Oscar Pistorius: Lange Haftstrafe oder frei auf Bewährung?

Muss Oscar Pistorius für lange Zeit hinter Gitter oder kommt er sogar mit einer Bewährungsstrafe davon? Zwischen diesen Extremen wird sich die Festsetzung des Strafmaßes bewegen.

Am Montag, dem 13.10. um 9.30 Uhr, geht der Prozess um Oscar Pistorius in die nächste Runde, nun geht es um die Festlegung des Strafmaßes. 

Der Paralympics-Star, der im Februar 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp durch eine Tür seines Hauses erschossen hatte, war am 12. September 2014 von Richterin Thokozile Masipa der fahrlässigen Tötung schuldig befunden worden. Sie berücksichtigte damit Pistorius‘ Beteuerung, er habe geglaubt, hinter der Tür befinde sich ein Einbrecher. Die Höchststrafe für fahrlässige Tötung beträgt in Südafrika 15 Jahre. Die Richter haben einen großen Ermessensspielraum und können eine Haftstrafe zur Bewährung aussetzen.

Bei den Anhörungen können Staatsanwaltschaft und Verteidigung auch neue Argumente vortragen und erneut Zeugen befragen, sagte der Sprecher der südafrikanischen Strafverfolgungsbehörde, Nathi Mncube, der Nachrichtenagentur dpa. Das könne sich über mehrere Tage hinziehen. Üblich ist, dass die Anklage Argumente für eine hohe Strafe vorbringt, während die Verteidigung strafmildernde Umstände geltend macht. Anschließend fällt die Richterin ihre Entscheidung. Mncube rechnet damit etwa um den 16. Oktober, ein konkretes Datum sei dafür aber nicht festgelegt.

15 Jahre hinter Gittern?

Kritische Äußerungen von Richterin Masipa über Pistorius‘ Charakter könnten darauf hindeuten, dass die bald 67-jährige Juristin – sie hat am 16. Oktober Geburtstag – sich für ein relativ hohes Strafmaß entscheidet. „Sie könnte 15 Jahre verhängen und zwar im Wissen, dass dies dann in einem Berufungsverfahren auf 5 bis 10 reduziert wird“, sagte James-Pieters.

Dass am Ende nur eine Bewährungsstrafe herauskommt, halten Experten zwar für wenig wahrscheinlich. Doch für fahrlässige Tötung ist in Südafrika nicht zwingend ein Mindestaufenthalt im Gefängnis vorgesehen. „Da kann man auch mit einer Bewährungsstrafe ohne Einsitzen davonkommen“, sagte der Strafrechtsexperte André Thomashausen von der Johannesburger Kanzlei Werth Schröder Inc. der Nachrichtenagentur dpa. Ähnlich sieht das Juradozent James Grant von der Witwatersrand-Universität: „Gerichte können hier ihren Ermessensspielraum voll ausschöpfen“, erklärte er im Fernsehen.

Um Pistorius das berüchtigte Pretoria Central Prison zu ersparen, wird natürlich auch die Verteidigung noch einmal alle Register ziehen. Einmal mehr könnte Rechtsanwalt Barry Roux nach Einschätzung von Beobachtern dabei auch die Behinderung des Paralympics-Stars ins Spiel bringen. Er könnte dann darauf verweisen, dass ein Mensch, dem beide Unterschenkel amputiert wurden, in Südafrikas notorisch brutalem Strafvollzug besonders stark gefährdet wäre.

Gefährdet könnte allerdings auch die Frau sein, die nach der Anhörung aller Argumente über das Strafmaß zu entscheiden hat. Schon nach ihrem für viele unerwartet milden Schuldurteil war Richterin Masipa einer solchen Flut von Beschimpfungen und Drohungen ausgesetzt, dass sie unter Polizeischutz gestellt werden musste.