Rocko Schamoni Interview – Wien, Goethe und die Musen

Dieser Mann kann einfach alles. Er ist Schauspieler, Musiker, Autor, Entertainer, Nachtklubbesitzer und kandidierte als Politiker – vor allem ist Rocko Schamoni aber eines: Ein Künstler.

Rocko Schamoni ist ein Alleskönner – er ist Schauspieler, Musiker, Autor, Entertainer, Nachtklubbesitzer und kandidierte als Politiker – um zusammen zu fassen, der 48-Jährige aus Lütjenburg in Schleswig-Holstein ist Künstler durch und durch und erzählt uns im Interview viel über die Gleichförmigkeit von Goethe, Musen und seine Familie in Wien. Nun kommt er für zwei Abende ins Wiener WUK. Am Mittwoch, 22.10.2014 und Donnerstag, 23.10.2014 liest er aus seinem neuen Buch „Fünf Löcher im Himmel“.

(c) Kerstin Behrendt (Kerstin Behrendt) (c) Kerstin Behrendt (Kerstin Behrendt)

 

WIENER: Dein neues Buch unterscheidet sich von deinen früheren Werken „Dorfpunks“, „Tag der geschlossenen Tür“ oder „Risiko des Ruhms“. Es ist ernster und trauriger. Bist du erwachsen geworden?

Rocko Schamoni: Das würde ich jetzt gar nicht so in den Vordergrund stellen wollen, wie viele andere Künstler immer von ihrem persönlichsten Werk berichten. Ich sehe es eher so: Was kommt das kommt so wie es kommt. Als Künstler oder Interpret oder Schriftsteller sucht man sich das gar nicht unbedingt aus. Ich versuche mich immer vom Angebot leiten zu lassen. Wo mich die Kunst dann hinbringt, weiß ich selber am Anfang gar nicht so genau. Das war die Entscheidung die aus den Figuren und dem Material heraus kam und diese Entscheidung habe ich dann dankbar angenommen.

Auf deiner Homepage schreibst du, dass du es als wohltuend empfunden hast das „Witzebesteck im Kasten lassen zu dürfen.“ Willst du mit „Fünf Löcher im Himmel“ eine neue Richtung einschlagen?

Das kann ich echt nicht sagen. Ich weiß nicht wohin es mich treibt. Ich weiß nur das es so sein musste, wie es nun im Buch steht. Das hätte ich auch nicht anders schreiben können, sonst hätte es den Figuren die Ernsthaftigkeit genommen. Aber es kann genauso sein, dass ich in einem halben Jahr wieder eine total alberne Idee habe und die unbedingt umsetzen will. Ich will mich da gar nicht festlegen – ich lasse mich immer wieder aufs Neue von der Muse überraschen.

Was ist denn deine Muse, gibt es da jemanden oder etwas was dich immer wieder inspiriert?

Das ist ganz unterschiedlich. Dieses Buch ist sehr filmisch geraten. Das heißt, ich lasse mich gerne von einem Schema inspirieren. Ich gucke sehr gerne Filme, bin Sammler von alten Spielfilmen. Da reicht dann ein auslösendes Bild, um mir Stoff für ein neues Projekt zu geben. Jetzt gerade habe ich einen meiner absoluten Lieblingsfilme von Roman Polanski gesehen, der heißt im Original „Cul-de-Sac“. Auf Deutsch „…wenn Kattelbach kommt“. Danach hatte ich mein neues Buch schon komplett im Kopf und das nur aufgrund der Anfangssequenz. Da sind Bilder drin, die mir eine komplette Idee geschenkt haben. 

Ob das dann etwas wird ist natürlich eine ganz andere Frage, aber ich habe einen Plan. So funktioniert Kunst. Man wird inspiriert oder inspiriert jemand anderen. In dem Fall haben gewisse Bewegungen des Schauspielers ausgereicht, um bei mir eine Fackel anzuzünden.

Welche Muse hat dich denn zum Schreiben von „Fünf Löcher im Himmel“ angeregt? Auch ein Film?

Ich habe immer diese Idee von „Thelma & Louise“ mit mir herum getragen. In dem Fall wollte ich zwei Ausbrecher im Rentneralter. Ich wollte eben zwei Menschen, die keine Chance mehr haben. Bei dem Film von Ridley Scott sind das zwei junge Frauen, die noch im Besitz ihrer Schönheit und Jugend sind. Stattdessen wollte ich zwei Figuren, die das alles nicht mehr haben – aber gerade trotzdem aufbegehren. So habe ich das Thema dann einfach voran schreiten lassen und zwei Rentnern aufgebürdet.

Kannst du an dieser Stelle denn etwas mehr von Paul, dem Hauptprotagonisten verraten?

Dafür soll man das Buch natürlich lesen! Nur so viel, er ist jemand der nach einer langen Zeit voller still sitzen und warten darauf hofft das das Schicksal ihn endlich erlöst. Doch dann wacht er auf und wird selber tätig. Er beginnt über sein eigenes Leben nachzudenken. Warum es so geworden ist, warum er so lange gewartet hat. Dieses Nachdenken über das eigene Leben, das Schicksal und diese Ausgeliefertheit sind die Hauptmotoren dieses Buches.

Sowohl die Hauptfigur deiner früheren Bücher, Michael Sonntag, als auch Paul wirken auf den ersten Blick unglücklich und etwas verloren im Hier und Jetzt. Ist das ein Leitmotiv das sich durch alle deine Bücher zieht?

Das stimmt, es sind Randfiguren die nicht im Zentrum der Gesellschaft stehen. Sondern eher in Positionen sind, in denen sie nicht mehr sonderlich viel zu erwarten haben. Es sind literarische Figuren, die mich meist mehr interessieren. Ich hatte jetzt gerade Rüdiger Safranski’s Biographie von Goethe angefangen. Da ist einfach zu viel Gelingen im Leben! Das zu lesen ist mir dann einfach zu gleichförmig.

Deine früheren Bücher sind sehr humoristisch und dementsprechend waren deine Lesungen eine Art Kabarett. Die jetzige Lesetour wird sich davon unterscheiden.

Sie unterscheidet sich zwangsläufig. Es wird kein Gag-Abend sein. Ich arbeite gerade an den Texten und es wird natürlich einige Dialogstellen geben, die ich hinein trage damit der Abend lebendiger wird. Aber im großen und ganzen ist es eher ein Abend der sich mit den Fakten des Alterns und mit der Traurigkeit dieses Buches auseinander setzen wird.

Ist das für dich ebenfalls eine neue Situation, wo du gespannt bist wie das Publikum damit umgehen wird?

Natürlich bin ich darauf gespannt, natürlich habe ich auch Respekt davor – es kann ja auch nicht klappen. Ich habe schon einige Lesungen gemacht, die waren gut. Aber das hat ja bekanntlich nichts zu heißen. Mal sehen wie es kommt.

Du bist in Wien sehr beliebt, bist schon oft da gewesen. Was für einen Bezug hast du zur Stadt Wien und seinen Menschen?

Ich bin ja bereits seit vielen Jahrzehnten auf Tour gewesen in der Stadt. Zu Beginn mit den „Goldenen Zitronen“, dann selbst. Ich habe am Akademietheater die Musik für das Jelinek-Stück „Bunbury“ gemacht. Über die Jahre habe ich mich sehr, sehr gut angefreundet mit Menschen von „FM4 Im Sumpf“ und Grissemann und Stermann zum Beispiel. Es hat sich schon eine Art familiäre Verbindung in die Stadt hinein ergeben. Abgesehen davon, dass ich die Stadt sowieso als sehr tolle Stadt empfinde. Es gibt in Wien tolle Menschen, auf die ich mich schon sehr freue.

Nochmal zu deinem Engagement am Burgtheater 2004. Die Burg ist natürlich eine Institution, ist es ein Traum von dir irgendwann auf dieser Bühne stehen zu dürfen?

Auf jeden Fall. Es gibt seit einigen Jahren Ideen, die im Raum liegen und vielleicht klappt das ein oder andere. Es hat ja jetzt starke Veränderungen an der Burg gegeben, dadurch sind leider auch ein paar Kontakte weggebrochen. Da muss man jetzt sehen wohin das führt. Aber ich würde wahnsinnig gerne im Burgtheater spielen, die Arbeitsverhältnisse sind natürlich auch extrem komfortabel. Alleine die Schauspieler die man dort hat.

Würdest du denn lieber Regie führen oder selbst auf der Bühne stehen?

Es gibt beide Möglichkeiten. Es gibt ein großes Orchesterprojekt und die Stücke, die ich mit Studio Braun mache und wir werden uns immer wieder bei der Burg melden und anfragen. Vielleicht gibt es ja irgendwann den Zuschlag.

 

Das Leben ist nur eine kurze Pause vom Tod – eine knallharte Roadnovel von Rocko Schamoni.  

Alles fängt damit an, dass für Paul Zech das Leben aufhört. Nach einer ziemlichen Pechsträhne landet seine bürgerliche Existenz auf dem Müll, und Paul zieht los in die norddeutsche Weite. Im Gepäck hat er nur sein altes Tagebuch. Während er den melancholischen Kneipier Pocke kennenlernt und von ihm einen alten Sportwagen geliehen bekommt, liest Paul im Tagebuch von seiner großen Liebe zu Katharina Himmelfahrt. Sie war das Mädchen, in das er sich bei den Proben des Schultheaters zu den »Leiden des jungen Werther« verliebte. Doch mit einer dramatischen Eifersuchtsgeschichte unter den Akteuren bricht das Tagebuch ab. Nach einer Spritztour durch Dänemark kehrt Paul nach Norddeutschland zurück – und meldet sich bei Katharina, um Licht ins Dunkel seiner frühen Jahre zu bringen.