Fahrvorstellung Ford Mondeo: Aufgeweckter Langschläfer

Schon vor fast drei Jahren hat Ford auf der Motorshow in Detroit das Tuch vom neuen Mondeo gezogen, aber jetzt kommt er erst in den Handel. Und so will der Zuspätkommer doch noch in die Pole Position.

Was für ein verpatzter Start: Schon vor fast drei Jahren hat Ford auf der Motorshow in Detroit das Tuch vom neuen Mondeo gezogen. Und überall sonst auf der Welt wird die Mittelklassebaureihe zum Beispiel als Fusion auch schon verkauft. Doch weil in Europa erst noch das Werk von Genk nach Valencia umziehen musste, hat sich der Verkaufsbeginn immer wieder verschoben, so dass der Hoffnungsträger schon vor der Markteinführung jede Menge Staub angesetzt hat. Aber jetzt ist es endlich so weit: In diesen Tagen rollen zum kaum veränderten Preisen ab 29.500 Euro für das Fließheck mit fünf Türen und mindestens 30.700 Euro für den entsprechenden Traveller auch in Europa die ersten Exemplare der vierten Mondeo-Generation zu den Händlern und in Köln hoffen sie inständig, dass der Volksmund recht behält mit der Redensart „Ende gut, alles gut.“

Denn wenn die Spinnenweben erst einmal herunter poliert sind, sieht der Mondeo immer noch frisch und gut aus: Die Scheinwerfer schmal und stechend, der Bug stolz und kräftig und die Silhouette schlank und rank – so bringt das Flaggschiff sogar ein bisschen Mustang-Feeling in die Mittelklasse. Dass der Mondeo dabei den Raum nicht optimal ausnutzt und bei unverändertem Radstand von 2,85 Metern und einer auf 4,87 Meter gestutzten Länge innen sogar ein bisschen knapper wird, kann man noch verschmerzen. Denn vorn sitzt man ausgezeichnet und hinten sehr ordentlich. Nur der Kofferraum schrumpft über Gebühr. Das stört vor allem beim Turnier, der nur noch 500 bis 1 630 Liter fasst und so ein, zwei Reisetaschen hinter dem Passat zurück bleibt. Immerhin ist das Auto bei der Gelegenheit auch ein paar Kilo leichter und bis zu 20 Prozent sparsamer geworden.

Nobelversion Vignale

Ebenfalls deutliche Unterschiede gibt es bei Ambiente und Ausstattung. Zwar steht die Nobelversion Vignale mit samt einem Rund-um-Sorglos-Service noch aus. Doch zumindest das aktuelle Topmodell Titanium dürfte sich bei der Anmutung schwer tun mit dem Wettbewerber aus Wolfsburg. Selbst wenn auch Ford mittlerweile einen fast komplett digitalisierten Tacho einbaut und sich ebenfalls auf die Kunst der filigranen Fuge versteht, wirken manche Kunststoffe eine halbe Klasse kostengünstiger, die Schalter sind nicht ganz so vornehm und die Displays hinter dem Lenkrad etwas weniger brillant. Aber dafür funktioniert die Sprachsteuerung so gut, dass die Entwickler eigentlich die Hälfte der Schalter am hoffnungslos überladenen Lenkrad hätten streichen können.

Auch sonst kann sich die Technik unter dem schmucken Blechkleid durchaus sehen lassen: Intelligente LED-Scheinwerfer, eine ordentliches System für Navigation und Infotainment und Assistenten, die beim Parken, beim Spurführen, beim Abstandhalten und beim Spurwechsel helfen – als der Mondeo vor drei Jahren auf Kiel gelegt wurde, waren das in der Mittelklasse noch echte Highlights. Mittlerweile gibt es solche Extras zwar auch schon bei den Kompakten. Doch werden sie davon ja nicht schlechter. Außerdem hat sich Ford zumindest ein Alleinstellungsmerkmal bewahrt: Die im Gurt der Fondpassagiere integrierten Airbags gibt es diesseits der Mercedes S-Klasse sonst bei keinem anderen Hersteller.

Viele Motoren

Viel Auswahl gibt es diesmal unter der Haube. Schon für den Start bringt Ford drei Benziner mit 160, 203 oder 240 PS sowie drei Diesel mit  115, 150 und 180 PS in Stellung. Damit schafft der schnellste Mondeo 240 km/h und der sparsamste ist mit 3,6 Litern zufrieden.

 Außerdem steht – dann allerdings als klassisch geschnittene Limousine – der Mondeo Hybrid in der Preisliste. Er kostet mit 36.750 Euro auf den Cent genau soviel wie ein 150 PS-Diesel und lockt mit einem Verbrauch von 4,2 Litern. Möglich machen das ein 118 PS starker E-Motor und ein 1,4 kWh großer Akku, die dem 145 PS-Benziner wenn nötig unter die Arme greifen und die Systemleistung auf 188 PS pushen.

Allrad auch noch!

Aber dabei wollen es die Kölner nicht belassen: Später gibt es zum ersten Mal seit Urzeiten in der Mittelklasse von Ford wieder einen Allradantrieb. Für Sparer kommt der Dreizylinder-Benziner mit 125 PS und einem Knauserverbrauch von 5,1 Litern und für Sportler ein Powerdiesel mit 210 PS und über 440 Nm, der zum Schrecken der linken Spur werden soll.

Doch man muss gar nicht auf den großen Selbstzünder warten, wenn man mit dem Mondeo seinen Spaß haben will. Schon der nagelneue 1,5 Liter-Ecoboost macht bei der ersten Testfahrt richtig Laune. Auf dem Papier mögen 160 PS und 240 Nm vielleicht ein bisschen mager wirken für einen Kombi von 1,5 Tonnen. Aber in der Praxis ist der kleine Vierzylinder dank seines Turbos so drehfreudig und antrittsstark, dass einem das Herz aufgeht. Das Getriebe kurz und knackig gestuft, schnellt man in 9,3 Sekunden auf Tempo 100, kachelt mit immerhin 217 km/h über die linke Spur und lernt, dass die Freude am Fahren offenbar nicht nur in München zu Hause ist.

Gute Figur

Zwar baut der Mondeo dabei auf kein ganz so aufwändiges Fahrwerk wie zum Beispiel der neue VW Passat. Und die Charakter-Regelung ist so tief in den Menüs verborgen, dass man sie erst nach ein, zwei Stunden findet. Doch auch ohne Progressivlenkung und im ganz normalen Set-Up macht das Flaggschiff von Ford eine gute Figur: Die Karosserie deutlich steifer als früher und mit der neuen Mehrlenker-Hinterachse sehr viel enger der Straße verbunden, ist der Mondeo das lebendigere Auto, das auf der Landstraße deutlich mehr Spaß bereitet. Der Passat mag ausgewogener sein, ambitionierter und präziser – aber er ist dafür auch sehr viel langweiliger. Diese Lebendigkeit geht übrigens nicht zu Lasten des Komforts. Denn sobald die Straßen glatter und die Radien weiter werden, rollt der Mondeo butterweich dahin und ist selbst bei hohen Geschwindigkeiten erschreckend leise.

Markteinführung Anfang Februar

Zwar läuft die Produktion in Valencia mittlerweile auf vollen Touren und Ford produziert neben der homöopathisch dosierten Hybrid-Limousine bereits jede Menge Fünftürer und Kombis in immerhin 13 Motor- und Getriebe-Varianten. Doch wer glaubt, dass damit das Warten endlich ein Ende hat, den müssen die Kölner enttäuschen: Die offizielle Markteinführung feiern sie erst Anfang Februar. Aber auf die paar Wochen kommt es jetzt dann auch nicht mehr an.