ORF: WM-Studio „scharf an der Grenze zum Sexismus“

Das WM-Studio des ORF steht in der Kritik – für die ballermannmäßige Aufbereitung der Fußball-Show gibt es seit WM-Beginn heftigen Gegenwind, auch der ORF-Publikumsrat erhebt kritisch seine Stimme.

Die Gestaltung des WM-Studios, der wiederholte Auftritt leicht bekleideter Samba-Tänzerinnen, die Medienkritiker an die Anfänge des deutschen Privatfernsehens oder italienische Showgirl-Einlagen erinnern, Gesangeinlagen abgehalfterter Schlagerstars – diese Mischung sorgte am Dienstag auch im ORF-Publikumsrat für einige Diskussionen. ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner verwies denn auch auf bereits durchgeführte Adaptierungen.

Publikumsrat Beppo Mauhart betonte als „bekannter Macho“, die sportliche Berichterstattung des ORF rund um die WM würde im „krassen Unterschied zum Zwischenprogramm“ stehen, wobei er „dieses Gehopse an der Grenze zur Peinlichkeit“ sah. „Das ist des ORF nicht würdig und kann man sich ganz sicherlich ersparen.“ Ähnlich argumentierte Willi Mernyi: „Was haben die, die sich das überlegt haben, eigentlich für ein Bild vom Publikum vor dem Fernseher? Gerade die WM ist auch ein Familien-Event.“

„Die Diskussion, wie der Auftritt der Damen im WM-Studio stattfindet, war eine sehr intensive, vor allem nach den ersten Auftritten“, erklärte Fernsehdirektorin Zechner dem ORF-Gremium. Eine „Geschmacksdebatte“ wollte sie im Publikumsrat zwar nicht führen, betonte allerdings, dass sie „alles, was auch nur in Richtung Sexismus geht“, heftig bekämpfen werde. Zudem habe sie bereits in die Gestaltung eingegriffen. Mittlerweile sei es dadurch zu „einer Durchmengung von männlichen und weiblichen Auftritten sowie einer Zurücknahme der Damen“ gekommen. Man werde jedenfalls gemeinsam mit ORF-TV-Sportchef Hans Peter Trost weiter daran arbeiten.

ORF-Sportchef Trost selbst reagiert auf die bisher geäußerte Kritik übrigens gelassen. „Ja, sie tanzen Samba im WM-Studio, aber nicht die ganze Nacht“, so Trost in einem Gastkommentar für die neue Ausgabe der Programmzeitschrift „tv-media“. Dass der ORF mit seinen Künstlerauftritten im WM-Studio billigste Klischees bediene, wies Trost zurück. Die Auftritte dauerten jeweils nur einige wenige Minuten. „Und davor, dazwischen und danach? Vorberichte, Spiele, Analysen. Fakt ist: An die 5 Mio. Seher haben bislang die WM-Spiele verfolgt. Im selben Zeitraum gab es beim Kundendienst 26 negative Reaktionen. Und gute Nacht!“

Im Zentrum der ersten Arbeitssitzung des neu zusammengesetzten Publikumsrates stand neben den WM-Aktivitäten des ORF die EU-Wahl-Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Senders. Während Zechner sowie ORF-Hörfunkdirektor Karl Amon die Eckpunkte des geleisteten Programms zusammenfassten, forderten die Publikumsräte eine stärkere Zuwendung zu EU-Themen „auch im Normalbetrieb“ ein, wie es beispielsweise Andreas Kratschmar formulierte. „Mehr nachhaltiges Engagement des ORF ist hier gefragt, auch im Sinne einer europäischen Öffentlichkeit.“ Die Fernsehdirektorin betonte, dass „das Thema definitiv nicht vom Radar“ sei und auch im regulären Programm, etwa den „ZiB“-Ausgaben, stark berücksichtigt werde.

Punkto EU-Wahl-Berichterstattung, bei der man laut ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz „historische Maßstäbe“ gesetzt habe, wurde auch eine Umfrage des SORA-Instituts präsentiert. Diese erhob in zwei Wellen – im Februar sowie im Anschluss an die Wahl – den Wissensstand der heimischen Bevölkerung zur Europapolitik sowie deren Mediennutzung. 69 Prozent zeigten sich zufrieden bzw. sehr zufrieden mit der Berichterstattung des ORF, für 70 Prozent handelte es sich um verständliche, sachliche, umfassende und kompetente Informationen, wie Wrabetz darlegte. 54 Prozent der regelmäßigen Nutzer des ORF-Angebots gaben zudem an, sich aufgrund der Berichterstattung besser informiert zu fühlen. Vor der Wahl lag diese Selbsteinschätzung bei 38 Prozent.

Am Rande gestreift wurde von Zechner auch der weitere Fahrplan rund um den Song Contest: Noch im Juli wolle man neben Austragungsort und Datum einen Slogan fixieren, im August komme es dann zur Vertragsunterzeichnung zwischen dem ORF und der European Broadcasting Union (EBU). Das Budget werde im Oktober vorgestellt, bevor im Dezember das „Final Theme Art“, also das Design für den Eurovision Song Contest 2015 feststehen soll. Die endgültige Teilnehmerliste der Länder sowie der künstlerische Ablauf stehen schließlich im kommenden Jahr an.

Von den Publikumsräten angesprochen wurde auch die jüngst geäußerte Sorge der Ö1-Redakteure angesichts knapper Personalressourcen. „Gott sei Dank sind die Fakten nicht ganz so schlimm, wie sie meine Redakteursvertretung befürchtet hat“, meinte Amon dazu. Derzeit habe man, vor allem aufgrund einiger Krankenstände, „in manchen Redaktionen Verbesserungsbedarf, aber nicht in dem Ausmaß, wie befürchtet“.