre des vorigen Jahrhunderts, unter Verwendung noch älterer Gerätschaft; Der Album-Name stammt von einem russischen Synthesizer ab, die erste Single-Auskopplung „Black Saturday“ bringt ein Solo von Eighties-Synthiepop-Ikone Jan Hammer. Aber ist das noch der Mando Diao-Stil, den wie kennen? Sänger und Frontman Björn Dixgard meint schon. Im Interview erklärt er, warum. (Video: die erste Single-Auskoppelung von „Aelita“ namens „Black Saturday“)

Euer Musikstil wandert durch die Epochen, kann man sagen. Nun sind wir in den Achtzigern angekommen …

Nun, das kannst Du so sehen. Aber wir denken nicht in Dekaden. Wie wir angefangen haben als 15, 16jährige, als uns keiner kannte, da waren wir eigentlich ziemlich so wie auf unserem neuesten Album unterwegs. Beats, Samples, Synthetics, Electronics … es waren die Neunziger! Da war alles erlaubt. Dancemusic, Soul, Funk, HipHop, sogar Michael Jackson war cool. Wir sind also mit musikalischer Abwechslung aufgewachsen. Erst kurz vor unserem Durchbruch kamen diese Gitarrensachen …

Ihr schreibt also nicht, ihr jammt beim Komponieren?

Wir haben eigentlich nie gejammt. Wir haben zumeist Frames, gehen dann ins Studio und bearbeiten diese. Das ist die Musik mit der meisten Seele, wenn Du gleich ein Demo produzierst, das transportiert am meisten von Deinen Gefühlen.

Deswegen ändert ihr also laufend Euren Stil?

Wir haben eigentlich keinen typischen Stil. Das alles entsteht aus einem Flow heraus. Schau, etwa nach unserem dritten Album (Anm.: „Ode to Ochrasy“, 2006) hatten wir das Gefühl, festzustecken. Da haben wir einfach unseren aktuellen Stil weiterentwickelt, ich finde das ist ganz normal. Und betrifft ja auch nicht nur die Musik. Man geht da weiter, zieht sich anders an, stellt seine Wohnung um, tritt anders auf der Bühne auf. Ich finde das gehört dazu, das ist nichts geplantes, das passiert einfach.

Und das schwedische Album Infruset war dann eine Art Zäsur im Flow?

Hm … weißt Du, das klingt so geplant. Aber wir planen nicht. Weder das schwedische Album noch das aktuelle entstand aus irgendwelchen großen Plänen heraus. Wir schreiben die ganze Zeit Songs, das schon. Aber wir konstruieren keine Alben am Reissbrett. Bei dem schwedischen Album wurden wir von einer Freundin, die sich mit der Literatur von Gustaf Fröding beschäftigte, gefragt, ob wir das Zeug vertonen können. Und wir haben zuerst gesagt, hör mal, das ist nicht unser Ding. Dann haben wir uns was durchgelesen, es hat uns gefallen. Also haben wir mal was aufgenommen, alles live eingespielgt … ich meine, wir waren da völlig alleine, da hat ja keiner damit gerechnet. Und plötzlich war das Ding dann da. Und es hat uns gefallen. (Video: Ausschnitt aus der Live-Tour zu Infruset)

Ihr habt das neue Album rund um einen Synthesizer, den Aelita komponiert …

Gewissermaßen. Nach einem komischen Zufall, wirklich eine witzige Story, also pass auf. Gustaf und ich, wir sind in so einen Plattenladen in Stockholm gegangen. Haben alte Platten geschaut, herumgekramt, auf einmal sagt der Typ von dem Laden, he, seht mal, wir haben hier so altes Synthesizer-Zeug. Die hatten einen Laden aus Litauen, der ihnen Geld schuldete, aber pleite war. Also haben die ihnen den Aelita geschickt.

Also sagt der Shopmann, das sei die „Queen of Russian Synthesizer“ und absolut toll und so, also haben wir uns einkochen lassen und haben das Ding für 800 Euro oder so mit in unseren Proberaum genommen. Dann haben Gustaf und ich das Ding aufgebaut, angesteckt und aufgedreht. Aber es hat keinen Mucks gemacht. Kein Ton war dem dummen Teil zu entlocken. Also haben wir mit dem Achseln gezuckt und uns erstmal einen Kaffee gemacht, eigentlich über unsere Blödheit gelacht, so einen Schrott zu kaufen. Wir konnten ja nix machen, kannten uns null aus, alles stand da auf russische drauf, wir haben kein Wort verstanden …

Und plötzlich, wie wir da so sitzen und Kaffee trinken, macht das Ding auf einmal Lärm, wie ein verrücktes Tier, ganz von selbst. Amazing. Es hat sich wirklich wie ein Tier aufgeführt, ein Tier, das sich aufwärmt. Und plötzlich hat das Ding die wunderbarsten Klänge ausgepuckt. Wir haben dann noch einen Typen aus der Mando-Family angerufen, der sich weit besser mit Synthesizers auskennt als wir und der hat sich das Teil dann auch noch angesehen. Und plötzlich war da ein tolles Instrument in unserem Keller.

Du kannst das nicht als Technologie verstehen. Du musst es als biologisches Ding nehmen. Wenn das für Dich ein Lebewesen ist, dann behandelst Du es ganz anders, spielst es anders. Gehst anders damit um. Und dann entstehen auch ganz andere Dinge. (Bild: Synthesizer Aelita)

Nun es gibt es ja noch einen ganz bestimmten Typen, der sich möglicherweise besser mit Synthesizers auskennt als Du und der heisst Jan Hammer …

Stimmt. Eine Freundin, die bei unserem Label arbeitet, sagte, hey, wollt ihr nicht mal was mit Jan Hammer machen. Und ich sagte, wow, kennst du ihn? Sie sagte, klar, und brachte uns zusammen. Ich meine, der Typ ist eine Legende, was er in den Achtzigern gemacht hat, Miami Vice und so … awesome! Und er war sehr freundlich, sagte gleich, schickt mir was, ich mach was dazu. Wir hatten da gerade Black Saturday, schickten ihm die Tracks, keine zwei Tage später kam schon was zurück, er meinte, hört es Euch an, nehmt Euch was ihr wollt. Er spielte diese verrückte, unverkennbare Synth-Gitarre, ziemlich free, ziemlich jazzig. Ich hörte es mir an und am Anfang war ich enttäuscht, es gefiel mir gar nicht. Nichts von dem was er spielte. Dann beim dritten, vierten Mal anhören plötzlich hat mich gefangen, was er gespielt hat. Plötzlich war ich begeistert. Es ist in Wirklichkeit total unique was er spielt – Du erkennst ihn sofort. Und am Ende haben wir das komplette Solo behalten.

… er ist ja eine Legende …

Allerdings. Überhaupt taugen uns Soundtracks, immer schon. Wir mögen den ganzen Tarantino-Stuff, dann die Bladerunner-Sachen, Vangelis und wie schon gesagt Miami Vice, was Hammer gemacht hat. Das ist very inspiring … (Video: Jan Hammer live mit Jeff Beck, Simon Philipps, Ron Wood, Jimmy Page, Eric Clapton u.v.m. beim ARMS-Konzert 1983)

Ihr habt ungewöhnlich lange Intros bei Euren Songs, nicht das klassische Songformat.

Naja, wir hatten sehr viel Material. Viele Ideen, die irgendwie alle hineinfanden. Das ist das gute an Computern. Du kannst immer arbeiten, egal wo Du bist, im Studio, in der Badewanne, immer wenn Du eine Idee hast, kannst Du sie geradewegs aufnehmen. Wir haben da auf der neuen Platte alles gemixt, digital, analog.

Nun seid Ihr ja bekannt für Eure Unplugged-Shows. Wie wollt Ihr aber die doch sehr elektroniklastigen Songs von Eurem neuen Album in eine Unplugged-Version bringen?

Ach, das geht schon. Wir denken da wie Richards und Jagger. Wenn die sagen, dass die meisten Songs von ihnen eigentlich Lovesongs sind, die sie auf der Gitarre geschrieben haben. Man muss zwischen dem Songgerüst und dem Endergebnis der Produktion unterscheiden. All unsere Songs haben ein einfaches Gerüst, ein bisschen wie schwedische Volksmusik, vielleicht. Melancholisch, traurig, mit einfachen, schönen Melodien. Das ist die Basis für viele unserer Songs. Und wenn Du so eine Basis hast, dann ist es nicht weit zu einer Unplugged-Version.

Würdest Du den Aelita als akustisches Instrument bezeichen?

Weißt Du, ich mag keine Instrumente hervorheben. Mir ist ein Gitarrentrack genauso viel wert wie ein dünnes Hong Kong-Sample, das Du aus einem Computer ziehst. Es geht um den Song, um das Feeling, das der Song haben muss. Wie das gespielt ist oder womit ist zweitrangig.

War das immer so?

Nein, natürlich nicht. Das ist eine Sache des Alters (lacht) … ich meine, wir fahren früher viel mehr in diesen Schemata gefangen, Du bist der Bassist, Du der Drummer, Du spielst Gitarre … und alle haben sich nur auf ihr Instrument konzentriert. Heute haben wir die Eier, mehr zu experimentiern. Durchzumischen, nicht nur in unseren Parts zu denken. Sondern immer gemeinsam als Gruppe. Für den Song.

In welchem Line Up werdet ihr heuer live spielen?

Wir haben gerade zu proben begonnen, sehr minimalistisch. Basis-Line Up, mit Keyboards, aus. Es braucht nicht so viel um das neue Material zu spielen. Auch wenn das vielleciht nicht gleich so klingt, aber das neue Album ist ziemlich minimalistisch. Ganz normales Line Up also, wie immer. Es wird sogar eher weniger sein, kein Chor, kein Bombast.

Weißt du, wir wollen uns nicht mehr so streng als Band sehen. Eher als Gruppe von Leuten, von denen jeder seinen wichtigen Beitrag leistet.

Klingt ein wenig nach dem Caligola-Konzept (anm. Side-Project von Björn Dixgard und Gustaf Noren)

Naja, Caligola ist mehr ein Label als eine Band, ein Kunstprojekt von vielen Leuten, nicht nur Musiker, auch Maler, Bildhauer, andere Künstler. Eine Art „Open Source“-Sache, jeder der will, macht mit. Das entwickelt sich gerade in einer ziemlich elektronische Richtung. Mal sehen, was da jetzt passiert. (Video: „Forgive Forget“ von Caligola)

(Bild: Franz J. Sauer mit Björn Dixgard)