Kravitz wird 50: Happy Birthday, Lenny!

Anlässlich des 50ers von Soulrock-Superstar Lenny Kravitz frischen wir eine Story aus dem Jahr 2005 auf, als wir mit dem „Minister of Rock“ ein paar vergnügliche Stunden lang per Mercedes SLR durchs Tiroler Inntal cruisten.

In letzter Zeit mutieren wir ein wenig vom Autoauskenner zum Autoverkäufer. Die Ereignisse nahmen ihren Lauf, als wir in Ausgabe 273 jenen (es ist einer von fünf weltweit existierenden) Mercedes CLK GTR Roadsters auf der Pressbaumer Brentenmais aufstöberten und bekannt gaben, dass der Eigentümer sich für läppische zwei Millionen Euro von seinem Boliden trennen würde. Scheinbar fand die 700-PS-Rarität bis heute keinen Abnehmer, nichtsdestotrotz kenn man uns seither als amtliche Beschaffer geiler und heißer Testschlitten. Vor allem für Stars und Zelebritäten.

Brothers in Arms

Mark Knopfler brachten wir dereinst die Vorzüge des Jaguar S-Type R näher, worauf er sich, zurück in Großbritannien, flugs einen kaufte. „Mr. Simply Red“ Mick Hucknall hielt den schönen, aber seltenen VW Phaeton, mit dem wir ihn in sein Hotel brachten, für einen exotischen Eigenbaukreuzer, bis wir ihm dessen profane Herkunft profund erläuterten. Und Soulrock-Gigant Lenny Kravitz zieht das wiener-Motorteam sowieso jedem mittelamerikanischen Mercedes-Dealer vor, wenn er einen Hobel testen möchte.

Maybach in Schönbrunn

Erstmals trafen wir Mr. Kravitz im Vorjahr, als er nach Schönbrunn kam, um den altehrwürdigen Schlosspark zu rocken. Weil der Veranstalter auf ein kleines, aber nicht unwesentliches Detail, nämlich die Künstlerlimo, vergessen hatte, sprangen wir ein und chauffierten den Meister mit unserem Test-Maybach vom Hotel Imperial nach Schönbrunn. Während der Fahrt lernten wir den „Minister of Rock’n’Roll“ als jemanden kennen, der schöne Autos mag, unterhielten uns über die mutmaßlichen Vorteile des Maybach gegenüber einem Rolls Royce Phantom („Have you ever been driven in one, Lenny?“- „Well, I own one …“) und freundeten uns dabei so etwas wie an. Nach der Show wollte Lenny dann nochmals fahren, diesmal allerdings selber. Er steuerte das Siebenmeterschlachtschiff moderat durch den Wiener Nachtverkehr, fuhr langsam den Gürtel hinauf und enterte via Nordbrücke die verkehrsleere Donauuferautobahn, wo er dann mit halsbrecherischen 88 km/h auf dem Tacho dahinbrauste. Jede Ermunterung, ordentlich Gas zu geben, verhallte ungehört, alle Beteuerungen, dass erstens 130 erlaubt sind und wir zweitens in Stundenkilometern, nicht in Meilen rechnen, waren zwecklos. Lenny fuhr 88 und keinen Strich mehr, bis wir schließlich die Raststation Stockerau erreichten, deren nächtliches Stillleben irgendwie an einen Jim- Jarmusch-Film erinnerte. Außer von uns wurde die entlegene Tanke noch von zwei GTI-Jüngern, die über ihre Karren fachsimpelten, einem Touristenreisebus mit polnischen Pensionisten auf Pipipause und einem halb betrunkenen Tankwart mit sinnentleertem Blick bevölkert, was mich ob des zu zerstörenden Wertes des mir anvertrauten Fahrzeugs etwas beunruhigte. Aber Lenny schien das schrullige „Night on Earth“-Ambiente kaum zu stören, munter erzählte er mir von seinem restlichen Fuhrpark, gestand seine Vorliebe für englische Automobile und schilderte mir wortreich den vorzeitigen Unfalltod seiner blau-weiß-gestreiften Dodge Viper GTS. Als der Bus endlich ankam, bedankte er sich noch höflich für den spontanen Testdrive, gab mir die Nummer seines Tourmanagers und äußerte den Wunsch, bei seinem nächsten Österreichbesuch einen Mercedes SLR testen zu wollen, was zu organisieren wir versprachen.

Auf zur Show

Als nun announced wurde, dass Lenny diesen Juni das Line- up des Summerslam-Festivals in Imst anführen würde, setzten wir uns mit der Presseabteilung von Mercedes Benz in Verbindung und bekamen tatsächlich einen Tag vor der Show einen silbernen SLR zum ÖAMTC-Stützpunkt Innsbruck geliefert, um ihn tags darauf dem Meister zwecks Probefahrt zu überbringen. Dass auch wir dadurch in den Genuss kamen, den bissigen Silberpfeil endlich mal in die Finger zu bekommen, ergab sich als angenehmer Nebeneffekt des Lenny-Happenings, dass die Tiroler Bergwelt mir ihren engen Kehren und versteckten Schluchten ein ideales Testgelände für Musclecars wie dieses abgeben würde, war sowieso klar. Das käsebleiche Gesicht des Veranstalters Richard Hörmann, als er dem Benz-Boliden nach einer kleinen Spritztour über das Hahntennjoch entstieg, belustigte nicht nur dessen engste Mitarbeiter nachhaltig.

Flügeltüren

Jeder halbwüchsige Matchboxautofan weiß, dass ein SLR Flügeltüren hat, auch ist der Schmäh dahinter nicht gerade der frischeste. Trotzdem ist es doch jedes Mal beeindruckend, wenn so ein Flügerl live vor einem aufschwingt und man nur deshalb einem satten Kinnhaken entgeht, weil einen der geistesgegenwärtige Kollege Fotograf im letzten Moment zurückreißt. Im Vergleich zu anderen Supersport-Kalibern à la Porsche Carrera GT oder Ferrari Enzo Ferrari ist die Sitzposition im SLR „benzlike“ bequem, auch sonst erinnert einen der Fahrgastraum in puncto Materialmix und Anmutung mehr an eine Langstrecken-Limo als an eine Rennmaschine. Die Klimaanlage (die während unserer Testfahrt übrigens Mätzchen machte und sich nicht ausschalten ließ), das Stereoradio, der Airbag-Lenker und auch die benztypische Automatik-Schaltkulisse könnten eins zu eins aus der S-Klasse stammen. Bloß die in der Mittelkonsole prominent platzierte Wippe für den ausfahrbaren Heckspoiler (der gleichzeitig als Bremsfallschirm fungiert) verrät eine gewisse Abhebung von der Norm. Und im – haptisch sonst nicht gerade außergewöhnlichen – Automatikwählhebel findet sich das in seiner Dramatik wohl einzigartige SLR-Gimmick, das ganz bewusst Assoziationen mit Kampffliegern und ähnlichen bösen Geräten herstellen möchte: der sich hinter einer Schutzkappe versteckende Startknopf.

Sechshundersechsundzwanzig

Den V8 des SLR ins Leben zu drücken bedeutet, einen Leistungsausstoß unüblicher Dimension mit lächerlich wenig kinetischer Energie loszutreten, einen Fiat Cinquecento anzuwerfen kostet mehr Kraft. Erste Vorahnungen der bevorstehenden Kraftentfaltung lässt auch der Motorsound aufkommen, der sich stilsicher über Sidepipes in der Flanke mitteilt. Wenn man den Kraftprotz dann endlich von der Leine lässt, den ersten Gang ordentlich hochdreht und sich auf diese Weise schon in Geschwindigkeitsbereiche katapultiert, die in keinem Ortsgebiet dieser Welt erlaubt sind, spürt man plötzlich körperlich, warum es allen Vernunftsargumenten zum Trotz sehr wohl Sinn hat, Autos mit 626 PS Leistung zu bauen. :

Beinharte Sau

Im Fahrbetrieb ist der McLaren Mercedes SLR in jeder Hinsicht eine beinharte Sau. Seine Lenkung ist schwergängig, aber exakt, seine Pedallerie (käferlike nach unten klappend) macht aus dünnen Beinchen blitzschnell Fußballerwadln und sein Tiptronik-Getriebe findet die besten Schaltpunkte vor allem dann, wenn man es alleine werken lässt, sprich im Automatikmodus fährt. Wie immer bei großvolumigen Motoren hat Mercedes auch beim SLR mit Gängen gegeizt, erstaunlicherweise sind die mickrigen fünf Fahrstufen, die einem das Getriebe für die Sortierung des Brachialdrehmoments anbietet, tatsächlich ausreichend. Die Traktionskontrolle präsentiert sich absolut schmähfrei, von irgendwelchen Toleranzen kleineren Reinfetzer-Drifts gegenüber kann keine Rede sein. Sobald die Hinterachse schmiert (und das tut sie fast immer, wenn man Gas gibt), dreht sie diskussionslos den Saft ab, was einerseits ein bisschen ins Gemächt zwackt, andererseits vielen SLR-Kunden bereits eine Menge Geld erspart hat. Auch Lenny Kravitz überprüfte als Erstes, ob das ESP eingeschaltet war, als er sich hinter das Lenkrad klemmte.

Toller Sound

Vor allem von der Optik des Wagens gab er sich angetan, auch der Sound vermochte ihn zu beeindrucken. Wie üblich wurde der Tourbus mit Band, Stagehands und Groupies vorausgeschickt, damit der Meister eigenhändig zum Gig nach Imst steuern konnte. Die folgenden 80 Kilometer durchs Inntal beeindruckten ihn schließlich dermaßen, dass er in einem Telefongespräch während der Fahrt von den „schönsten zwanzig Minuten der vergangenen sechs Wochen“ sprach. Sogar speedmäßig ging Lenny diesmal richtig forsch zur Sache, auf der Autobahn tastete er sich an dreistellige Geschwindigkeitswerte heran. Die Bremsen entstaubten wir schließlich kurz, aber effektiv, als am Wegesrand ein Polizeiauto lauerte, weshalb sich Lenny hart auf die highwayüblichen 88 Miles einschleifen wollte. Dabei bediente er das Bremspedal etwas zu forsch, und weil eine SLR-Vollbremsung in ihrer Humorlosigkeit üblichen Vollbremsungen einiges voraus hat, tuckerten wir mit kaum 50 km/h an den belustigten Kieberern vorbei, nachdem uns die Sicherheitsgurte fast die Schlüsselbeine gebrochen hatten.

Superstars unter sich

Interessanterweise vermag ein Auto wie der Mercedes SLR selbst einem Superstar wie Lenny Kravitz dann und wann die Show zu stehlen. Weder den Wachleuten am Backstageein-gang noch den Fans an den Zäunen rundherum fiel zunächst auf, wer da in dem Silberpfeil saß. Erst als Lenny ausstieg, kam ein kurzes Johlen auf, als er in der Garderobe verschwand, blieb aber weiterhin das Auto im Brennpunkt des Interesses. Letztlich mussten sogar die Zäune blickdicht verhängt werden, da der Andrang nicht abflaute. Vielleicht fiel das Resümee, das uns Lenny nach einer zweieinhalbstündigen, grenzgenialen Rock-and-Roll-Show diktierte, ja deshalb ziemlich kritisch aus. Die Lenkung sei ihm zu indifferent, das Rot des Armaturenbrettes etwas zu knallig. Und überhaupt sei der SLR eine Spur zu teuer für das, was er biete, da hätten ihn andere Autos dieser Klasse mehr beeindruckt, was freilich nicht bedeuten solle, dass ihm der SLR überhaupt nicht gefallen hätte. Aber als Star teilt man seinen Ruhm schließlich nur ungern mit irgendwelchen anderen Sternen. Letzteres hat Lenny so natürlich nicht gesagt. Aber wir meinten, zumindest Ähnliches zwischen den Zeilen herausgehört zu haben.

Mercedes-Benz SLR McLaren
Hubraum 5.493 ccm
Leistung 626 PS
Drehmoment 780 NM/3250-5000 U/min
Leergewicht 1.768 kg
Spitze 334 km/h
Beschleunigung (0-300 km/h) 28,8 Sek.
Preis (Euro) 522.000,-