Walter Haefeker: „Die Honigjagd ist älter als der Mensch“

Walter Haefeker ist Europas Imker-Präsident. Mit dem WIENER sprach er über Niki Berlakovich, ewig haltbaren Honig und die korrekte Zitierung Albert Einsteins.

Im Rahmen seines Österreich-Besuchs trafen wir den bayrischen Präsidenten der European Professional Beekepers Association. Der 53-jährige startete nach einer Karriere in Silicon Valley erst spät mit der Bienenzucht, vertritt die Imker aber heute in Brüssel.

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Haben Sie das von Ex-Umweltminister Nikolaus Berlakovich ausgelöste „Sumsi-Gate“ verfolgt?

Ja, es gab ein Interview von mir in der Kleinen Zeitung dazu und ich war auch im Wiener Parlament zu einer Anhörung. Durch sein Verhalten hat er allerdings seinen Amtskollegen in Europa vorgeführt, wie man über das Thema Bienen stolpern kann. Er war also als abschreckendes Beispiel gut.

Woher kommt eigentlich unser emotionales Verhältnis zu Bienen?

Das ist schon erstaunlich, ein Insekt, das jeden von uns mindestens einmal im Leben sticht, was recht schmerzhaft ist, müsste eigentlich weniger beliebt sein. Allerdings ist das Honigjagen älter als der Mensch. In Südafrika werden heute noch die Bienenkästen mit Stahlbändern gesichert oder sogar zugenagelt. Sonst klauen da nämlich die Affen den Honig. Später haben wir uns als Honigjäger betätigt, noch vor der Imkerei, die den Bienen ja eine Behausung bietet. Im Mittelmeer-Raum haben z.B. schon die Römer mit hintereinandergelegten Tonröhren in natürlichen Höhlen gearbeitet, denn die Bienen legen den Honig immer am weitesten vom Einflugloch entfernt ab Im Norden hingegen braucht es Schutz vor der kalten Witterung, da kam die Klotzbeute auf.

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Was bitte ist das?

Das hat man sich bei der Natur abgeschaut: Bienen siedelten sich in einem hohlen Baumstamm an. Da dachte dann jemand, das können wir nachmachen. Der erste Bienenstock war ein hohles Baumsegment. Später gab es die Korbimkerei, die auch transportabel war, etwa um Obstbäume zu bestäuben. Die letzte Stufe stellte dann die Magazin-Imkerei mit den beweglichen Rähmchen dar.

Eine ganz andere Frage, was ist eigentlich an der Wirkung von Propolis dran, das oft als Wundermittel gepriesen wird?

Propolis stellt ein Kittharz dar, mit dem die Bienen Ritzen verschließen. Der Name – vom griechischen „pro polis“ (= für den Staat) sagt aber auch etwas Anderes. Wenn 50.000 Individuen auf so kleinem Raum zusammenleben wie im Bienenstock, käme es ohne ein natürliches Antibiotikum zwangsweise zu Krankheiten. Das wäre in etwa so, wie wenn wir unser ganzes Leben in einer dicht besetzten U-Bahn verbrächten.

Der härteste Job für Bienen ist es, das Harz, mit dem die Bäume ihre Knospen schützen, heimzutragen. Kommt etwa eine Maus in einen Bienenkasten, können sie die zwar so arg stechen, dass sie stirbt, aber sie bekommen sie nicht mehr hinaus. Dann überziehen sie das Tier mit Propolis und sie mumifiziert sich ohne Infektionen. Das haben sich schon die alten Ägypter für ihre Mumien abgeschaut. Als Imker in Österreich kann ich das Propolis abkratzen und daraus eine alkoholische Lösung als Heilmittel herstellen.

Und der Honig selbst? Wo liegen dessen Stärken?

Das Besondere an den Bienen ist, dass sie in Volksstärke überwintern und nicht als einzelne Königinnen – wie bei den Wespen, Wildbienen oder Hummeln üblich. Der Trick der Biene liegt in der Haltbarmachung des Honigs, das ist deren Heizöl. In der Evolution haben sie gelernt, wie man dem Honig Wasser entzieht und Enzyme beifügt. Deshalb funktioniert auch die Wundheilung damit, wegen der keimabtötenden Enzyme. Nebenbei bemerkt gibt es ein pharmazeutisch bestrahltes Produkt namens MediHoney, das in Spitälern gegen Keime eingesetzt wird, die gegen alle Antibiotika resistent sind.

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Das heißt, Sie nützen Ihren Honig auch als Arznei?

Ich war ja nicht immer Imker und litt mein Leben lang massiv an Heuschnupfen. Als ich dann mit den Bienen begonnen habe, aß ich natürlich auch meinen eigenen Honig. Als ich im Frühjahr dann mit meinen Schnupfenpillen in der Tasche in die Natur ging, merkte ich, dass ich die gar nicht brauche. Hat das was mit dem Honig zu tun, hab ich dann bei Imkerkollegen nachgefragt. Na klar, haben die gesagt, im Honig ist immer etwas Pollen, und zwar Pollen von den Pflanzen aus der Region. Das führt zu einer oralen Hypersensibilisierung (dosierte Gabe von Allergenen, um Immunisierung zu erreichen, Anm. d. Red.). Sie haben also gute Chancen, den Heuschnupfen los zu werden, wenn sie vor allem im Winter (in der pollenfreien Zeit) Honig aus der Region essen.

Hatte Einstein recht mit seinem so oft zitierten „Wenn die Bienen verschwinden, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben“?

Ich will Dinge immer genau wissen und habe mich daher auch ans Einstein-Archiv gewendet. Weil es immer heißt, „hat er gesagt“, denn schriftlich hinterlassen gibt es das Zitat nicht. Allerdings gibt es einige sprachlich ähnliche über Vorgänge in der Natur. Aber eben nicht über die Biene, es bleibt also nur vorstellbar, dass er das gesagt hat.
Die nächste Frage war dann natürlich: Seit wann wird das Zitat verwendet. In Imkerkreisen kennt man das seit Jahrzehnten. Und dann bleibt noch die Frage, wie soll man die Aussage verstehen? Eine Variante wäre, wenn wir eine Spezies, nämlich die Honigbiene, aus dem Ökosystem herausnehmen, dann geht die Welt unter. Das glaube ich nicht, denn die Bienen als Generalisten der Natur, die viele Pflanzen bestäuben können, sind enorm anpassungsfähig. Die haben schon Eiszeiten überlebt. Wenn wir es also als Menschen „schaffen“, diesen widerstandsfähigen Superorganismus an die Wand zu drängen, dann steht es auch um unsere Überlebenschancen schlecht.

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Eines noch: Was ist eigentlich dran an der Behauptung, Honig könne nicht verderben?

Theoretisch ist Honig tatsächlich ewig haltbar. In Pharaonengräber hat man noch essbaren Honig gefunden. Wesentlich dafür wären allerdings niedrige Luftfeuchtigkeit, kein Licht und geringe Temperaturschwankungen. Wer eine Pyramide daheim hat, kann seinen Honig also auch 3.000 Jahre lagern.